Die Anderswelt steht dem Leben näher als die geordnete Zivilisation. Argo. Anderswelt. (259).

Alles saugt die Anderswelt in sich ein und füllt sich damit: p r a l l will sie sein, nicht distinkt. Leben selbst ist sie, und je mehr die Kultur das Leben von sich wegweist, um so gewaltiger wachsen dessen Substanzen der Anderswelt zu: da ist dann unendlich viel Nahrung für sie, während wir selbst immer dürrer werden – gleich, ob wir das, uns selber scheinbar erhöhend, ‚vergeistigt’ nennen. Der Geist ist ein Rauch und wie oft dieser das Zeichen, es sei da etwas, das lebte, verbrannt. Die Anderswelt aber, die eigentlich nur ein Hauch war, nichts als Aberglaube Fantasie, fängt organisch zu pumpen an und i s t bereits Organ, dachte Cordes. Er war schon seines kleinen Jungen wegen auf Leben verpflichtet, der Junge rettete ihn, der Junge ließ es nicht zu, daß einer wie er abstrahierte, sondern sein Kind hielt ihn naß.

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22 thoughts on “Die Anderswelt steht dem Leben näher als die geordnete Zivilisation. Argo. Anderswelt. (259).

  1. naturgemäß, würde bernhard sagen (ist das so).
    – nur ist geist kein rauch, sondern ein funkelnder kristall; was da raucht ist eben nicht geist. geist steht nicht im widerspruch zum leben … geist ist der kern des lebens.

    1. hat das freud oder einer seiner schüler bei ihnen verbrochen? denken sie an ihre kindheit – war da auch sexualität die quelle des lebens (vorausgesetzt sie waren nicht der kleine reich willi …)?
      ich halte diese anbetung der sexualität für einen verhängnisvollen fehler, mit katastrophalen folgen. ebenso wie die identifizierung der liebe (ausschließlich oder schwerpunkthaft) mit sexualität. das ist reiner kitsch, zweck-kitsch sozusagen, auch ein trick der kath. kirche, die leute dumm zu halten und wahnsinnig zu machen.

      dichterphilosophen sind kinder der romantik, nietzsche etwa hat konsequent die folgen getragen (außer seine geistige umnachtung war folge einer syphillis, wer weiß das schon). aber sich poetisch – und damit in die matrix der gefühle eingebettet – ein weltbild zu zimmern, kann verhängnisvoll sein. die schönheit anzubeten und zur religion zu erheben – detto.

    2. quelle: ja ich halte die anbetung und mystizierend philosophische verklärung von schönheit/sexualität/kunst/wtf gerade für einen praktizierenden künstler für unumgänglich und dem daseinsprinzip der extatischen verschmelzung mit der existenz als solcher auf das vortrefflichste entsprechend. wenn auch die katholische kirche mit der dummheitsfessel höchst erfolgreich seit tausenden jahren marketing betreibt, trifft das auf den künstler nicht zu. wenn er etwas anbetet, dann richtig. (siehe nietzsche)

    3. auch ihr letzter satz, meister, ist kitsch, und dazu noch selbstmitleid. aber ok. jeder hat das recht, sich an einen strohalm zu klammern.
      (jede in-vitro-fertilisation beweist täglich das gegenteil, aber wenn der künstler in erster linie künstler sein will, und nicht mensch, dann mag er eifrig diese rolle spielen: die tragik liegt ja darin, daß er glaubt authentisch zu sein.)

