Zur Frankfurtmainer Buchmesse 2006, zu sehr vorauseilend. Buchmessen-Weblog.

Nun ward ich gebeten, schon vor einiger Zeit, >>>> da mitzutun, und ich sagte zu. Schon weil Die Dschungel >>>> Oliver Gassner einiges zu danken haben. NUR: Ich schau mich um, sehe >>>> dies hier und frag mich, wenn ich die „Beschreibungen“ anseh, ob ich da tatsächlich hingehöre. Es geht mir und Der Dschungel ja nun nicht um Berichterstattung, sondern um Poetik und Poetologie, auch um Erkenntnis in erkenntnistheoretischem Sinn, und nicht darum, jemandes Neugier an etwas zu befriedigen, das ein Leser auch anderswoher beziehen kann, etwa wenn er Zeitungen liest. Ich bin kein Journalist und will das ganz explizit auch nicht sein. Ich glaube nicht an die Möglichkeit von Dokumentationen und habe immer Aragons „Wahrlügen“ den Vorzug gegeben. Nun ist da aber bereits in den hin- und herfliegenden Newsletters der projektierten Beiträger etwas Aufgeregtes, ja Hektisches, das ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, das mir vor allem sehr fremd ist – weil alles so den Eindruck eines Kindes vermittelt, das zum ersten Mal lange Hosen tragen darf. Auch ist die Fragestellung eine so andere. Ich hab es mit definitiven Verlagsverhandlungen zu tun und damit, ein poetisches Konzept durchzusetzen. Mich interessiert das ganze Nebenhin zu wenig, wer mit wem und warum und wann… ich mein, ich find’s ja prima, wenn die viel vögeln… aber da genießt man doch als Wissender und schweigt. Jessesmohammed, denk ich mir zudem, es geht derzeit um ein Requiem, das ich mir erkämpfe, und jetzt soll ich auf einem Betriebsgenudel aufmerksam beobachten und sogar noch was drüber schreiben. Nun wär auch das nicht weiter schlimm, hätte nicht alles solch Aufmerksamkeitswert bekommen und würden nicht Leute publizitär hochgespült, von denen erst einmal gefragt werden müßte, welches W e r k denn da bereits vorliegt, das derartiges rechtfertigt oder auch nur interessant machen könnte. Es ist, mit einem Wort, das Demokratische an alledem, das mich bange stimmt und eigentlich, hätte ich nicht zugesagt, sofort in meine elitäre Ecke zurücktreiben würde, von der ich mit aller Leidenschaft meine, daß man sie – wie die Ecken anderer Elitärer auch – pflegen muß, anstatt daß sie sich jedem Hanswurst öffnen, woraufhin er die Abdrücke seiner stilistisch unabgetretenen Schuhsohlen darin hinterläßt. Aber vielleicht hör ich grad bloß Nachtigallen sich am warnenden Tiger versuchen, mag sein. Andererseits gehen permanent Newsletter-Emails bei mir ein, jeder Blogger schreibt permanent irgend ein Zeug, das ich dann auch lesen soll. Und weil ich’s nicht tu, gibt’s sofort schon Terminprobleme. Mit einem Mal scheint einen ein Betrieb absorbieren zu können, den man von ganzem Herzen nicht will. Es wird schwierig werden, im Umgang damit und auch mit eigenen Beiträgen einerseits die nötige (auch ästhetische) Distanz zu wahren und andererseits hin und wieder einen Text für dieses Forum zu verfassen, der es über Gefrotzel und Tagesaktuelles hinaus denn auch lohnt.

9 thoughts on “Zur Frankfurtmainer Buchmesse 2006, zu sehr vorauseilend. Buchmessen-Weblog.

  1. Ein Betrieb, den man von ganzem Herzen nicht will? Dubito. Gewiß nicht alle, aber so manche brennen darauf, mittels Networking im Chor der Beliebigkeit mitsingen zu können. Kucken Sie mal hier.

