Paul Reichenbachs Montag, der 16. Oktober 2006. Maigrüner Oktober.

Das ist ja das Fiese an diesem Tagebuch, daß man immer versucht ist, nicht sich in der Situation zu schildern, sondern den Finger auf den Andern zu zeigen. Das ist eine große Gefahr. .Aus: >>>Bruno Lampes Tagebuch vom 14.10.2006.

Ja, da hat Bruno recht.
Denn wenn ich an die letzten Wochen denke und mir vor Augen führe, was sie alles so tut, um unsere Gemeinschaft zu erhalten, und wie ich das Meiste davon missverstehe, einzig vielleicht deshalb um eigene Neigungen vor mir selbst in ein gutes Licht zu rücken, wird mir klar, wie sehr sie mich lieben muss. Noch vor Wochen war ich es, der Essen kochte, die Wäsche bügelte und allerlei anfallenden Krimskram im Haushalt erledigte. Das hat sich geändert. Unmerklich hat sie, seitdem ich öfter am PC sitze, um zu schreiben oder Gelesenes zu notieren, den Haushalt zu dem Ihren gemacht. Das Gefühl von ihr anders und neu wahrgenommen zu werden beschäftigt mich, und hinterlässt ein schales Schuldgefühl in mir.. Gestern z.B. als ich die >>> Geige, ohne gespielt zu haben, wieder in den Kasten legte, sagte sie: Du musst nur wieder üben, dann wird das schon. Ich habe Dir immer gern zugehört, auch dann wenn du die Töne nicht gleich fandest. Heute Abend werde ich sie überraschen. Mit ihrem Lieblingslied, dessen Griffe ich am Morgen, sie war schon zu ihren Klienten unterwegs, mit sturer Heiterkeit einübte. Mozarts „ Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün…“ werde ich ihr mit Inbrunst vorspielen, auch oder gerade, weil wir Oktober haben. Noch ist er golden…

16 thoughts on “Paul Reichenbachs Montag, der 16. Oktober 2006. Maigrüner Oktober.

  1. War da nicht vor kurzem… dieser blassblaue Frauenkamm? Nein, ich glaube, er war rot. Wenn ich (ich kann nur von mir sprechen) merke, dass andere Frauen meinen Mann begehren, wird er attraktiver für mich. Ich achte dann mehr darauf, mir keine Nachlässigkeit im Umgang mit ihm zu erlauben. Bleibt er bei allem zu mir nett, oder mehr als das, ist das ein aufregender Zustand. Lieblingslied vorspielen ist ein schöner Plan.

    1. Den Kamm gibt es noch. Auch das Handtuch. Mitterweile liegt es frisch gewaschen in meiner Saunatasche und wartet ebenso wie der rote Kamm auf seine Eigentümerin. Da schläft ein Lied in allen Dingen, meint nicht nur Eichendorff.

    2. Der Fetischist in mir geriet mit dem Utilitaristen, auch der bin ich, in Konflikt und unterlag . Denn gegen den Einwand, Erinnerung durch ein Ding herzustellen, das gemeinsam genutzt wurde und wird, hatte er keine Argumente. Auf diese Weise wurde das Handtuch quasi “legalisiert” und sein Fetischcharakter verstärkt. Es liegt offen da und niemand – außer mir – kennt sein Geheimnis.

  2. Aufmerksamkeit Ich hoffe, der kleine Mozart ist gelungen; wenn einmal ein Anfang gemacht ist, folgt anderes Stück für Stück – wo zudem mit solch feiner Aufmerksamkeit ermuntert wurde!

    @a:
    Bedarf es wirklich solcher Griffe in die “Trickkiste” (das Begehren der Anderen), um Achtsamkeit walten zu lassen?

    1. Ja – gelungen, obwohl die ersten Striche zu kräftig kamen. Für heute ist der Bann erst einmal gebrochen. Hoffentlich hält das an.

    2. Das Haar im Bogen ist gesplissen


      Der Stimmstock ohne Halt
      Die Henkelsaite ward zerissen.
      Die Wand war ihr zu kalt.

    3. Noch kannst du den Bogen spannen

      Und Saiten neu aufziehen. Auch wenn da Wasser rannen
      Und Träume nicht mehr galten. Die Seele* wird erst dann erblühen,
      Wird sie am richtgen Ort von warmer Hand gehalten.
      Dann klingt und singt sie wieder
      Die alten schönen Lieder.

      *Stimmstock

    4. In Morgenröte hat gezeigt das Instrument,
      enthüllt aus rotgelbleuchtend Seide, dass bereit
      der warmen Hand es sei, und Nachtmahr nur, was war,
      aus einer andern Zeit. Die Saiten neu gestimmt,
      der Bogen angesetzt, und sieh: s’ist wieder Klang!

    5. Handrarer Corpus spürts nie schwingen
      singen, wogen.

      Herab – und Aufstrich.
      das Haar gespannt
      vorsichtig geführt
      sind Grund dem Ton.

      Der Alp ist weggeflogen. Seit gestern schon.

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