Donnerstag, der 22 Dezember 2005.

7.18 Uhr:

[redundantia:Filterkaffee, häßliche Kapuze in Pink, am Küchentisch der Kinderwohnung. Diese Bestimmung gibt dem Leser immer sofort das Umfeld, es ist gleichsam der Geruch, auf dem, wie auf einer Folie, erzählt wird. Das ließe sich freilich auch abkürzen, wie ich es mit DLZI und DASDM getan habe, also: FhKKK – aber dann hätten n e u e Leser keine Chance. Dies nur als freundliche, weil erklärende Replik auf >>>> Rolands sagen wir Kritik.]

Ich scheine mich wieder einmal daran zu gewöhnen zu veschlafen, erinnere mich aber als wie an einen Traum, daß der Wecker um halb fünf klingelte und daß ich wirklich suchen mußte, bis ich begriff,wie sich das Funkding ausschalten läßt. Dieses Suchen gehörte aber seinerseits in einen Traum; weiterzuschlafen war deshalb völlig organisch. Um kurz vor sechs erwachte ich ein nächstes Mal, aber da lächelte mein kleiner Sohn mich an und nahm mir, so muß das ausgedrückt werden, meinen linken Arm weg… jaja, wie ein Kuscheltier; nahm ihn und zog ihn zu sich und mantelte sich darum herum. Kein Mensch kann dann aufstehen. Als ich j e t z t erwachte, lag i c h um i h n, als wäre e r ein Kuscheltier.
Von der noch dunklen Schönhauser permanentes Pladdern, auch das schläfert ein, als wär man im Schiffsbauch. Die Straße leuchtet naß: nasse Schwärze, in der sich das farbig leuchtende Geschäftsplastik spiegelt. Das sah ich, als ich mich aufrichtete und vom Hochbett wie in die Ferne hinaussah.
Ich werde heute kaum zum Arbeiten kommen, na ja doch, die alte Regel mit meinem Sohn: abgesehen vom Früstück ist, wenn er hier ist, bis elf Uhr Arbeitszeit. Danach will ich den Weihnachtsbaum kaufen, der für mich mit einer tiefen Erinnerung besetzt ist an meinen, ja, seltsamerweise, Vater (dabei hatte ich nie ein Weihnachten mit ihm). Selbst als Jugendlicher, bei meiner Mutter – („Wir hatten immer z w e i Weihnachtsbäume“, erzählte sie einmal, „weil die Jungen so schwierig waren: Jeder wollte einen anderen, weil jeder völlig anders schmückte.“; mein Bruder kam am Tag seines 40. Geburtstages um.) -, selbst da war der Baum – das Schmücken des Baums – mit VaterErinnerung verknüpft: „Du schmückst wie dein Vater“, sagte meine Mutter – wovon ich gar nichts wissen konnte, er hatte mir das nicht beigebracht oder muß es getan haben, bevor ich vier wurde… ich kann nicht mehr fragen, Tote werfen uns immer auf unsere Projektionen zurück, die Interpretationen von erlebten Wahrheiten sind oder als von wahr Erlebtem, das möglicherweise anders war… – (nicht) egal. Jedenfalls hat, einen Weihnachtsbaum zu schmücken, für mich bis heute etwas von einem heiligen Ritual – ich schrieb einmal eine Geschichte darüber, sie ist eines der Blumenstücke im WOLPERTINGER geworden, so wichtig war mir das. Und ist es geblieben.
Es gibt keine Girlanden, Lamettafäden werden nur einzeln gehängt und so, daß ihre Enden nirgendwo aufliegen, dasselbe gilt für den Schmuck: er darf nicht am leichten Schwingen, am sich Drehen usw. gehindert sein. Verwendet werden frische rote, glänzend polierte Äpfel, Backwerk, Schokoladeringe, Zimtstangen, ganz wenige Glaskugeln. Mit Holzspielzeug werden im Baum selbst, meist stammnah, in kleinen ‚Nestern’ Geschichten erzählt: Schätze sind verborgen (Goldtaler, MiniaturGerätschaft), um die Holzzwerge stehen, irgendwo fährt eine hölzerne Lokomotive, anderswo spielen oder streiten sich Kobolde usw. Christliches Beiwerk ist aus dem Baum strikt verbannt: nur Sterne sind erlaubt, aber es gibt keine Engel oder ähnliches. Daß der Baum mit Wachskerzen bestückt wird, ist selbstverständlich, meist sind es e l f. Wird der Baum sehr groß, dürfen es 13 sein. Die Dreizehn ist ohnedies die bessere Zahl (13 Monate x 28 Tage = ein matriarchales Jahr). Geht aber nur, ist er Baum höher gewachsen als drei Meter. Sonst verlieren die Kerzen den Character des Lockens. (Sind sie ganz herabgebrannt, dann stehen die Flämmchen auf den Ästen wie Lagerfeuer von Elfen.)
Wenn auf diese Weise geschmückt wird (kein Hängefaden darf überhängen, das ist wichtig), bekommt der Baum etwas Schwingendes Schwebendes insgesamt: Es sieht so aus, als wären die Schmuckgegenstände gar nicht gehängt, sondern als f l ö g e n sie, schwebten frei, ebenso das Backwerk alles Süßgkeiten, ja die Zwerge fangen an, sich zu bewegen. Der Baum wird geradezu zu einem Gegenentwurf irdischer Gravitation. Wichtig ist dafür, daß er freisteht, man muß um ihn herumgehen können, er wird zum Zentrum und dabei zugleich die Durchsicht in andere Welten: zum >>>> Schrank, der nach Narnja führt.
Merken Sie, wie mich das berührt? Ich wollte an ARGO arbeiten und schreibe von einem Weihnachtsbaum…

