Samstag, den 13. August 2005.

6.42 Uhr:

Ohne Wecker und sehr unruhig bereits kurz nach sechs aufgewacht. Ab nächste Woche muß ich das 6-Uhr-amSchreibtischSitzen wieder beginnen, strikt, und es langsam wieder auf 5 Uhr hinunterschrauben. Ich komm sonst zu nichts.
Regen draußen, ich hab einen Pullover angezogen, bin unzufrieden. Hab Raucherhusten und ärger mich drüber, daß es gestern Abend wieder nicht zu schaffen war, mit der Nikotinsucht aufzuhören. Mir sieht alledies gar nicht ähnlich, weder die Unlust noch diese Schwäche. Es wurde auch wieder eine ganze Flasche Wein,ohne daß dem etwas Produktives zur Seite gestellt worden wäre. Sogar die Dschungel verlieren an Konstruktion unterdessen.
Doch der Kleine hat heute einen wichtigen Tag. Sitze hier am Laptop, um mich irgendwie auf gute Laune und Herzlichkeit für ihn vorzubereiten. Wenn er sowie Katanga und sein Junge ebenfalls aufsind, werd ich Brötchen holen radeln, vor allem auch Batterien für die DigiCam, die gestern abend, als ich die Schultüte füllte, leider versagt hat. Dann Frühstück der „Männer“-WG, dann der für den Jungen so wunderschöne und ersehnte, für mich indes so schwierige Gang zur Schule, Treffen mit *** und ihrem body guard, gemeinsam ins Klassenzimmer, in die Aula, Begrüßungsrede der Direktorin oder des Direktors usw. Danach allein an den Laptop zurück und warten, daß mir mein Junge zurückgebracht wird.
Was ich mir zum Anziehen gestern abend herausgelegt habe – h e l l sein! -, kann ich wieder weghängen wegen des Regens. Ärgerlich. Von EvL nachts noch „ach, herbst“ und von A. eine SMS, ich solle auf jeden Fall zu der Einschulung gehen. Dabei ist das längst nicht mehr die Frage. „Haltung!“ pflegte meine Mutter in diesen Fällen zu zischen. Da hat sie wohl recht, also: denkt man das Zischen hinweg.

(Ich will kein gemeinsames Foto von ***, meinem Jungen und mir. Hoffentlich krieg ich das, ohne einen Aufstand machen zu müssen, auch hin. Daß etwas bewahrt werden kann, das anders als das ist, was i s t oder war, fände ich fast ebenso scheußlich wie die Situation selbst.)

14.16 Uhr:
Von der Einschulung zurück. Ich bin dann d o c h noch ins Café mitgegangen, es wäre anders falsch gewesen. Im übrigen waren der Junge und ich viel zu früh an der Schule, die Mama kam etwas später. Vor ihrem Impuls, mich mit Wangenkuß zu begrüßen, schreckte ich zurück; alles sehr knapp, in Zehntelsekunden. Sie war sehr aufgeregt, sehr gerührt, sei immer wieder nachts aufgewacht, hin- und hergegangen. Eine große Schönheit, nach wie vor. Ihre Schwester lade sich immer wieder Bilder von Adrian aus dem Netz, erzählt sie, und druckt sie auf Hochglanz aus, hängt sie sich auf. Sie lese in Den Dschungeln, wenn sie wissen wolle, was Neues geschehen sei. „Da weißt du mehr als ich“, habe *** ihr geantwortet. „Ich denke“, sagt sie, als ich mir auf dem Schulhof eine Small Corona entzünde, „du rauchst nicht mehr.“ Ich winke ab.
Alles läuft zwischen uns distanziert, höflich, mitunter melancholisch. Der Junge ist gegen Mittag etwas gereizt, als er seine Geschenke zusammenbaut am Café-Tisch. Vielleicht spürt er die seelische Spannung, vielleicht ist er auch nur von den vielen neuen Geschehen überlastet. Er möchte dann gern mit der Mama und ihrem Bruder mit, den er lange nicht mehr gesehen hat. „Selbstverständlich“, sage ich auf ***’s fragenden Blick, „wenn er das möchte. Bringt ihn mir dann am Abend. Ich bin auf jeden Fall zuhaus.“
Die drei gehen, als wir das Café verlassen, nach links, ich gehe nach rechts. Das weiteste denkbare Auseinander der Richtungen. Es regnet. Einigermaßen naß komm ich in die Kinderwohnung zurück.

23.50 Uhr:
[Schostakovitsch, Preludien und Fugen.]

*** war noch einmal hier, um mir den Jungen zurückzubringen. Seltsames sich-nicht-Lösen von der Tür; Abschied von dem Kleinen, als wär’s für ein paar Tage und nicht nur bis morgen. Er ist sehr aufgeregt und glücklich, erzählt und erzählt, spielt mit Katangas Sohn mit seinen neuen Bionicles und Lego-Figuren, und abends, zum Abschluß, schau ich mit ihm den ersten Teil des Herrn der Ringe; bis fast halb zwölf kämpft der Kleine, obwohl hundemüde, sich durch: diesen Tag noch strecken.Und n o c h weiter strecken. Ich laß ihn. Zwei Lola-Geschichten noch im Bett, „noch kuscheln, Papa“, und er schläft unter meinen Händen ein.
Jetzt ein wenig denken… nein, den Tag nachfühlen; lang wird es auch für mich nicht mehr werden. Eine Nachricht von EvL im Postfach, ich schreibe eine Nachricht zurück. Rauche vor mich hin. Sinne. Bin nicht einmal mehr richtig traurig, der Tag war zu voll, um das gerechtfertigt sein zu lassen – und der Junge war zu glücklich. Da sind außerdem diese Blicke, da ist diese Gegenwart; da ist, unerwartet sorgsam geht sie heute mit mir um, in Buenos Aires EvL. Ebenso behutsam sollte ich Die Dschungel aus dem ‚reinen’ Tagebuch in ihre Ästhetik zurückführen. Dann werden sich d i e s e Tage, einst, wirklich wie eine Insel lesen. Das ist auf keinen Fall aus dem Blick zu verlieren. Ich habe die hiesige Ästhetik, das ist deutlich, privat übertreten. Nun ist das einzubinden in einen größeren Zusammenhang.

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