Mittwoch, den 24. August 2005.

8.36 Uhr:
[Keine Lust auf Musik heute morgen.]

Bin in SAN MICHELE drin; es wird Zeit, den Bogen zu schließen. Es wird eine fast impressionistische Arbeit, ich erzähle über das Haus-konkret fast nichts. Völlig feature-fern, was ich da tue. Und dennoch glaube ich, es teilt sich schließlich sehr viel mehr mit, als häufte ich journalistische Fakten an. Ein Faktum deckt seinen Gegenstand a b, das ist seltsam. Möglicherweise entspricht das ihm gegenüber der Differenz, die Benjamin zwischen Begriff und Wort sah.
Ein schöner ruhiger Mailwechsel mit EvL läuft nebenher, manchmal ein leiser, freundlicher Spott, manchmal eine Nähe, über die nicht mehr gesprochen werden muß, manchmal etwas wie ein Seufzer, der sich im Satzzeichen findet. Ich hab den Eindruck, das wiegt mich wie ein Wasser zwischen Erzählung (Hörstück) und Erzählung (Mails) hin und her. Eine Stimme, die zu mir spricht, ohne daß dies oder meine Antwort den Fluß der Erfindung beeinträchtigten. Ich kann sogar diesen Tagebucheintrag schreiben, ohne daß er mich aus der Arbeit hinausschubst. Ich schreibe dieses hier, schreibe EvL und lese sie, schreibe SAN MICHELE, als wäre alles drei ein Einziges. Das hat etwas von Meditation. Und kommt der Stimmung, die ich im Hörstück erreichen will, ausgesprochen entgegen; vielleicht schafft es sie sogar erst.

8.59 Uhr:

Ich les grad, daß http://www.buschheuer.walka.de/DE” target=_blank” onmouseover=”status=’Deshalb schweigt Schubert.’;return true;”>>>>> Else Buschheuer mich für ihren Musikbeauftragten nimmt. Das hat was. Ich stell mir unmittelbar die Subversion vor, die sich in den Kellern des MDR TV’s wie ein versehentlich ausgetretenes Wasser ausbreiten und steigen würde und schließlich den Leuten die Füße näßt, und wie Katzen, die in eine Pfütze getreten, schütteln sie nun ihr Alden-Pfötchen und schütteln und werden’s nicht los. So daß sie sich nur noch ergeben können, um, aus i h r e r Sicht, amphibisch zu werden oder zur Schiffahrt zu gehen: Woraufhin das >>>> riverboat, von dem ich vor einer Woche noch gar nichts wußte und eigentlich auch jetzt noch nichts weiß, nicht nur auf witzige Weise seinem Namen (wieder?) gerecht wird, sondern fortan die Shows jeweils mit zehn Minuten Neuer Musik ein- und später auch wieder ausklingen läßt. Vielleicht spielt man auch, sagen wir, ein bißchen Henze-Tristan, und die Moderatorin sitzt da, ihr gegenüber – wer fällt mir ein? ja: – Ben Becker, und der möchte natürlich was sagen. Setzt auch schon an. Da hebt die Moderatorin ganz versunken eine Hand und sagt: „Entschuldigung bitte, ich lausche.“
Wenn so etwas jemals geschieht, dann, ich versprech’s, schaffe ich mir wieder einen Fernseher an. (Den von Katanga kann ich nicht mehr in die Kinderwohnung holen, weil mit vielem anderen auch er vor ein paar Tagen einer Zwangsräumungsmaßnahme der Hausverwaltung zum Opfer fiel; wir hatten das Gerät vor anderhalb Jahren in den Keller verbannt. Kann sein, es war darin derart einsam und sehnte sich so sehr nach einem – für ein solches Gerät – wieder erfüllten Leben, daß es die Hausverwaltung telepathisch h e r b e i rief und dazu becircte, es rein um seinen Lebenssinn aus dem Gefängnis zu entführen. Es habe, also der Keller, offengestanden, behauptet die Hausverwaltung jetzt. Mag also auch sein, das Gerät ist aus ganz eigener Kraft geflohen. Es hat, das allerdings macht mich grübeln, sogar das Schloß mitgenommen.)



16.47 Uhr:




Ich schreibe auch nur, weil ich eben eine geradezu unglaubliche Wendung in mein Hörstück bekam; das war genau an der Kante zwischen Erkenntnis als Entzücken und Erkenntnis als Erschrecken: und es kam ganz aus der Bewegung des Stücks, das heute die Arbeit an ARGO völlig überstrahlt.
Nur das wollt ich schreiben, ich esse jetzt was.



