Dienstag, den 2. August 2005.

8.05 Uhr:

Um halb acht hoch, halb sieben verschlafen. Erst, nachdem ich Zigaretten holen war, den latte macchiato bereitet. Schwere Nikotinsucht wieder, ich muß das dringend eindämmen. Dazu brauche ich den Sport; schlechte Ergebnisse sind mir peinlich. Wenn die Psychoanylyse vorüber ist, in weniger als einem halben Jahr, werd ich die für die Therapie aufgewandte Zeit wieder für den Sport verwenden. Der Gedanke vorhin: Der Leistungssport hat meiner Arbeit immer gutgetan; betrieb ich d e n unnachgebig und ausdauernd, so schaffte ich auch mein poetisches Pensum, was wiederum dem Selbstbewußtsein sehr guttat. Ich bin mir heute morgen, was die Psychoanalyse anbelangt, da nicht mehr so ganz sicher. Andererseits wurde ja vieles in mir bewegt: Meine irrationalen Wutanfälle haben fast ganz aufgehört, ich bin tolerant geworden, fühle mich nicht länger davon bedroht, wenn in meiner Umgebung und besonders von nahen Freunden Pop gehört wird; mein Tag ist nicht mehr völlig zwanghaft durchstrukturiert, ich hab sowas wie Milde bekommen. Die Unerbittlichkeit der für richtig erachteten Positionen wird nicht mehr so hartnäckig durchgefochten usw. Und wenn ich *** nicht gerade wieder einmal begegne, komme ich sogar ganz gut damit klar, sie verloren zu haben. Persönlich also ist die Analyse von hohem Wert, individualtherapeutisch sozusagen. Poetisch ebenfalls, also für den Gedanken. Nur eben die Energie für seine Umsetzung lahmt.

Nachmittags kommen Do und H. für einen Tag zu Besuch. Vielleicht schaffe ich es und spreche mit ihr über einige dieser Zusammenhänge. Bis dahin werd ich den Rest der Dritten Staffel von “24” ansehen, dann ist das erst mal vom Tisch, und ich kann zumindest die dabei entstandenen Notizen ausformulieren. Etwa wie innere Härte entsteht: aus Not. Bei Soldaten (und Sondereinsatzkommandos) wird diese Not künstlich und durch den Beruf antrainiert. “Keine Zeit für Kinkerlitzchen” – so hätte man noch vor einem halben Jahrhundert emotionale Zustände abgetan, ehe sie einen durchhängen lassen und also handlungsunfähig machen.

Es ist mir überaus bewußt, daß diese Tagebuch-Rubrik letztlich nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich zu den bisherigen 15 Büchern noch mindestens weitere 10 addieren. Nur dann – unter dem oben geschilderten speziellen Aspekt – sind Die Dschungel nicht Flucht. Es ist, als balanzierte man ungesichert über einen sehr schmalen Grat: Man kann drüben ankommen, man kann aber auch abstürzen.

13.13 Uhr:

Lange, immer wieder auflebende Mail-Diskussion mit EvL. Die ausgerechnet in Buenos Aires lebt. Sie meint, die Stadt sei ganz anders, als ich sie beschrieben hätte. Was ich nun schlecht bestreiten kann. Aber ich laß mir handgezeichnete Straßenkarten von ihr schicken. Dann kann ich die Fehlinformationen besser zielen lassen. Wenn ich denn mal wieder zum Arbeiten k o m m e und nicht immer nur denke und nach- oder vorausfühle und mich an 24-er Serienstaffeln berausche. Was mir nachgeht: “Aber er war Patriot”, sagt Sutherland über einen Kameraden aus dem USA-Kossovo-Einsatz. Ein für Deutschland restlos undenkbarer Satz. Überhaupt unterschiebt einem diese dritte Staffel einiges “patriotisch”-US-Amerikanische, inklusive Selbstopfer fürs Vaterland. Das i s t schon schaurig. In den ersten beiden Serienfolgen drückte sich das nicht so in den Vordergrund wie jetzt. Man hat fast den Eindruck, Washington habe nunmehr auf die Drehbücher ganz direkten Einfluß genommen. Nimmt der Spannung aber n i x. Immerhin kam bislang nur einmal der Begriff Al Kaida vor. Aber die Grundbewegung ist deutlich: Die USA als das immer-attackierte Land; 9/11-Trauma. Es g e l i n g t sogar ein biologischer Anschlag, und die Leute husten sich zu Tode. Weiterhin ungewöhnlich und als würde man für den Ernstfall vorbereitet: Entgegen den Vorschriften werden an die Erkrankten Selbstmordtabletten ausgeteilt. Was diese Serie wirklich erstaunlich macht, ist die Konsequenz, in der sie die auch körperliche Pathologie des terroristischen Geschehens verfolgt.

3 thoughts on “Dienstag, den 2. August 2005.

  1. Herr Herbst, woher wollen sie wissen das die PA in einem halben Jahr zu Ende ist?

    Wäre das nicht so, als ob sie sagen, ich mach in einem halben Jahr mit meiner Freundin Schluss?

    1. Auflachend. Völlig richtig. Igitt, wie oft ich zustimmen muß. Aber es gibt einen faktischen Grund: Die von der Krankenkasse genehmigte Stundenzahl leert sich, und zwar endgültig. Da ich privat wieder einmal nicht weiß, wie die nächste Miete zu bezahlen, ist der Gedanke an private Finanzierung der PA ziemlich obsolet. Und es kann ja wirklich nichts schaden, wenn sich Die Dschungel auch mal wieder im Training ihrer privaten Muskeln und Sehnen üben – und das Rauchen einstellen, weil es sonst einen Waldbrand gibt.

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