    4. ich bin jetzt ein wenig unschlüssig, ob sie, meister ferromonte, mit dem “meister” jetzt anh oder mich adressieren.
      mir jedenfalls ringt die kitscheinstufung meines “letzten” satzes durch sie keine verwunderung ab. selbstmitleid habe ich aber keines (wollte auch keines ausdrücken), dafür bin ich zu glücklich mit meinem unglück.

      warum die begriffe künstler und mensch in ihrem kommentar auf zwei linien aufgeteilt sind, die nach bedarf gewählt und wie eine rolle gespielt werden können, bleibt mir ein geheimnis. ich sehe keinen widerspruch, nicht den geringsten.

      in-vitro-fertilisation beweist nicht das gegenteil davon, dass sexualität die quelle des lebens ist. lediglich der akt, der orgasmus, die althergebrachte form der fortpflanzung fällt dann weg – und fehlen tun viele sozial bewährte mechanismen wie wärme, nähe und bezug zu den eltern. aber sexualität findet in seiner urform auch in-vitro statt. der mensch hat sich damit halt um ein vergnügen (und um eine wesentliche ebene seiner existenz) selbst bestohlen.

      ich halte es für ebenso gefährlich, sexualität überzubewerten, als sie zu unterschätzen und in ihrer bedeutung herunterzuspielen. denn quelle des lebens – ja, das kann ich unterschreiben. die auswüchse moderner medizin und wissenschaft heben die grundfesten der natur (noch) nicht aus den angeln. ich bezweifle, dass es dazu noch kommen wird – wenn es überhaupt möglich ist. vielleicht gibt es auch in diesem bereich eine art schallmauer.

    5. der meister ist immer (aus meinem zynischen mund) der meister ramirer. kitsch erläutere ich nicht weiter; mensch und künstler: an erster stelle sollte immer der mensch stehen, das klärt dann den blick, sofern das überhaupt möglich ist. wenn man seine profession vor seine grundlegende lebenswahrheit stellt, rennt man schon in die irre – das ist jetzt philosophie, meister. 🙂
      quelle des lebens: ein stein lebt, eine wolke lebt, eine pflanze, eine zelle. mit oder ohne sex. (sie ziehen eine willkürliche grenze: wie definieren sie sexualität – ist etwa die meiose des wesen der sexualität, oder doch der akt – denken sie an den geschlechtsakt zweier – oder zumindest eines der beiden – zeugungsunfähiger menschen), und weiters: was meint herbst, wenn er von sexualität spricht? dazu müsste er sich selbst äussern)

      und: die schallmauer ist nur eine schwelle – sie kann leicht überschritten werden

    6. @d.ramirer ich halte die anbetung und mystizierend philosophische verklärung von schönheit/sexualität/kunst/wtf gerade für einen praktizierenden künstler für unumgänglich ……….
      das ist sehr pauschal und trifft es bestimmt nicht in der komplexität..
      es kommt auf die art und weise an,auf die prioritäten,die der künstler setzt ,auf das ,was er ausdrücken muss…
      es gibt viele künstler,die durchaus sinnliche züge haben,allerdings jeder anders, individuell,einzigartig…denn das spiegelt sich dann in der kunst..
      im übrigen frage ich mich hier schon ab und zu, ob bei künstlern nicht auf dieser seite eigentlich schriftsteller oder poeten gemeint sind,dann sollte man das vielleicht auch besser differenzieren?
      denn die kunst ist breit und weit gestreut und ich weiss eigentlich nicht wem damit gedient ist,das zu pauschal zu betrachten,das kann eigentlich nur in klischees gehen,oder?
      ebenso verhält es sich mit der schönheit..natürlich kann man sie anbeten ,ihr verfallen…ich fand sie interessanterweise oft mittelmässig,denn sie hat keinen verdienst ,trägt keine früchte(jedenfalls die genetische äußerliche nicht),mich reizte immer das hinter der schönheit,das weise,das überlebte und dennoch strahlende,was ist überhaupt schönheit?und ist sie nicht naturgegeben nur ein lockmittel(wobei wir dann bei sexualität wären…)schönheit mit göttlichkeit in verbindung zu bringen,finde ich aber auch verblendet…ein tag in einer modellagentur beweist konsequent das gegenteil….