Gut, FondueGerätschaft ist des weiteren zu besorgen. Herumtelefonieren, Herumfragen; ich hatte einst ein FondueSet, aber ich weiß nicht,wo es geblieben ist, bei ****** nach der Trennung, bei Do in Frankfurtmain nach der Trenung? Ich nahm ja nie viel mit, nur das Persönlichste immer.

Und heute abend alle drei – Mama, Papa, Kind; symbolisch ist das (momentan noch?) falsch; richtig ist Mama – Kind – Papa -…. also: zusammen im Traumtheater Salomé, so daß ich morgen das Feuilleton drüber schreiben will und muß, aber vielleicht auch noch für die nächste Woche Zeit dafür habe. Immerhin kommen wieder gelegentliche Aufträge rein. Literaturfern, na gut, aber man kann sie formulierend ja drehen.

[Zu Narnia eben noch: Gestern zur Nacht dem Jungen Andersens DIE SCHNEEKÖNIGIN vorzulesen begonnen, als sie Kay das zweite Mal – leiblich – erscheint, schlief er ein. Aber wenn man den Originaltext liest, merkt man, wie viele Spätere sich daraus bedient haben. So auch, ganz deutlich, Lewis. Und neulich hörte ich im Radio einen Popsong, der rigoros auf ein hier sehr banalisiertes Thema von Brahms zurückging. Man läßt den Einfall bestehen, zieht aber alle Kunst von ihm ab. Bei Narnia allerdings ist es mehr eine Uminterpretation oder eine Variante auf Andersen; musikalisch hätte man geschrieben: NARNIA, Variationen auf ein Thema von Hans Christian Andersen. Wobei es sich bei dem (schönen) Film um eine Variation auf ein Thema von Lewis auf ein Thema von Andersen handelt. Undsofort wird es in nächsten Jahrhunderten weitergehen.]

17.56 Uhr:
[Ein mir unbekanntes Stück für Klavier und eine im Flageolett gespielte Geige, die deshalb nach einer Flöte klingt. Im >>>> DänenNetzRadio.]
Das war ein guter Tag – nein, schöner Tag -, ohne Arbeit, sozusagen… na ja, ein bißchen doch, aber sonst besorgt, was wir brauchten… einen sehr schönen Weihnachtsbaum, der allerdings nicht so hoch ist, wie ich wollte, aber es war halt für an die 80 Euro kein Geld… es war ja noch das FondueSet zu kaufen, da keiner, den ich anrief, eines hatte… Lagerverkauf, aus Restbeständen also, war okay. Und immer mein Junge bei mir. Den Weihnachtsbaum bekamen wir erst ziemlich weit weg, an der nächsten Verkaufsstelle hatte der Verkäufer derart miese Laune, daß mir die Lust verging, ihm den Vrdienst zukommen zu lassen. Einen Weihnachtsbaum zu kaufen, das gehört schon zum Ritual, das braucht Z e i t, viel Zeit, man denkt und schaut und sinnt und imaginiert… schließlich entschied sich mein Sohn: „D e n, Papa, nehmen wir.“ Und es war eine g u t e Wahl, nur war der Baum eben nicht höher als 2,50 m. (Für den Kleinen wird das mit seinen 1,20/1,25 schon groß s e i n, ich habe ja einen anderen Blick, der eine Kindheit wiederherstellen möchte, die imgrunde unter 4 m nicht herzustellen ist.)
Dann lange und ausgebig geduscht, wir zwei Männer, dann gegessen, und jetzt bereiten wir uns langsam auf den Aufbruch vor. In einer halben Stunde geht’s los, dann werden wir rechtzeitig beim >>>> Traumtheater Salomé s e i n, um die Karten noch abholen zu können.

Danach: