Paul Reichenbachs Donnerstag, der 29. März 2007. Herz, da du fort warst…

(…)
Erst der Verlust ist des Bleibenden Anfang. Wie schmeck ich die guten
Lippen da, deine, nun wieder! zurückgefunden Geschlecht und
Herz, da du fortwarst und dadurch zurückkamst… Verwehtes umhüllt uns…
ist ein Geruch… ein beharrender Duft… n ä h e r als nahe
i n uns… so Abschied und Träne… ein Wind, der hereinstreicht von draußen,
durch die Terrassentür, allgegenwärtig, der fließenden Regnitz
tiefgrünstem Himmel entstiegen. Da sehen wir Kies und der Brüstung
stumme Skulpturen, die, Allegorien, dich abwehren möchten,
doch dich verführen, wie unmerklich singend dich heimzuverwehen…
(…)
Alban Nikolai Herbst: Bamberger Elegien. Vierte Elegie.

Die Stimmung heute, das Gefühlte, entspricht im Kern den Zeilen der 4. Elegie. Die Lage dagegen, welch ein Widerspruch, scheint komfortabel. Mir geht es gut, das Konto ist etwas überzogen – macht nichts, damit kann ich leben ! – die Märzensonne strahlt und das Wochenende verspricht einen Besuch in der Schirn. Herz, was willst du mehr ? Lage und Stimmung waren lange Zeit nicht so weit auseinander, wie an diesem Donnerstag. Die kranke Schönheit, die schöne Kranke zu Haus. Das Cortison beginnt zu wirken. Während sie auf eine fatale Weise immer schöner wird, die Zellen sammeln Flüssigkeit, werde ich melancholischer und flüstre mir zu. Es wird alles gut und weiß doch, dass nur im besten Falle, für einige Zeit, aufgehalten werden kann, was zerstören will. Alles wird gut flüstre ich ihr zu, während ich bügle. Sie liegt auf der Couch, ihre Augen leuchten wie in der Schwangerschaft. Ein Fremder würde keinen Unterschied bemerken. Ich schon: Ihr Blick damals voller Stolz, Angst war ein Fremdwort, und unbesiegbar kam sie mir vor. Heute dagegen glänzen die Augen vor Furcht, obwohl sie so jung, so verdammt jung, wie vor 30 Jahren scheint. „Erst der Verlust ist des Bleibenden Anfang“ Ja ! Ja ! Ja ! „…Herz, da du fortwarst und dadurch zurückkamst…“

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