    1. Na ja, Frau Streicher, es gibt ganz verschiedene Konzepte, Literatur zu betrachten. Nicht jede Literatur ist deshalb Dichtung, und manche will es auch gar nicht sein. Dazu kommt das, was ich Demokratisierung der Künste nenne und was über Funktionalisierung läuft: zuallererst einmal über betrieblichen Pragmatismus. Ich habe über >>>> dieses Cortázar-Zitat angedeutet, was der Hntergrund ist: Bevor ein Automotor zusammenbricht, läuft er noch einmal zur Höchstform auf, ja erreicht höhere Drehzahlen als je; auf die Buchproduktion angewendet: höheren Output. Je weniger gelesen wird, desto mehr wird geschrieben. Vergessen Sie nicht, daß es sehr leicht ist zu schreiben, leichter etwa, als einen Film zu drehen, einfach aus den Grundbedingungen der Produktion. Wahrscheinlich wird ebenso viel gemalt, auch da braucht man ja nur Papier, Pinsel, Farbe und keinerlei Kenntnis. Wie da lassen sich kleine stilistische Kenntnisse in der Sprache schnell lernen; das macht keine Dichter, sicher nicht, aber bringt die meist privaten Texte in einen Zustand der Vermittelbarkeit. Und da es ein Bedürfnis gibt, ganz offenbar, Spuren zu hinterlassen, also: etwas zu sein, wird nach den scheinbar einfachen Möglichkeiten gegriffen. Dieses – durchaus legitme – Bedürfnis als objektivertes (in Form eines Buches) zu erfüllen, finden sich dann schnell Vermittler, die den Markt begriffen haben und in Einzelfällen auch tatsächlich helfen können. Wiederum gibt es beim Lesepublikum das Bedürfnis, sich wiederzuerkennen – dieses Bedürfnis ist größer als alle Kunstlust, es bestätigt nämlich. Und also werden sich sogar Leser finden. Und zwar jenseits aller Kunst. Die ist dem Vorgang sogar hinderlich.
      Da es sich bei den genannten Bedürfnissen um legitime handelt, die dennoch tatsächlich Kunstanstrengungen torpedieren, habe ich für mich selbst unterdessen die Haltung entwickelt, Literatur von Dichtung zu trennen und mich für Literatur nicht mehr zu interessieren. Literaturvermittlung folgt den Gesetzen des Pops, die Vermittlung von Dichtung n i c h t. Und man muß sich entscheiden, auf welcher Seite man steht. Als Schriftsteller, nicht als Leser. Leser haben mit allem Recht die Wahl.

    2. Wie aber sollen sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, da sie doch täglich immer mehr verblödet werden und es nie gelernt haben, sich dem zu widersetzen? In der Massenware nämlich erkennen sie sich gar nicht wieder; so wenig wie eine normale Frau sich in einem Model wiedererkennt. Sie stehen nur unter dem Zwang, sich darin wiedererkennen zu müssen, weil die Medien es ihnen befehlen. Werden sie älter und haben sie bis dahin das Lesen nicht verlernt, so wenden sie sich dem zu, was Sie Dichtung nennen. Die Crux ist nur, daß immer mehr Menschen das Lesen immer früher verlernen oder es gar nicht mehr lernen. Schon heute wird ein Teil der Gegenwartsdichtung nicht mehr schriftlich, sondern mündlich tradiert; eine Entwicklung, die sich mit der Popmusik im besten Sinne abzuzeichnen begann (Beatles-, Stones- & Dylantexte wurden wichtiger als die öden Elaborate anämischer Lühricker) und mit dem Rap & HipHop offen zutage trat. Die Kunstlust junger Menschen ist ungebrochen; der homo ludens lebt noch immer. Doch die alten Säcke haben alles getan, um den jüngeren Generationen die Lust daran auszutreiben, was ich noch immer trotzig Literatur nenne. Und deshalb zieht sich das Jungvolk, auch des TV-Geflimmers und Pop-Gestampfes müde, in die Bilderwelt der Games zurück; dorthin, wo es zumindest glaubt, noch frei wählen zu können, unbehelligt von all dem infantilen Elternpack.

