B.L.’s 15.9. – im Käfig

15:08
Mein Vater wäre heute 73 Jahre alt geworden. Dies dem Senior.
Ich sitze eingeschlossen in meinem Arbeitszimmer. Vor einer halben Stunde kam sie zurück von der Arbeit. Ich hatte Wasser für die Nudeln aufgesetzt und alles fürs Essen vorbereitet. Leider hing über der Gartenbank der Abtreter aus dem unteren Badezimmer. Der Kater hatte erneut sein Geschäft darauf hinterlassen, wie gestern auf einer anderen Matte. Ich solle ihn doch ab und an nach unten in den Keller schicken, meinte sie gestern, er wisse dann schon. Daß es heute wiederum passiert ist, wurde mir ziemlich vehement angelastet, obwohl ich’s ja doch sauber gemacht hatte. Es war keine Verständigung möglich. Auch der Einwand, daß ich einen Abgabetermin hatte, und daß es besser wäre, das (den?) Katzenklo in den Wohnbereich zu stellen, fruchtete nichts. Jede Einwendung meinerseits erzeugte weitere Aufwallungen ihrerseits. Es ist keine Verständigung möglich. Ich bin halt nicht den Abmachungen nachgekommen, das ist alles. Alles andere zählt nicht. Bis ich selber in Aufwallung geriet. Und mich einschloß. Also Zigaretten hab’ ich, und Alkohol auch, um ein Weilchen hier oben auszuhalten. Jedenfalls esse ich jetzt nichts zu Mittag. In meiner Stimmung würde ich jetzt lieber verhungern. Das Leben wird ohne ein bißchen Verständigung wirklich wertlos. Natürlich ihre sofortige Bemerkung, ich benähme mich wie ein kleiner Junge. Aber sonst nichts. „Entweder du kommst jetzt essen, oder es ist wirklich vorbei.“.
Pueril!
Ich habe keine Lust, wegen so einem Scheiß (sic!) zu streiten!
Yours sincerely
Bruno Lampe

4 thoughts on “B.L.’s 15.9. – im Käfig

  1. μίμηση, mímisi , mimesis – bezeichnet u.a. das Vermögen, mittels einer körperlichen Geste eine Wirkung zu erzielen (wikipedia).

    “Kann das Absolute nicht ohne das Bedingte sein, so fällt dadurch das Bedingte selbst ins Absolute und ist doch ein Bedingtes Dies stimmt genau mit dem Lebensgefühl zusammen, dass alles in dem Leben hier zugleich ganz nichtig und von unendlicher Relevanz ist ( dass man nichts anderes hat als jenes Nichtige und dass es deshalb unendlich wichtig ist, parodiert die metaphysische Erfahrung und läßt offen, ob es nicht mit dieser am Ende koinzidiert, das Banale mit dem Sublimen). Es liegt darin nicht weniger als die Kommunikation zwischen allen was ist, die Objektivität der Mimesis.”
    Theodor W. Adorno
    Aus: Begriff Bild Name – Hamburger Adorno Symposium. Lüneburg 1984 S.78

    Justament gelesen!

  2. @ Paul Reichenbach: Mimesis Eine sehr zutreffende Definition

    Mimesis praktizierte ich als Kind und ich wusste es nicht. Als ich an der gutmütigen sympathischen und ziemlich früh verstorbenen Mutter vorbeiging, hob ich den Arm, denn ich hatte Angst, sie könne mir eine in die Fresse hauen (bitte noch nicht lachen !). Meine Geste erzielte nichts anderes Herr Reichenbach… (Entschuldigung, Frau Wilkipedia…) ich wollte mich nur gegen meine gutmütigen Mutter schützen, die mich jeden Tag mindestens einmal die Wange etwas hart streichelte (man muss sie verstehen; vier Kinder, einen schwachen Mann, und kein Geld natürlich; die Stadt war in den fünfziger Jahren noch fast völlig zerstört… die französischen Soldaten hatten sie bombardiert im Jahre 1940, um sich, wie ich, gegen den Feind zu wehren; schon wieder Mimesis also). Zu der Zeit war ich sehr optimistisch und bin es geblieben, denn ich dachte, nichts Schlimmeres kann mir passieren, wenn ich erwachsen bin, und das entspricht der Wirklichkeit… Nur, ich bin noch nicht fertig mit der Geschichte, mit der Mimesis der Geste. Denn meine gutmütige Mutter, als sie erblickte, dass ich den Arm hob, dann gab sie mir natürlich die täglich verdiente Ohrfeige. Die Hand war von der Wäscherei gegerbt und hinterliess interessante Spuren, die ich dann im Spiegel betrachtete und schwor bei mir: wenn ich Kinder habe, werde ich sie lieben. Es ist auch so passiert: sie sind alle drei gutmütig erzogen worden, haben eine schöne Kindheit gehabt und ich muss leider sagen, dass die Mimesis hier aufhören muss. Und jetzt kann man lachen: es ist erlaubt. Es war nur eine uralte Geschichte.

    1. Kein thematischer Gegensatz zu den 3 Herren, eher eine Ergänzung des Begriffes Mimesis ( auch Vorahmung, Nachahmung ) bildet das Erlernen von Sprachen in zweisprachigen Regionen, z.B im Baskenland , Katalonien und vielleicht auch noch heute im Elsass. Die Sprachen werden dort, wie zwei Muttersprachen , durch Lautnachahmung, also mimetisch, erlernt Nicht die Sprache, sondern ihre Sprecher werden nachgeahmt. Offenbar ist das viel leichter, als auf grammatischen Opferwegen Sprachkenntnisse zu erwerben.

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