    7. vielen dank an dieser stelle, ferromonte, dass sie mich als meister einstufen – ich bin jedoch mit sicherheit kein meister des wortes, was eventuell so manches missverständnis erklärt.

      ich gebe ihnen absolut recht, dass ein stein, eine pflanze und ein atomreaktor, etc. lebt. es ist ihnen aber schon auch klar, dass die fähigkeit, das zu wissen, eine künstlerische (oder zumindest philosophische) betrachtungsweise voraussetzt?

      auch wenn die entstehung dieser dinge nicht auf dem sex basiert, den der mensch als solchen benennt… wenn man das ganze schon philosophisch aufrollt, dann kommt recht schnell die idee und die form ins spiel, denn alle dinge (egal ob stein, wolke, pflanze, gedicht, bild, roman, symphonie, lied oder mensch) haben ihre entstehung; die verbindung von weiblichen und männlichen prinzipien steht als quelle hinter all dem, was wir sehen (und als künstler umsetzen). das glaube ich, und mir ist relativ egal, ob das jetzt kitschig oder religiös ist.
      selbstverständlich ist jede grenze willkürlich – sie können nicht ernsthaft behaupten, dass sie überhaupt keine (und wenn dann objektive) grenzen ziehen.
      außerdem schaue ich mir gerne einmal an, wie sie leicht die schallmauer überschreiten 🙂

      @china-blue
      wenn man über kunst allgemein redet, ist man naturgemäß in einer sackgasse. leider ist dann aber vieles von dem, was in den bibliotheken an kunsttheorie herumgammelt, nicht das papier wert, auf dem es gedruckt ist. ein kommentar in einem weblog ist kaum der ort, auf die unterschiede zwischen den kunstgattungen einzugehen. vor allem dann nicht, wenn es darum ging, subjektiv erfahrene eigenschaften von künstlern zu thematisieren. ich glaube, dass jeder künstler in egal welcher kunstgattung anbetung und mystizierende verklärung praktiziert indem er kunst macht. worum es ihm geht, muss beim besten willen nicht sexualität sein… und schönheit in modellagenturen? wenn es einen ort gibt, wo ich schönheit niemals suchen würde, dann dort.

    8. absolut nicht das papier wert und wieso dann trotzdem?…alle…s in einen topf werfen ?verstehen sie mich nicht falsch,ich möchte sie nicht persönlich angreifen,aber diese frage stelle ich mir wirklich oft?warum reden künstler so gern über kunst?oder reden nur bestimmte künstler über kunst?
      sie haben recht,man kann es verklärung nennen,leidenschaft,auf keinem fall in sich ruhen,balanciert sein…das ist der stoff des antriebes,der in kunst treibt,der es aber eben auch emotional besetzt und insofen niemals objektiv macht..immer persönlich werden lässt..insofern ist es schwer “wahrheiten “zu finden…………….
      wo findet man schönheit?eine ernstgemeinte frage….

    9. vielleicht kommt die lust, über kunst zu reden als reaktion darauf, dass so oft fragen über die sinnhaftigkeit und das wesen der kunst gestellt werden. manche künstler sagen dann darauf gar nichts, andere beschäftigen sich damit und geben auskunft. ich gehöre zu letzteren.
      die meisten menschen reden gerne über das, was sie gerne tun – und hier endet auch der unterschied zwischen künstlern und anderen menschen (nicht, dass ich einen solchen jemals irgendwo postuliert oder auch nur im ansatz unterstützt hätte: künstler und mensch ist keinesfalls ein unterschied).
      kunst ist eine tätigkeit wie jede andere auch. eine, die menschen eben bisweilen tun. auch ärzte, lehrer, elektriker, politiker und gärtner haben im idealfall ihre begeisterung und teilen anderen das mit.

      in einen topf werfen wollte ich die kollegen nicht. es war nur eine beobachtung, die ich bei sehr vielen künstlern gemacht habe, die selbstverständlich keinen anspruch auf richtigkeit oder objektivität hat. natürlich kann ich mich – zum glück – auch irren.

      wahrheiten sind immer temporär und niemals fixierbar. ich beobachte und erforsche keine schönheit, die fixierbar sein könnte. das veränderliche könnte eine konstante sein, und selbst das ist nicht sicher.
      mich interessiert schönheit auch viel weniger als wahrheit. als bildender künstler jedenfalls weiß ich, dass schönheit in bildern keine große herausforderung ist, vor allem dann, wenn sie ein breites publikum finden soll. es ist gerade die herausforderung, wahrheit (und damit auch schönheit) zu entwickeln, die neu ist (zumindest für mich – hier will ich niemand anderen in einen topf werfen oder über einen kamm scheren oder in eine schublade stecken usw. usf.).

      ich bin jedenfalls ein künstler, der über seine kunst gerne redet… und dann wird es immer persönlich. im unterschied zu vielen anderen kollegen stören mich persönliche angriffe (und sogar beleidigungen) kaum (was vielleicht auch daran liegt, dass es an und in mir zu wenig angriffsfläche für substantielle kritik gibt).
      von ihnen kam nichts, was ich als angriff werten würde 🙂

    10. Es gehen in dieser Diskussion verschiedene Bereiche ineinander. Die tatsächlich ineinandergreifen, aber doch unterschiedliche Antriebe haben.

      1) Über Kunst zu reden als über etwas, das einen leidenschaftlich erfüllt.
      2) Eine Kunsttheorie entwickeln zu wollen:
      2a) – was Kunst sei
      2b) – unter welchen Bedingungen sie entsteht.
      2c) – ob es allgemeine – nicht-subjektive – Bedingungen gibt (Vorausetzungen), unter denen sie entsteht: also notwendige u n d hinreichende Gründe, sich auf Kunst einzulassen; etwas, das bei jedem Künstler vorhanden ist und vorhanden sein muß.
      3) Eine Ästhetik entwickeln zu wollen. Also eine Lehre von der Kunst, womit selbstverständlich eine bestimmte ‘Lehre’ gemeint ist, die ebenso selbstverständlich in einem Spannungsverhältnis zu anderen ‘Lehren’ steht – ganau daraus bezieht eine solche, zumal von einem Künstler-selbst verfaßte Ästhetik ihre mögliche Erkenntniskraft für ihren Leser/Mitdenker.

      Auf die Punkte 2 und 3, besonders aber 3 sind in Der Dschungel besondere Akzente gesetzt, Punkt 1 halte ich für ‘menschlich’. Es muß nicht jedem Künstler so gehen, daß ihn 2 und 3 interessieren; ich kenne einige Kollegen, die sich davor sogar scheuen, weil sie fürchten – ähnlich wie Rilke einst im Verhältnis zur Psychoanalyse -, daß sie ggbf. ihre Kreativität verlören, wüßten sie zuviel. Bei mir ist das anders, ich habe davor so wenig Angst wie vor dem genauen Hinsehen auf und einer Kommunkation über das, was und wie es an privaten und privatesten Belangen direkt in die Kunstschaffung eingreift und sie möglicherweise bestimmt. Interessant ist dabei (für mich), auf welche Weise sie das tut.
      Wenn Sie sich die unter anderem >>>> h i e r publizierten Aufsätze anschauen, werden Sie unschwer merken, in welche Richtung die von mir intendierte Ästhetik geht. Sie ist n i c h t normativ, sondern versteht sich als fest eingeschlagene Pfosten, denen andere fest eingeschlagene Pfosten gegenüber- und entgegenstehen: aus diesem wechselseitigen Verhältnis entsteht Bewegung. Also n u r, weil es andere Ästhetiken gibt, bekommt die meine ihre Bewegungskraft. Insgesamt interessieren mich Widersprüche, ja scheinbar unauflösbare Antinomien; das geht bis in mein eigenes Werk hinein: Ich bin Praktiker mit einem enorm hohen poetischen ‘Ausstoß’, zugleich aber theoretisch mehr als nur interessiert. So jemand wurde bis vor noch gar nicht langer Zeit >>>> poeta doctus genannt. Wikipedia weiter:Der Begriff ist nur für die neuzeitliche Literatur von Bedeutung. In der Antike waren alle (heute noch bekannten) Dichter gelehrte Dichter, die griechischen schon deswegen, weil sie ausnahmslos auf den Inhalt der homerischen Epen Bezug nahmen, diese oft wörtlich zitierten und variierten. Wenn Sie sich vor Augen halten, wie bedeutsam für mich in den letzten Jahren der antike Schicksalsbegriff geworden ist, wird Sie dieses Zitat nicht verwundern. Die Bewegung wurde imgrunde durch das Werk Robert Musils nachdrücklich wieder aufgenommen.Relevant wird diese Beziehung insbesondere dort, wo in der Schnittmenge zwischen Kunst und Wissenschaft/Technik gearbeitet wird.