    3. Es ist nicht “infantil”. Sondern hat – Interessen. Was Sie über die Intentionen von Pop bis Rap schreiben, unterschreibe sogar ich. Diese Intentionen bleiben aber um so kürzer unbehelligt, je weniger komplex – je weniger widerständig – die gewählte Form ist. In der Musik ist die simpelste Form die der einfachen, meist auf C-Dur gegründeten akkordischen Tonalität; sie ist als allererstes vereinnahmbar. Aber auch der d i r e k t e Ausdruck, die Expression, die sich wütend zwar vom Wohlklang abhebt, aber doch a l s Wut sofort definierbar ist, fällt in kürzester Zeit dem industriellen Betrieb anheim. Ich spiele hier auf das an, was der Punk einmal war. Sowie eine Form in ihrer Rezeption bequem wird und sowie sie gruppendynamisch wirkt (also bis zu den TOP100 Gemeinden bildet), greift der Markt zu. – Das gilt vielleicht nicht in Ländern, die in akuten Notsituationen stecken – da ist solche gruppendynamische Wirkung möglicherweise nötig, um den aktiven Widerstand (der bisweilen gewaltsam s e i n muß) zu formieren und durchzuhalten; es gilt aber in jedem Fall in den Wohlstandsländern – und gilt, wenn ein Widerstand erfolgreich war und sich in der neuen Regierung die Kader mit Macht ausstattet.
      Übrigens wurde zum Entsetzen von My Lai von den jungen GI’s, die das Verbrechen begingen, Bob Dylan gesungen. In dieser einen Hinsicht behält Adorno recht: Es hätte weder Anton Webern noch Stockhausen zu so etwas gesungen werden können. Wobei auch das zeitrelativ ist: Ganz sicher hätte Bonaparte als Siegesmusik nicht die ihm ursprünglich zugewidmete Dritte Beethovens ‘aufspielen’ lassen. Heute hingegen eignete sich das Stück recht gut als erhebender Hymnos nach einem Endsieg im Orient.

    4. Alles eignet sich im Kapitalismus; früher oder später. Auch Errungenschaften Mahlers und der Neuen Musik wurden ja schon längst von Filmkomponisten (und nicht den allerschlechtesten) verbraten. Nicht zuletzt aus diesem Grunde habe ich es mir frühzeitig abgewöhnt, nach einer Kunst zu fahnden, die jetzt noch widerständig scheint; ganz im Sinne des erzreaktionären & musikalisch abscheulichen, aber doch sub specie aeternitatis betrachtet gar nicht so blöden Siebzigerjahreschlagers Wir lassen uns das Singen nicht verbieten. Das Singen nämlich ist genau das, was die Diktatoren uns austreiben wollen. Ich habe es am eignen Leib erfahren, als die kerligsten Knaben mich wegen meines Singens im Schulgebäude haßten und mein letzter Chef mir wegen Singens in der Bremer Innenstadt eine Abmahnung schíckte. Wer noch singen (und nicht nur militaristisch brüllen) kann, der lebt. Und er ist um so lebendiger, je mehr Tiefe er auch der mißbrauchten Tonalität abgewinnen kann, speziell dem in Verruf geratenen C-Dur, das so strahlen kann wie keine andere Tonart. Ich werde mir dieses Strahlen niemals nehmen lassen; und auch nicht die Alte Musik. Ich halte sie für die widerständigste überhaupt. Daß sie inmitten der Kakophonie des Neoliberalismus ihre Renaissance erlebt, stimmt mich froh. Denn die Alte Musik repräsentiert Old Europe, unsere Seele, das Feindbild der Kulturlosen.

