„So schreibt einer Bücher“. Romanfiguren versteigern. (4). Der Standard.

Ein kleines Lehrstück in suggestiver Manipulation der Leser:

>>>> So arbeitet Alban Nikolai Herbst an “Argo Anderswelt”: Über 1.000 Euro entsteht eine Hauptfigur, darunter eine “liebevoll gestaltete Nebenfigur” nach Vorlieben der Auktionssieger. <<<<
Was harmlos klingt, ist in Wahrheit perfide oder – was ist schlimmer? – schlecht recherchiert; dabei machen Die Dschungel es den Leuten so einfach, ja sie nehmen geradezu Rücksicht auf die Arbeitsüberlastung des geschundenen Tagesjournalisten. Man hätte nur etwas herumstöbern müssen, um zu erfahren, daß ARGO bereits 640 Typoskriptseiten hatte, b e v o r das ebay-Ding in Gang gesetzt wurde. Der handwerkliche Reiz, von dem ich schreibe, besteht eben darin, eine Figur noch hineinzuerzählen und sie, wie bei einer Ror Wolf’schen Collage, so mit dem Gesamten zu verbinden, daß keinerlei Rißstelle sichtbar ist. Um mit einer semantischen Volte zu reagieren, die dem Satz, indem sie ihn umdreht, für voll nimmt: S o schreibt Alban Nikolai Herbst.

[Poetologie.]

Die Romanfigur >>>> bei ebay, sich bietend.

23 thoughts on “„So schreibt einer Bücher“. Romanfiguren versteigern. (4). Der Standard.

  1. Das ebay-Image Klassische Image-Übertragung: ebay steht für privaten Krimskrams, der mal nebenbei mit “vertickert” wird. Saftpressen, die noch ein wenig klebrig sind und Computer-Zubehör “mit deutlichen Gebrauchsspuren”, das ein findiger Bastler nochmal in Gang bringen könnte.
    Wobei ich das Vorbild dieses “1000-Euro-Jobs” eher in der Werbe-Pixel-Versteigerung des britischen Studenten sehe, der vorige Woche von der Journaille so hochgejubelt wurde. Naja, Hauptsache, der Name steht in der Zeitung…

    1. Neid Auf gute Texte darf man schon ein wenig neidisch sein. Da fällt mieses Selbstmanagement natürlich um so mehr auf. Also: ab ins stille Kämmerlein!

    1. “… waren mir Feinde lieber” 16.10.2001 – Geisteswissenschaften
      Wo Feinde nützlicher als Freunde sind

      Manchmal ist es sinnvoll, den persönlichen Gegner mehr zu fördern als den engen Freund. Dies gilt vor allem bei Entscheidungen über die Aufnahme neuer Mitglieder in einen Klub oder eine Gesellschaft. Man hat bei solchen Wahlen nämlich zu überlegen, ob der persönliche Freund nicht etwa auch der Freund des Gegners ist. Man muss auch im Blick haben, ob man sich mit der Wahl des Feindes nicht Freunde im Lager der Feinde schaffen könnte. Von Prozessen dieser Art haben nun spanische Forscher ein mathematisches Modell entwickelt, das sie in der Zeitschrift “Games and Economic Behavior” veröffentlicht haben.

      Die Aufnahme eines neuen Mitglieds ist in manchen Institutionen davon abhängig, dass es von den dort schon etablierten Personen per Abstimmung gewählt wird. Die Mitglieder der Royal Society in Großbritannien beispielsweise werden auf diese Weise bestimmt. Nun sollte man eigentlich denken, dass jede/r der Wahlmänner oder -frauen immer jemanden wählt, der oder die mit ihm oder oder ihr mehr oder weniger befreundet ist. Falls einem das potenzielle neue Mitglied nicht persönlich bekannt ist, würde man es daraufhin beurteilen, ob es ein potenzieller Freund oder ein potenzieller Gegner ist.

      Das Team um Salvador Barbera von der Universitat Autonoma in Barcelona hat nun mit Hilfe der so genannten Spieltheorie gezeigt, dass es durchaus sinnvoll sein kann, einen tatsächlichen oder potenziellen Gegner statt eines nahe stehenden Menschen zu wählen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass sich ein Klub oder eine Gesellschaft selten in einem absoluten Gleichgewicht der Sympathien befindet.

      Die Mitglieder einer Institution sind ja wiederum früher auf Grund bestimmter Überlegungen gewählt worden und nicht deshalb, weil sie alle miteinander befreundet wären. Darum muss bei jeder neuerlichen Wahl in Betracht gezogen werden, was man gewinnt, wenn man eine Person wählt oder ablehnt. Ein wichtiges Motiv, einen Gegner zu wählen, kann sein, dass man weiß, dieser Mensch wäre der Wunschkandidat anderer Gruppierungen im Klub. Würde man selbst diesen Kandidaten auch unterstützen, könnte man sich gewisse Sympathien bei eben dieser Gruppierung sichern. Diese Sympathien könnte man dann später nutzen, um andere Interessen durchzusetzen.