      Ein Wort noch zu Ihrer Frage, wo man Schönheit finde: Schönheit, glaube ich, finden nicht wir, sondern sie findet uns. Es ist unsererseits ein Verhältnis von Passivität und Überwältigung. Schönheit sieht u n s an, nicht wir sie. D e s h a l b kann man ihr verfallen – oder muß sie meiden.

      Anders als Ramirer glaube ich nicht an feststehende Wahrheiten, sondern Wahrheit ist für mich eine momentane Erscheinung; das gilt auch für Moral, die in meinem Verständnis eine höchst relative, letztlich religiös bestimmte Wertung von Welt ist. Schönheit hingegen ist für mich n i c h t relativ, sondern eine absolute Kategorie, wobei das eben nicht bedeutet, die Träger ihrer Erscheinung blieben immer dieselben. Das gerade nicht. Schönheit wandert, wie ich anderswo schrieb, durch ihre Träger hindurch, wandert von einem Träger zum anderen. Bei Moral stellt sich nicht die Frage, ob sie eine Universalkonstante sei; Moral ist immer auf je bestimmte Sozialsysteme fokussiert, bzw. entwickelt sie sich aus ihnen. Schönheit hingegen interessiert das Sozialsystem nicht. Es ist fast das Gegenteil. Indes Moral, damit sie den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben kann, um nicht-relativ aufgefaßt zu werden, immer G O t t proklamieren muß (was sich am einfachsten bei Kant mitvollziehen läßt, der ja, das ist gerade der Haken, nicht gläubig war), ist die Grundlage der Begeisterung für Schönheit a-religiös; ihr liegt etwas tief-Atheistisches inne – ‘atheistisch’ im neuzeitlichen Sinn verstanden, nicht im antiken des Urchristentums; dort nannten sich die Christen ‘Atheisten’, um sich von der ‘heidnischen’ Vielgötterei abzugrenzen. Allerdings kommt möglicherweise in der Begeisterung für Schönheit, die ja etwas von Anbetung h a t, ein säkularisiertes Bedürfnis nach Religion zum Ausdruck. Dessen bin ich mir noch nicht sicher. Tatsächlich beobachte ich an meiner Arbeit und mir selbst eine enorme Neigung, den Polytheismus des ‘Heidentums’ und damit die Betonung des Körperlichen gegen jede monotheistische Form (“Reinheit”) in Bewegung zu setzen.

      [Poetologie.]
    11. vielen dank für die klarstellungen, aber ich schrieb wahrheiten sind immer temporär und niemals fixierbar. ich beobachte und erforsche keine schönheit, die fixierbar sein könnte. das veränderliche könnte eine konstante sein, und selbst das ist nicht sicher.
      warum sie daraus den schluss ziehen, ich glaubte an “feststehende wahrheiten” (was ich nicht tue und nie tat) bleibt mir verborgen 🙂