    5. Sie sind, hweblog, ungenau in der Sprachwahl. Ironie ist kein guter Ratgeber, auch wenn ich den Hymnos am Ende Ihres Kommentars sehr mag. Es ist ja gerade die Musik derer, deren Feindbild Old Europe sei, dessen Musik sich deren bedient, was ein Kritiker einmal “Mozart-Bastardismus” nannte. Wobei ich auch hier glaube, daß die Sachlage viel schlimmer ist: denen ist nämlich ‘Old Europe’ gar nicht bekannt, und deshalb interessiert es sie nicht. Insofern zu Recht, muß man sagen. An dem von Ihnen so genannten Feindbild wiederum stricken ‘Old Europler’ kräftig mit, da es sich um Kapital- (und also Hegemonial)interessen handelt, die da wirken, und da diese sich firmengeologisch überhaupt nicht mehr bestimmten Nationen zuschreiben lassen. Der sogenannte Globalismus, den ich für b e i d e s halte – für zu begrüßen gleichermaßen wie erschreckend -, ist ja genau ein Ergebnis der weltweiten Umformung kulturdefinierter Räume in solche des an Kultur nur insoweit interessierten Marktes, als sie sich zu seiner Ausfütterung in Bewegung setzen läßt. Ich glaube, daß dies einer der Gründe für den islam(ist)ischen Widerstand ist.
      Doch zur Ungenauigkeit: Wenn Sie “nicht den allerschlechtesten” schreiben, dann bedeutet das immerhin d o c h “den schlechtesten”. Was Sie aber nicht meinen, sondern Sie wollen ausdrücken, es seien ‘gute’ Filmkomponisten. NUR: W e n n es gute Filmkomponisten sind, dann ‘verbraten’ sie ganz sicher nicht. – Gegen das Verfahren an sich finde ich wenig einzuwenden, sofern denn aus den von Ihnen gemeinten ‘Errungenschaften’ Partikel auf eine Weise herausgenommen und in einen Film transplantiert worden sind, der seinerseits ‘gut’ ist. Innerhalb der Musik selbst ist so etwas immer wieder getan worden und mit großen Ergebnissen; siehe etwa bei Bach. Wiederum hätten Massen während der 12 Jahre währenden 1000 Wir lassen uns das Singen nicht verbieten ganz genau so aus tiefster Brust (und mit Herz) singen können, und sie taten es ja auch. Des Kommandanten von Auschwitz Lieblingskomponist war Schubert. Diesem ist das nicht anzukreiden; nur leben wir n a c h dem Zweiten Weltkrieg in einer Situation, deren Kunst das Problem erstmals deutlich fixierte; vorher war es nicht im Bewußtsein. Dann w a r es im Bewußtsein. Dann wurde es wieder vergessen.
      Weiters: O b C-Dur stärker strahlen kann als irgend eine andere Tonart -und überhaupt Tonart – ist eine Frage, die durchaus nicht ausgemacht ist, weil wir d a nämlich fragen müssen: für wen. Vieles hängt so an der Hör-Ausbildung und persönlichen Geschichte, die in den kapitalistischen Demokraten immer auch eine Geschichte der Vielen ist und bezogen auf die Geschichtsgänge, die eine Kultur bis dato genommen hat. – Wofür ich also einstehe, das ist: Differenzierung. Auch wenn sie wehtut und vieles vieles nicht mehr unvoreingenommen tun läßt.
      Hiervon abgesehen, schreibe ja ausgerechnet ich neuerdings ‘reaktionäre’, neoklassizistische Gedichte. Und lasse mir das ebenso wenig nehmen wie Sie sich die ‘einfache’ Musik nehmen lassen wollen. Nur hängt die Berechtigung, meine ich, abermals davon ab, in welche Zusammenhänge so etwas hineingestellt ist, also: in welchen Werkzusammenhang. Daß sich meine >>>> Replik auf Michael Kleeberg in Auszügen ausgerechnet auf der grauslichen Site Horst Mahlers wiedergefunden hat, hat mich seinerzeit (2000) ziemlich erschreckt; aber ein solches Risiko ist zu nehmen, wenn man denn überhaupt noch etwas sagen können will. Und man muß darauf vertrauen, daß um die ganz andersläufigen Arbeiten nicht herumkommt, wer sich näher mit bestimmten Haltungen beschäftigt. Sonst stünde tatsächlich, mit Webern und Beckett, ein Verstummen als einziger Ausweg an. In dieser Hinsicht geh ich mit Ihnen konform, daß das sehr unmenschlich wäre – und, eine für mich wichtige, vielleicht d i e wichtigste Bestimmung, keinem unserer Kinder zuzumuten. Die Hoffnung, die wir an sie weitergeben, ist desungeachtet nicht davon befreit, daß sie genau schaut, woraus sie sich schöpft.

    6. @hweblog: Um Ihnen frech den Tag noch zusätzlich zu versäuern. Schenk ich Ihnen auch noch >>>> d i e s e n Link. Wer, dem es drauf ankommt, müßte nicht allein bei diesem Satz “Der Autorenschrittmacher unterstützt AutorInnen auf dem Weg in die Professionalität” l a c h e n vor Schmerz? Oder um es s o zu sagen: VORWÄRTS, AUTOR/INNEN! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, Frau Streicher, wie basisdemokratisch ich mich fühle in Sachen Kunst.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .