Arbeitsjournal. Sonnabend, der 12. August 2006.

9.47 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung.]
Erst um halb neun aufgewacht. Habe gestern bis drei Uhr nachts – von 22 Uhr an! – wieder mit >>>> June im Messenger gesprochen, wir haben uns über die Cam angesehen dabei, das Gespräch war ernst, sehr persönlich, ich schreibe davon konkret hier nicht mehr, als metaphorisch die Bamberger Elegien verraten. Ich trank viel, wir sprachen über den Entwurf der Fünften Elegie, die ich nach Wien hinübermailte, sprachen über meine Situation, es zog sich zusammen in mir, Haß kam hervor. Gewaltfantasien. Interessant dabei, merke ich heute morgen, daß sich diese Fantasien, die ich vor Jahren gegen einen ehemaligen Nebenbuhler entwickelt habe und die seither völlig konstant geblieben sind, und zwar über meine Psychoanalyse hinaus, in ihrer irrationalen bösen Energie in überhaupt keiner Weise von d e n e n unterscheiden, die ich gegenüber meiner Mutter hatte und habe; die Energien sind völlig identisch, sowohl in ihren fantasierten Gewaltszenarien, als auch in ihrer Kraft. Ich habe gegen diesen Mann, der doch aus meinem Leben als reale Person schon lange verschwunden ist, einen Aufruhr, als w ä r e dieser Mann meine Mutter, sagen wir: eine ihrer Erscheinungsformen, – ein Nachtmahr, in dem sie als weitere Materialisation bestimmend und quälend in meine Gegenwart gefunden hat. Ich begreife auch langsam, was der Grund ist: Meinem Grundgefühl haben beide dasselbe weggenommen: geborgene Einheit. Ich fühle diesem Mann gegenüber wie das vierjährige Kind, das ich, vollkommen hilflos und seither als Junge in dauernder Angst, bei der Trennung meiner Eltern gewesen bin. Dieses Kind erhielt sich, verbarg sich zwar dann geschickt unter meiner Männlichkeit, meinethalben meinem „machismo“, aber brach wieder aus, als neuerlich eine – endlich errungene (offenbar vermeintliche, zumal schuldhaft verspielte) – Grundgeborgenheit zerstört wurde. Auch darauf will ich in den Elegien eingehen.

Immer ist Kindheit so wund. Sie sucht sich in der Geliebten,
die’s nicht vermag, zu heilen. Ach daß sie’s doch wollte und löste!

[Enwurfszeile für die Achte Elegie.]

Überdies lassen mich die Ungaretti-Variationen nicht los. Ich fange an, mich mit meinem Tod zu beschäftigen, was etwas g a n z Neues ist. Bis zwölf will ich an der >>>> Fünften Elegie weiterschreiben, dann geht’s zu Kind und zu Frau. Bis zum Abend glauben wollen, alles sei heil.

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