… aber nicht nur d a s, nicht dieses momentan noch leise Glück durch die Arbeit, sondern auch etwas anderes gehört in die Produktivitäts-Wirklichkeit. Ich geh also in die Küche, um mir einen dritten latte macchiato zu bereiten und klopfe den metallenen Pulverträger wie immer am Innendeckel des Mülleimers aus: da ist der voller Maden, sehr k l e i n e r Maden, aber es sind Hunderte. Und sind auch schon auf meiner Hand, zwischen meinen Fingern. Ich schluck den Ekel tapfer weg, setz den Deckel wieder drauf. Überlege. Will ich nun Kaffee oder nicht? So bring ich den Mülleimer hinab, leere ihn, klopfe ihn aus, aber diese Maden h a f t e n. Haften sich ringelnd, keine anderthalb Millimeter lang, aber von einer Adhäsionskraft wie Geckos. So kipp ich, wieder oben, Abflußfrei und Scheuermilch und Domestos alles zusammen und füll den Eimer und auch den umgekehrten Deckel damit in der Duschwanne. Und verschwinde, denn der Dampf, der da nun aufsteigt, gefährdet nicht nur die Maden. – Momentan mag ich nicht ins Badezimmer, obwohl ich mich endlich duschen müßte. Statt dessen: diese I d e e, die ich da hatte! Wie sich etwas, das ich drei Tage zuvor schrieb, jetzt bestätigt, ohne daß das durch mein Bewußtsein angelegt war… vielleicht durch meinen Instinkt, das mag sein. Ich hab überhaupt in den letzten Jahren eine große Achtung vor meinem Instinkt bekommen.




22.48 Uhr:




Entgegen dem Plan g a r nichts an ARGO getan; dafür aber mit SAN MICHELE fast fertig. Ich werde auch morgen wahrscheinlich n u r an diesem Hörstück schreiben. Ich bin jetzt völlig drin, egal, was sonst noch so auf mich einspricht (Wunderschönes, Wunderhäßliches, ja Fieses: etwa eine Vollstreckungsankündigung vom Hauptzollamt [!!!] Berlin wegen einer unterlassenen Zahlung der Unfallversicherung an die KSK – Jesses, Leute, wie s o l l ich denn???). Etwas sehr Autobiografisches verschaltet sich ganz unerwartet quer mit etwas Objektivem. Dann kam mich die Lust an, in den WOLPERTINGER zu schauen, daraus etwas zu posten. Ich tat es und nahm ganz bewußt eine Stelle, die stimmt, die aber eine Macke hat, über die ich dann a u c h noch schrieb. Nee, kein Link, das können Sie sich selber suchen. (Daß ich mit SAN MICHELE fast fertig bin, ist echt kaum zu fassen. Gestern hatte ich noch keine Ahnung, wohin sich das schließlich drehen wird – prompt finde ich von meinem Lieblingsredakteur Zenke eine Mail im Postfach, er brauche unbedingt einen Pressetext zu dem Stück – und er haut mir den von mir vorgeschlagenen Untertitel „Eine Liebeserklärung“ gleich um die Ohren, das „Wunder“ im Titel sei doch wohl Liebeserklärung genug…. merda, hat ja ganz recht, der Mann. Das schreib ich ihm dann auch gleich so zurück. Manchmal ist es ganz gut, wenn einen Pragmatiker halten, zurückhalten heißt das: also Dummheiten zu begehen, die aus dem Überfluß schäumen… shit, ich hab eine unbändige Lust jetzt auf Klammerkonstruktionen, bei denen schließlich niemand mehr, auch ich nicht, weiß, wo die Schluß-Klammer hingehört….. bin also absolut vergnügt, man kann auch sagen: manisch – nund sollte eigentlich ins Bett. Aber es wäre schön, meldete EvL sich noch [1]((es ist jetzt 17.58 Uhr in Buenos Aires, und ich finde, meine Freundin habe endlich mal wieder — soll ich’s manieriert schreiben??? ja!!!: einen Schimpf auf mich zu kippen…. drei … Continue reading))).. jedenfalls starr ich auf den Posteingang.


…ähm, w o war ich? Sie hat sich nämlich soeben gemeldet… ich finde, das ist die Unterbrechung jetzt wert. Nein, den Abschluß. Das haben Sie zu verstehen. Ach nein? Ach, d a s ist es? Nö, also duzen werd ich Sie nicht. Wir bleiben gefälligst beim Sie! *ab in die Mail und dann ab ins Bett –

Das DTs – jaja, ich bin Perfektionist – hat wer was dagegen? — also: DTs mit dem Arbeitsfortschritt schreib ich entweder später oder erst morgen. Ist ja m e i n e Regel, nicht Ihre. Buona notte insieme.

References

References
1 ((es ist jetzt 17.58 Uhr in Buenos Aires, und ich finde, meine Freundin habe endlich mal wieder — soll ich’s manieriert schreiben??? ja!!!: einen Schimpf auf mich zu kippen…. drei Klammern, vier Klammern? Setzen wir sicherheitshalber fünf:

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