Vielleicht ist dies eine der wenigen Arten, in denen man, ohne sich zurückzuziehen oder mögliche Erlebnisse von sich wegzuhalten, das Leben bei allem Schrecken nicht nur aushalten, sondern vor allem mitgestalten kann – man ist dann liebevoll besessen. Man ist der ‘Held’ dieser je eigenen Geschichte, zugleich aber auch der Autor des Helden, man wird zugleich ins Chaos geworfen und hat, wenn man es ganz ernst bedenkt, eigentlich wenig Chancen, es mitzubestimmen. Man ist ‘geworfen’. Aber indem man das akzeptiert und dann anfängt, es zu gestalten (zu inszenieren), wird man tatsächlich zu einer Art Urheber. Nicht etwas inszenieren, das es nicht gibt – also täuschen -, sondern genau das, w a s es gibt, als ein künstlerisches Material begreifen, über das ich verfügen kann und muß. Ich kann daraus einiges lernen, vor allem, wie bestimmt ich bin; denn es geht nicht, gerae als Urheber nicht, eine beliebige Figur etwas Beliebiges tun zu lassen, etwas, das mir gerade so einfällt und aus Daffke. Die Ästhetik eines Romanes steht dagegen, er würde falsch, also schlecht. Die Figur wird in einem Roman immer eine Handlungsweise wählen, die für sie stimmt. Das geht so weit, daß selbst in Büchern, die jede bürgerlich-zivilisierte Norm außer Kraft setzen (etwa die Raum-Gesetze bei Ishiguro in The Unconsoled), sich ihrerseits ein Wirkungsgefüge herstellt, das wiederum ganz bestimmte Handlungen verlangt, wenn diese, sagen wir, neue ästhetische Welt denn in ihrem Rahmen glaubhaft sein soll. Ein Dichter, der etwas kann, hat dafür immer ein Gefühl. Er ist in der Gestaltung seiner Arbeiten genau so wenig frei wie der Mensch in seinem Alltag; beiden aber vermittelt sich ein Gefühl von Freiheit, und zwar immer dann, ist etwas gelungen. Das ist das Paradoxe daran.
[Hier in Den Dschungeln, fällt mir gerade auf, ist das Tagebuch der Roman. Und die anderen Rubriken reflektieren unter anderem über ihn.]
Ersteintrag am 10. August 2005.
Ich fühle mich berufen. Und die Pavoni zischt und zischt. Sie zischt schon so laut, dass man gar nichts mehr hören kann. Und immer wieder wird der Latte Macchiatto getrunken, die Kapuze der unglaublich hässlichen Trainingsjacke über den Kopf gestülpt, E-Musik über die Kopfhörer gehört. Vielleicht wird in guten Momenten auch mitdirigiert, ja sogar mitgesungen.
Über diese Dinge und Verhaltensweisen wird – gewollt oder ungewollt, aber auf jeden Fall hochnotpeinlich – Lifestyle vermittelt. Sie werden – wieder gewollt oder ungewollt – zu Accessoires einer Inszenierung. Aber: die Pavoni zischt doch! Es ist doch der Latte Macchiatto, der aus der Tasse dampft! Die Trainingsjacke ist doch – gemessen an den momentanen Modestandards – hässlich! Nur zeigt sich auch hier: die Namen der Dinge und Verhaltensweisen gehören einem nicht.
Wenn das Leben ein Roman ist, dann ist er h i e r ein unglaublich schlechter. Vielleicht wird hier im Kleinen die Koketterie mit einer gelebten Vita – der „Rebell“, der übrigens bestens dazu geeignet ist, Ausgangspunkt einer Legende zu werden; ach! könnte man doch einer solchen Vita habhaft werden – eingeholt. An den Dingen und Verhaltensweisen sollt ihr sie erkennen! Vielleicht muss das Leben auch deshalb Roman sein, um damit niedergeschriebene und dadurch gelebte Vita werden zu können.
wenn man sein leben sonst nicht begreift, kann man es als roman betrachten.
wenn man nix besseres zu tun hat, kann man das kritisieren.
wenn man was besseres zu tun,
dann hört man hier auf zu les…
Vielleicht – vielleicht – ist ein Anflug von Revolution im Internet möglich. Zwar nicht so weitgehend, dass der König guillotiniert wird, wohl aber immobilisiert im immer-wieder-reagieren müssen. Z.B. indem etwas ein Foto von etwas macht. I r g e n d e t w a s reagierte.
Wirr Was für Wirrköpfe. Unbegreiflich, weil sie nichts begreifen. Stehen mit leeren Händen da, mit leeren Kopf und verstehen nichts, weil da nichts mehr ist. In ihren Köpfen. Und faseln dann gleich von Revolution. Verbrühen sich aber schon am Kaffee. Oh je Oh nee….
Ach, lassen Sie sich doch nicht so sehr vom Wort Revolution beeindrucken …
Das Leben als Roman begreifen? Ein Handeln in einem Raum, den die aus den Fixierungen sich ergebenden Worte definieren. [Ein TB wäre wieder mal fertig: dies die beiden letzten Sätze, die sich dann natürlich hierauf beziehen. Einstellen geht tatsächlich nicht im Moment].
Das, was sie am Ende schreiben, dass der Dichter in seiner Gestaltung also genauso eingeschränkt ist, wie der Alltagsmensch; das gefällt mir.
Eine Geschichte schreibt sich immer aus der Abhängigkeit des Kontextes heraus, aus dem sie entsteht. Das Werden des Kontextes ist das Werden der Geschichte und die Verräumlichung der Beiden (der Raum der Möglichkeiten, der sich im durchlaufen der Zeit eröffnet) das literarische Moment.
Man fragt sich bloß, welche Rolle der Inspiration noch beigemessen werden kann.