    12. Das ist jetzt ein von mir selbst verschuldetes Mißverständnis. Ich bezog mich auf Ihre Replik gegenüber china-blue, es g e h e Ihnen um Wahrheit. Mit geht es dezidiert n i c h t um Wahrheit, da eben auch ich sie für relativ halte, bzw. – wie Walter Benjamin scheibt – für etwas, das momentlang da ist, aber dann schon wieder weg. Mir geht es um Wahrheit allenfalls in Hinsicht auf etwas immer sehr und jeweils Bestimmtes. Also um Wahrheiten des Augenblicks. Streng genommen ist Wahrheit nchts anderes als die Übereinstimmung einer formalen Aussage mit dem Inhalt des Geschehens, auf das sich diese Aussage bezieht; sie ist also eine Kategorie der Aussagenlogik, nicht des Seins. Für Schönheit denke ich dagegen, daß dem gerade nicht so ist, daß sie eben n i c h t relativ ist. Daß ich mich darin irren kann, ist unbestritten; aber ich folge hier einer, sagen wir, Evidenz meines poetischen Instinkts. Möglicherweise, das schrieb ich hierüber ja auch, säkularisiere ich damit aber lediglich ein religiöses Bedürfnis.

    13. gerade das veränderbare an den wahrheiten, das von einem moment auf den nächsten wieder andere, der “flow”, der ist mein thema. die sich von augenblick zu augenblick ändernde sicht auf ein objekt, auf einen umstand, und das aufeinanderprallen von differenten sichtweisen – darum “geht” es mir unter anderem des öfteren. was mich daran auch so fasziniert, ist der umstand, dass diese wahrheiten unterschiedliche halbwertszeiten haben, jedoch immer in bewegung sind.
      schönheit nistet sich in meiner wahrnehmung lediglich zwischen diesen sich bewegenden, ständig in transformation befindlichen standpunkten ein, und hat bisweilen eine kulturelle bedeutung, die über minuten weit hinausreicht, vielleicht sogar jahrhunderte (oder jahrtausende) überbrückt. universell ist aber schönheit meiner meinung nach dennoch nicht – dafür ist der horizont der menschheit einfach noch viel zu klein. aber auch ich kann hier selbstverständlich irren (was ich für sehr wahrscheinlich halte :-)).

    14. @anh in allzu konsequenter weiterentwicklung meiner leider in der regel bislang zu virtuellen kunstbeschäftigung sind die wesentlichsten originale der letzten etwa zweieinhalb jahre nur in digitaler form verfügbar. genaugenommen ist es nur >>> ein original, eine größere menge an 500×500 pixel-collagen, die am ende ein einziges opus (II) ergeben werden.
      der plural der möglichen wahrheit- und wirklichkeiten ist das zentrale thema, aber auch die unterschiedlichen möglichkeiten, diese gegebenen wahrheiten zu kombinieren. vieles davon geschieht – ganz non sequitur – im betrachter selbst, oder nicht. vielleicht blättern sie mal in den collagen und können was damit anfangen.

      dank jedenfalls auch an sie, lieber herr herbst, für die anregenden einträge hier, und an alle, die hier ihre ansichten wiedergeben.
      ich fühle mich durch die diskussion bereichert und beschenkt.

  2. ferromonte sagt Was Ferromonte sagt entmutigt mich hier etwas hizuzufügen.
    Alles was über Sexualitât und Liebe gesagt wird kann ich nur bestâtigen.
    Nicht nur Nietsche hat es gesagt, sondern auch unser Montaigne.
    Montaigne gebraucht ein Wort, das ich sehr schön finde: er sagt von der Sexualität, dass es sich nicht lohnt soviel davon zu halten, denn Sex sei nur etwas Gerechtes. Das Wort “gerecht” finde ich antichristlich und hoch interessant in seiner Einfachheit und denunziert im voraus, wasd wir jeden Tag auf den Plakaten entdecken können.
    danke Ferromonte… machen Sie so weiter !!!
    Ihr französischer Leser.

    1. ich verstehe zwar insgesamt ihr posting nicht, aber mit montaigne’s satz bin ich sehr einverstanden. “gerecht” ist sehr passend, ja. vielleicht könnte man auch “notwendig” oder ähnlich sagen. (da fällt mir merkwürdigerweise ein satz der literarischen figur jesus ein: “gerechtigkeit ist, wenn ich zum vater gehe” – auch eine vereinigung höchster art)

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