Die Nacht auf den 26. Dezember.

Ich schlief ein gegen Viertel vor elf. Dann habe ich geheiratet. Ich war sehr gücklich. Dabei lehne ich die Ehe als Institution so sehr ab, daß ich sie bislang jeder geliebten Frau verweigert habe. Zur Strafe wohl habe ich heute nacht nicht ins Gesicht meiner Braut sehen, sie also in doppeltem Sinne nicht erkennen dürfen. Und wie aus Scham sah ich nicht direkt hin. Und zur weiteren Strafe war ich nach der Trauung nicht mit ihr zusammen, sondern mußte oder wollte gehen, ich weiß es nicht mehr. Ich habe meinen Wagen gesucht, der ein paar Meter unterhalb am Hang geparkt war.
Die Trauung wurde in einem der Gethsemane-Kirche sehr ähnlichen, aber nicht gleichen Gotteshaus vollzogen. Das weiß ich, weil ich am Heiligabend zu einem Krippenspiel dortgewesen bin, aber weil mein Junge nörgelte – es war ihm viel zu voll –, sind wir nach dem ersten Lied wieder gegangen. Jedenfalls gibt es ein sehr hohes, nicht so sehr langgestrecktes wie bauchiges Schiff mit zwei Emporen, die fast den gesamten Bau umschließen. Vorne der Eingang aber ist ein kleines Foyer, von dem je links und rechts die Treppen in überdachten Gängen hinaufführen. Hier stand ein Taufbecken aus Stein, etwa hüfthoch. Hier wurden wir getraut. Wir knieten nicht, meine Frau und ich, aber wir mußte uns entkleiden. Schöner läßt sich, daß man zusammengehört, tatsächlich nicht symbolisieren. Wir traten zusammen nackt an den Taufstein, wir knieten nicht, sondern standen stolz. Um uns stand die Traugesellschaft. Der Priester – auch sein Gesicht sah ich nicht – legte erst ihr, dann mir die Oblate auf die Zunge, dann, glaube ich, tranken wir von dem Taufwasser, das uns in einer Kelle gereicht wurde, die, das erfinde jch jetzt, denn ich weiß es nicht mehr, aus Holz war. Nunmehr tauschten wir die Ringe.
Ich kann mich nicht erinnern, wie und daß wir uns wieder bekleideten. Aber bekleidet verließ ich die Kirche, um nach dem Wagen zu sehen. Ich war restlos einig mit mir. „Jetzt“, dachte ich, „ist es gut.“ Und erwachte.

2 thoughts on “Die Nacht auf den 26. Dezember.

  1. >>”Jetzt, dachte ich, ” ist es gut.” Und erwachte<< vgl. dazu:
    “[Wir Christen haben] dem Teufel die fleischliche Vermischung weggepascht,
    indem wir ein Sakrament, das Sakrament der christlichen Ehe draus machten.
    Sehr komisch eigentlich, diese Kaperung des Natürlich-Sündhaften für das Sakrosankte durch die bloße Voranstellung des Wortes ‘christlich’, –
    wodurch sich ja im Grunde nichts ändert.
    Aber man muss zugeben, dass die Domestizierung des Naturbösen, des Geschlechts, durch die christliche Ehe ein gescheiter Notbehelf war.”

    Adrian Leverkühn [ “Lebenskühn” 😉 puck]
    zu Serenus Zeitblohm
    in Thomas Mann: Dr. Faustus

    🙂 B.

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