Seit Jason Kehl verlassen hatte, aber imgrunde schon lange vorher, eigentlich hatte das in der Zeit begonnen, in der er mit dem Vater zusammenlebte, war er von seiner Kindheit wie abgeschnitten. Das ganze Ausmaß dieser Entfremdung allerdings begann er zu fühlen, als er zum ersten Mal die kleine Ungefugger sah: da wußte er, ohne sich doch darüber klargewesen zu sein, was es bedeutet: erwachsen zu werden. Da war der Schnitt imgrunde vollzogen, den zu realisieren jetzt anstand. Das begriff er aber alles erst, als er an diesem allerfrühesten Morgen auf dem Liebes- und Berufsbett seiner Mutter wach wurde.
Er war eingeschlummert nachts, ohne sich ausgezogen oder gar gewaschen zu haben, hatte sich doch nur, um sie zu erwarten, daraufgelegt. Nun klebte er in den Klamotten, klebte der Schweiß unklarer Träume darin, nun trat er die Überwurfdecke vom Leib, rollte sich aus dem Bett, zog endlich diesen Anorak aus. Dann ging er ans Fenster, sah die drei Etagen auf die Wilhelm-Leuschner-Straße hinab: eine eher öde Frankfurtmainer, beidseits von Halbhochhäusern bestandene Zeile: Hotels, paar sich über mehrere Stockwerke hinziehende Garagen; den Main, wußte Jason, gab es schon lange nicht mehr, jedenfalls nicht mehr im Tag; er wäre ihm sonst im Rücken geflossen, also dort, wo heute Colón lag: jenseits der calle dels Escudellers. Wahrscheinlich war er mit anderer Kanalisation, die aus der Großen Westbrache hier hindurchgeführt wurde, in riesige unterirdische Röhren gebunden: flache, 400 Meter breite und Hunderte von Kilometern lange Röhren, ungeheure Spinaten, durch deren Venen das halbe Buenos Aires seinen Abfall entsorgte und als hämischstes aller Grußworte – ein GrußErbrechen, kann man sagen – ins Thetismeer verklappte. Schloß Jason die Augen, so konnte er den so verdrängten Stoffwechselbrei geradezu unter seinen Füßen vibrieren fühlen: wie alles, wirklich alles auf diesem zähen Schlamm, der sich so unsichtbar voranwälzte, schwamm: ohne den aber alles gestorben wäre.