Paul Reichenbachs Freitag, der 10. November 2006. Der Kranke.

….muss ich wirklich finden:
der größte Narr ist oft der Glücklichste.

Einige Tage, ich hatte eine ziemlich starke Grippe, habe ich dem PC mit lässiger Verachtung gestraft, so als wär er schuld an der Maladei. Die knappe, heftige Krankheit konnte mich vom Büro allerdings nicht abhalten. Denn während unserer Reise nach Sachsen und Franken hatte sich einiges auf dem Schreibtisch angesammelt. Es war wie verhext. Ausgerechnet in der Woche, wo ich mal krank bin, und das kommt ganz selten vor, also genau in dieser Woche wurde ich im Job gefordert, wie schon lange nicht mehr. Nach der Arbeit ging ich dann sofort ins Bett, meist mit einem dicken Buch, das ich dann doch nicht las. Das Tagebuch ist schon nach kurzer Zeit von Husten , Schnupfen , Kopf – und Gliederschmerzen in eine Ferne gerückt worden, die sich einfach nicht in Nähe zurück verwandeln wollte. Ich melde mich hier nur aus Pflichtgefühl, die Neigung will das Bett. Die Verschanzungen der Eigenliebe und des Selbstbetruges heißen ja oft Krankheit und Bett. Wenn nun auch für mich gilt, was für Molieres Helden zutrifft, dass das Optimum meiner Lebensmöglichkeit Krankheit und Irrtum sind ?
Nicht Molieres “Le Malade Imaginaire” soll hier zitiert und reflektiert werden. Nein. Ich dachte zeitweise im semifiebrigen Zustand an das Stück: “Le Bourgeois gentilhomme “und fragte mich , ob es zu wünschen ist , dass Monsieur Jourdain, von seinem Wahn kuriert, in die Umarmung seiner zänkischen Madame Jourdain zurücksinkt ? Das surrogate Weltverständnis des Herrn Jourdain mag verkehrt und lächerlich sein, aber immerhin schützt es ihn davor die Balance zu verlieren.
Wer sich in einer entfremdeten Welt der Flucht in den Wahn bedient, kommt uns zwar doof vor, aber ist er es auch ?

2 thoughts on “Paul Reichenbachs Freitag, der 10. November 2006. Der Kranke.

  1. ‘Ich Narr des Glücks…’ Als Diminuitiv von ‘Wahn’ ginge vielleicht der mir sympathischere ‘spleen’ durch. Der klingt in meinen Ohren weniger pathologisch, hat aber den Vorteil nicht gänzlich auf eine gewisse Erhabenheit Verzicht zu leisten.
    Was aber kann der ‘Spleen’ überhaupt leisten?
    Er ist ein Staudamm, der sich der entfremdeten Welt
    entgegenstellt, um nicht von ihr überflutet zu werden.
    Der ‘Spleen’ schützt vor ‘Nasführungen’ aller Art, vereinnahmenden Umarmungen: und sei es auch nur vor denen einer zänkischen Ehefrau…
    Er bewahrt davor, sich gemein zu machen! Der Geruch des Elitären, welcher dem ‘Spleen’ anhaftet, liegt in seiner Verweigerung des egalitären Prinzips: Der Spleen macht sich lustig, ob er will, oder nicht. Das durchaus Alberne, was dem Spleen anhaftet, ist der Preis, der für solcherart Abdichtung gegen den ‘common sense’ zu entrichten ist…

    Nur mit einer Sache vermag der Spleen gemeinsame zu machen: Mit der Kunst, die auf ihn auch nicht ohne weiteres verzichten kann!

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