Donnerstag, der 2. Februar 2006.

4.29 Uhr:
[Allan Pettersson, Siebte. Albrecht.]
Kinderwohnung, Küchentisch. Kopfhörer.
Bin pünktlich um 4.30 Uhr hoch. Der Kleine, sowas um halb drei, wachte kurz auf, ich ebenfalls, wir sahen uns an, er schlüpft von seiner Seite zu meiner, rollt sich an meinem Bauch zusammen, wir schlafen wieder.
Ich werd sofort an ARGO, nein will erst noch das DTs schreiben. Disziplin ist wieder angesagt. Um zehn hat der Junge sein Judocamp (das die ganze Ferienwoche über geht), um zehn vor neun wird Radio Bremen anrufen, um 15 Uhr muß ich den Jungen wieder abholen. „Er guckt gern noch eine Stunde zu, während die anderen kämpfen“, sagte gestern seine Mama. Das haut mir natürlich in den Arbeitstag. Aber mal sehen. Abends wollte ich für Freunde kochen, das werd ich absagen müssen. Auf einen Wein zusammensitzen, okay, aber einkaufen, kochen usw., das ist jetzt, bei der Arbeit, die ansteht, nicht drin.
Sò.

7.47 Uhr:
[Ligeti, Violinkonzert.]
ARGO: Sehr gut vorangekommen. Eine wundervolle Szene, der Sanfte wird immer dichter, und die erbitterte Hilflosigkeit Brems wird ganz offenbar. Es ist seltsam, daß ich bei allem, was im Osten ist, so bei m i r bin.
Der Beginn dieses Violinkonzertes, fiel mir gerade auf, klingt momentlang nach einer Bach-Partita. Bis dahin, heute, nur Pettersson gehört, Sinfonien 7 bis 9 ohne Unterbrechung hintereinander, als wäre es e i n e. Was es auch ist.

10.22 Uhr:
[Verdi, Falstaff; von vorgestern ff.]
Arbeitswohnung, Schreibtisch, Espresso.
Jetzt muckt auch der Accuphase, das kann ich g a r nicht brauchen. Dabei darf ich meinem wunderbaren Verstärker nicht böse sein; jeder wird nach fast zwanzig Jahren einmal müde oder krank, und er ist ja ständig in Gebrauch. Nur könnte ich seinen Arzt derzeit nicht bezahlen. Es ist feilich nichts als ein Wackelkontakt; ich habe das Line-2-Tästchen jetzt mit einem starken Klebeband gesichert. So funktioniert das liebe Gerät. Und Falstaff schleicht zur nächtlichen Verabredung, bei der ihn die Geister erwarten. Jedesmal, wenn er die Glockenschläge zählt, höre ich auf zu arbeiten und lausche nur auf dieses langsame una-due-tre… bis zum dodici. Das ist wahrscheinlich einer der größten und zugleich demutsvoll-bescheidensten Einfälle der ganzen Musikgeschichte, an dem sich immer wieder die Ausdruckskraft eines Sängers neu beweisen kann und nicht selten wirklich beweist. Uns allen hat Verdi ein tiefes Glück damit geschenkt.
Und nun: VERBEEN.

11.57 Uhr:
Endlich steht der Produktionstermin für das >>>> SAN-MICHELE-Stück fest, bei dem ich auch wieder die Regie führen werde, für den Deutschlandfunk Köln hier in Berlin bei seinem Schwestersender DeutschlandRadio: 27. 2. bis 1.3., jeweils 18 Uhr abends bis 1.30 Uhr nachts. Das erste Mal muß ich mich auch selbst um die Sprecher kümmern. Ich schrieb soeben an den mir so lieben DLF-Redakteur, ich hätte das Gefühl, erstmals eine Produktion voll zu verantworten, als würde ich jetzt erwachsen. Zugleich bin ich hinterher, daß endlich auch das >>>> MARIANNE-FRITZ-Stück produziert wird, das der WDR in Auftrag gab und das nun seit bald einem Jahr dort liegt. Aber ich bekomme die Redakteurin nie an die Strippe. Also wieder per email nachgefragt.

Mittagsschlaf.

13.22 Uhr:
[Mozart, Idomeneo.]
Espresso.
Zu schlafen versucht. Keine Chance. Immerhin geruht. Den Körper wieder drauf konditionieren. Krieg ich schon hin. Aber: Gedanken um Gedanken. Nichts mit ebay. Das schert mich gerade wenig, interessiert mich nicht mal sonderlich. Sondern war dauernd bei ARGO, bei Brem und dem Sanften und wie Goltz über die Grenze geht und Thisea trifft in der Nähe von Bayreuth; vor allem aber Verbeen. Dieser eigenartige Haß auf Niebelschütz. Und mit einem Mal wurde mir klar, weshalb… na logisch. Jetzt muß ich da eine Briefstelle, irgend eine Anmerkung finden. Vielleicht gibt das Rundfunkgespräch mit Thelen etwas her. Wegen der Eile will ich auch nicht unbedingt nach Zürich zur alten Verbeen-Villa fahren; die muß ich obendrein auch erst noch recherchieren. Hab den Freunden wegen heute abend eine Mail geschrieben: Bitte nur Spaghetti, größer einzukaufen und zu kochen schaff ich nicht. Jetzt mal den Lebenslauf Verbeens zusammensuchen. Hab noch knapp eine und eine Viertel Stunde. Dann hole ich den Jungen vom Judo ab.

18.06 Uhr:
Verbeens Lebenslauf so leidlich zusammengesammelt. Abenteuerlich, auch erschreckend. Was hat den getrieben? Und dann wieder irrsinnig komisch. Schon klar, daß ihn keiner (mehr) kennen will. Aber s e h r viel ist nicht zu finden, ich werd mal bei Ricco Bilger in Zürich nachfragen. Ulli Faure kann auch nachforschen. Und im Zentralen Antiquariat herumstöbern; außerdem die Deutsche Bibliothek durchforsten. Das werden dann zwei Tage Frankfurt am Main. Und Leipzig, weil er witzigerweise 1959 mal beinVolk & Welt publiziert hat, und zwar ausgerechnet diesen Brief an Johannes XXIII., der wahrscheinlich nie abgeschickt worden ist. Lacht.