      Barbera und seine Kollegen haben in ihrem Modell auch den Fall angenommen, dass die Aufnahme eines neuen Mitglieds nur von der Fürsprache eines Einzelnen abhängt. Auch hier kann es nach den Analysen der Forscher vorkommen, dass sich jemand zum Fürsprecher einer Person macht, die eigentlich ein persönlicher Gegner ist. Sie ziehen daraus den Schluss, dass wenn sogar in so einem Fall eine Motivation besteht, einen persönlichen Gegner in eine Institution hineinzubringen, es in komplexeren Wahlsituiationen erst recht geschieht.

      Doris Marszk

      © wissenschaft.de, Konradin Relations GmbH 2006

    2. Soviel zu gefaketen Anti-Kommentaren. Nicht wahr, Herbst, nicht wahr? Ich könnte auch, es liegt mir auf der Zunge der Finger, Daniello prononzieren: “Niacht woahr?”

  2. es ist ein österreichisches talent, öfter perfididät mit inkompetenz zu paaren. leider. und das immer als echo deutscher medien, weil selber schläft man gern länger …

    1. Achso, das wusste ich nicht Nicht, dass Ihnen da noch eine interessante Überraschung am Ende blüht …
      Zu dem Artikel: Ich denke, die Österreicher REDEN und SIND einfach so.
      Dieser Halbsatz ist ja auch merkwürdig >>eine “liebevoll gestaltete Nebenfigur” geht sich immerhin aus.>>
      🙂

    2. “geht sich immerhin aus”. D a s finde ich nun wieder ein anrührendes Idiom, das mag man glatt aufsaugen, Sprachschwamm, der ich bin.

      Und die Überraschungen… ich sag es mal so: h a t man Handwerk oder nicht?

    3. Das “aus gehen” ist ein wunderbarer Ausdruck, wie überhaupt in die österreichische Schriftsprache viel Umgangs- oder gar Dialektsprache eingeht, das gefällt mir auch gut.

      Oh, ich meinte nicht diverse handwerkliche Herausforderungen, die zu meistern wären, ich meinte: vielleicht ist es nachher ein bis dahin in die Kategorie “prominenter Erzfeind” Einsortierter, der den Zuschlag erhält?
      Nur ein spielerisches Gedankenspiel.

    4. glaub ich nicht @pätzold. das ist ein klischee für außenbetrachter. wien ist im grunde zutiefst kunstfeindlich, und der “kulturbetrieb” hat wenig bis nichts mit kunst zu tun. es geht nur um vermarktung von klischees, das machen sie ganz erfolgreich. aber es gibt eine gewisse sehnsucht nach dem verschwinden hier, nach der auflösung der alltäglichen identität, vielleicht wegen der mieselsucht und dem hackl-inskreuzhauen, das täglich hier stattfindet. die stimmung ist außergewöhnlich, alles geschieht langsamer, man hat eine sekunde mehr zeit als anderswo (im urbanen bereich).
      daß die menschen mehr kultur und mehr kunstverständnis hätten als anderswo – ich sehe das nicht.

    5. @ElsaLaska. Einem “prominenten Erzfeind” erwiese ich in dem Roman Referenz. Denn ‘gute’ – das sind klare, konturierte und offene – Feinde e h r t man. Welch eine H a l t u n g wäre das von so einem, sich mitten in mein Schlachtfeld zu begeben! Wir würden, verfeindet, viel lachen, seien Sie sicher. Oder es wäre wie die große erste persönliche Begegnung des Grafen Dracula mit Professor van Helsing: eine gebundene Feindschaft, die voreinander Respekt zeigt. Wer sich so etwas wagt, trägt niemals Masken, schon aus Stolz.
      Mir machen ganz andere Sorgen, so diese Zwischenleute, nicht Pflanze, nicht Tier und immer darauf bedacht, nicht aufzufallen auf der Stufe ihrer Hühneleiter, damit man sich irgendwo ein ausgepolstertes Plätzchen sichern kann, zum Beispiel in von der Öffentlichen Hand getragenen Literatur-Institutionen, von wo sie einerseits gut mitlaufen, andererseits gut zuschlagen können. Nicht Rommel, für Montgomery, nicht Bonaparte, für Wellington, ist das Problem. Sondern die Hunderttausende… wie soll ich sie nennen? ja: Spitzel dazwischen.

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