Ertrinken fürs Wohlbehagen Gottes. Argo. Anderswelt. (149).

So daß die ganze junge Frau in den Strudel eines anonymen, dennoch realen Flusses geriet, mit all ihren Sachen, der Umhängetasche, der knielangen Weste, den Hosen, den Pumps, mit dem genäßten Pferdeschwanz, dem Zündschlüssel für ihren Rappen: Sie hielt sich gerade noch fest an einer Wurzel, die stand hoch, war ein Griff, schien ein Griff gewesen zu sein, denn Michaelas Finger durchbrachen sie wundlos, und der Versuch, nach dem Rechen eines der Bäuerchen zu greifen, ging ganz besonders schief. Lächelnd sah das holomorfe Puppenmännchen der Verschwindenden Fortgerissenen zu; er hielt ihr Gefuchtel für Winken und winkte lächelnd zurück. Schon Michaelas Kinn in die Höhe gereckt, noch über Wasser, so schnappt ein Fisch nach Luft, den Hinterkopf bis fast in den Nacken genommen, aufgerissen das schöne schöne Mäulchen, das spitze, so schnippische, nun galt es, Wasser zu schlucken. Und schluckte, bis gar nichts mehr ging, bis sich Wasser und Körper ausgeglichen hatten in der Lunge im Magen die schönen Ohren liefen voll, bis nur noch Harmonie war: darin schwamm Gott auf dem Rücken und ließ, bei geschlossenen Augen, die ausgestreckten Hände nur so leicht kreisen, daß ihn die Wasserzirkulation in dem Becken, zu dem ihm Michaela, bis sie dann stürbe, geworden war, an der Oberfläche hielt. Er wollte sich ja nicht anstrengen, Jehova, sondern Geist über den Wassern genießen. Ach welch großes Gefühl! Leblos bereits, so schien’s, schoß Michaela Gabriela Anna Ungefugger unter den Simulationen des Westens, gänzlich von ihnen verhüllt, im Strömen des Flusses dahin, ein Körper, schon mit dem Wachs des Jenseits’ geölt und so weiß die Haut so porös durchquollen: Wußten Sie, daß auch der Tod aus Teilchen besteht, ganz wie das Licht? Sonst könnte Gott es nicht atmen, einatmen, ausatmen, einatmen: die ganze Welt absichtslos schaffend und ebenso absichtslos wieder zurücknehmend und abermals schaffend, Rotverschiebung und Urknall und Rotverschiebung wieder, ganz automatisch, das ist nichts, letztlich, als ein Oxydationsprozeß. Und in den Sterbenden findet Gott seinen Swimming Pool, in den Sterbenden läßt Gott sich auf dem Rücken treiben, bis sie ihm zu kalt geworden sind und er friert, so daß er die Augen öffnen und an den Beckenrand schwimmen muß, um aus ihnen hinauszusteigen und sich dann so tüchtig von ihnen abzurubbeln, daß sich seine Haut um so heftiger rötet je blasser die der Toten wird.

>>>> ARGO 150


ARGO 148 <<<<

3 thoughts on “Ertrinken fürs Wohlbehagen Gottes. Argo. Anderswelt. (149).

  1. Das ist ganz ausgezeichnet inwendig in den Bildern, bevor sie als Odem wieder austreten in einer Unbekannten, die später zur Konstante des Lesers wird; auch ein Strudel, auch ein Griff.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .