Arbeitsjournal. Freitag, der 4. Mai 2007.

8.34 Uhr:
[Arbeitswohnung. Scelsi, Trilogia für Cello solo.}
Heute wäre mein genau vor zehn Jahren umgekommener Bruder 50 Jahre alt geworden. Wir waren einander nie nahe, aber >>>> er beschäftigt mich seit seinem Tod in Abständen immer wieder, und überaus nachdrücklich, seit ich Vater bin. Und heute morgen besonders, da die Zwillingsbabies s e h r viel Aufmerksamkeit erfordern und zugleich darauf zu achten ist, daß Lebens- und Liebesrecht des größeren Jungen nicht zu kurz kommen; das bindet alles viel Energie und stört auch meine Arbeitsabläufe ganz gehörig. Doch nehme ich das jetzt, bei diesen nächsten Säuglingen, gelassen, ja ich bin durchaus ruhig und sehe zu, was ich tun kann, zu tun: uneilig und locker. Selbst gelegentliche familiäre Unstimmigkeiten machen mich nicht nervös, sondern ich weiß solche Spannungen jetzt einzuschätzen, weil ich die Erfahrung gemacht habe, woher sie resultieren. Gestern am späten Abend zog ich mich dann einfach in die Arbeitswohnung zurück und kehrte erst spät nachts wieder heim. Was s o völlig okay war. Zumal rief nach dem hiesigen Bob-Dylan-Konzert der Profi an, ob wir uns nicht noch auf ein Bier..? er habe seiner Partnerin eine Pizza versprochen… Da kakelten wir dann den Döblinpreis durch, schätzten Kandidaten und Juroren ein, kamen zum selben Ergebnis: „Wie gut, daß man nicht irgendwelche Luschen zur Konkurrenz gemacht hat… das wird ja w i r k l i c h spannend!“ Ich selber bin eigenartig froh drüber, daß >>>> Hinrich Schmidt-Henkel, der Neu-Übersetzer von Célines REISE ANS ENDE DER NACHT, in der Jury sitzt. Interessant wiederum, daß >>>> Kerstin Hensel in diesem Jahr s o w o h l in der Döblin-Jury a l s a u c h in der >>>> Jury für das Berliner Literaturstipendium gesessen hat. Sie ist selber Dichterin, und da fragt man sich dann ganz besonders, was eine solche plötzliche Ballung von Machtbefugnis s o l l.

Mein Übersetzer Prunier hat Märchenhaftes über den Verleger geschrieben, der ebenfalls einige meiner Gedichte in einer zweisprachigen, allerdings auf 200 Exemplare limitierten Ausgabe in Frankreich herausgeben will. Ich stellte Ihnen, was Prunier geschrieben hat, gerne in Die Dschungel, muß ihm aber erst eine Mail schreiben, ob ihm das auch recht ist. Dem Geheimnis gemäß, daß den frz. Verleger zu umgeben scheint, nennt Prunier nicht seinen Namen: auch das hat eine große Poesie.

Guten Morgen, Leser. Ich wurschtele jetzt mal wieder – zu >>>> Scelsis tiefen Klängen – an der Stromboli-Dichtung herum, muß aber zugleich neuerliches Geld auftreiben, weil am Dienstag in der Väter-WG wegen unbezahlter Rechnungen der Strom abgestellt werden soll. Das ist selbstverständlich abzuwenden. – Etwaigen Finanzamtslesern sei übrigens mitgeteilt, daß es bei all diesen Aktionen um Darlehen, nicht etwa um Schenkungen geht; spätestens, wenn ich den Nobelpreis bekomme, zahle ich alles zurück. Daß Gläubiger annehmen – optimistischer sind sie als ich bin – , so etwas könne geschehen, geht aus einem Absagebrief des Bundesverwaltungsamtes hervor. Ich zitiere:

“Zwar ist nicht zu verkennen, daß Sie sich in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befinden. Für die Annahme einer besonderen Härte reicht dies jedoch nicht aus. Hierfür ist vielmehr eine unverschuldetetolles Wort in meinen Zusammenhängen: „unverschuldet“…,dauerhafte Notlage Voraussetzung, die zu einer Existenzbedrohung führen würde,“w ü r d e – der Mann, er heißt Maurer, verwendet den Irrealis!wenn die Forderung nicht erlassen würde. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass sich Ihre Situation wieder verbessert und Sie Ihrer Rückzahlungsverpflichtung doch noch nachkommen können.Der Herr Maurer g l a u b t an meinen Nobelpreis! (Und versteht also etwas von Literatur.) Wobei es heiter stimmt, daß er mir empfiehlt, um eine Stundung der Beträge einzukommen, die er mir im vorhergehenden Schreiben bereits abgelehnt hat. Zuckmayer, sag ich nur, >>>> Zuckmayer.

[Scelsi, Yamaon.]

3 thoughts on “Arbeitsjournal. Freitag, der 4. Mai 2007.

  1. In Ermangelung einer Mail-Adresse K. Hensel in beiden Jurys, nicht schlecht. Es hört sich an, als wüssten sie auch zu den Kandidaten etwas. Das hätte mich – eben auf dem E-Mail-Wege – sehr interessiert. Ich verstehe gar nicht, warum da so ein Schweigen drum ist.

    Seit eben ist es mir >>>bekannt. Schlagen Sie sich tapfer. Eine Freude sind diese Veranstaltungen ja nicht. Aber sie haben den nötigen Kampfgeist ja schon verkündet.

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