Das Wunder von San Michele. (7).

Blick von der Sphinx übers Meer, aber danach dann, sich über die Brüstung beugend, hinab: Unmittelbarer Eindruck von Macht. Macht über den Ort drunten (Capri), Macht aber sogar über den hinaufführenden Weg, der um 1900 noch direkt an der heutigen Villa endete. Die sog. Kapelle ist sehr wahrscheinlich ein kleines Waffenarsenal gewesen, günstig gelegen für den, der den Verkehr zwischen unten und oben kontrolliert. Schon zu Munthes Zeiten hatte sich aber im Volk die Legende eine Kapelle gebildet.
Auf dem Hang besaß Tiberius eine seiner Villen. Oben auf dem Grat stand die Babarossa-Burg. Auch d a s Macht-Insignum, sowohl symbolisch wie praktisch. Tiberius, der von Tacitus verleumdete, hat sich hierher für die letzten zehn Jahre seines Lebens zurückgezogen. Er habe auf Capri, sagt Tacitus, sexuellen Ausschweifungen gefrönt. Hingegen spricht Plutarch, “der strenge Moralist” (Munthe), “von der würdigen Einsamkeit des alten Mannes während seiner letzten zehn Lebensjahre.” Wenn Munthe allerdings über Tiberius schreibt, dann meint er eigentlich sich selbst – in die Vergangenheit projeziert. Es handelt sich um Selbststilisierung. Diese ist – fast immer – ein Kennzeichen des Hochbegabten.

(CCCXIII).

Nachtrag:
Selbststilisierung schützt den Hochbegabten vor seiner Hohen Begabung. Er formt sie, damit sie ihn nicht überwältigt. Gaben sind ja nicht erarbeitet, sondern einfach d a. Und deshalb etwas Fremdes, das man sich aneigenen muß.

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