Arbeitsjournal. Montag, der 14. Januar 2007.

Hübsch ist übrigens auch, daß Kumpfmüller gleichzeitig das Stipendium des Berliner Senats erhalten hat, für das >>>> ARGO auch schon abgelehnt wurde. Selbstverständlich kann das Zufall sein, denn bei der Stipendienauswahl sehen nicht alle Juroren alle Texte, sondern jeder oder je zwei bekommen je eine Partie und wählen ihre Kandidaten, die sie der „Gesamtjury“ dann vorlegen, daraus aus; hier spielt also gehörig das G l ü c k mit, wer bei wem gerade landet und wer welche Ressentiments hat. >>>> Hier, übrigens, können Sie die mp3s jetzt herunterladen, die von den Lesungen um den Döblinpreis am Sonnabend angefertigt worden sind.

Hab verschlafen, sah nachts noch >>>> „Tears of the sun“, um mich wieder mit etwas zu konfrontieren, das wirklich wichtig ist, das also R e a l i t ä t ist. Die momentane Arbeitshemmung macht das aber nicht besser. Doch die Grundfrage stellt sich erneut: Was >>>> Magenau „Wortbesoffenheit“ nennt und was ganz sicher e i n e r der Gründe für den in seiner Abwehrbewegung schon irrationalen Widerpruch gegen meinen ARGO-Auszug gewesen ist, ist doch der poetische Versuch, für solch unabweisbare Realität eine künstlerische Ausdrucksform zu finden, die nicht nur nennt; es ist a u c h der Versuch nicht bloß der Vergegenwärtigung, sondern einer ästhetischen Vereinnahmung und insofern das Gegenteil des Wegdenkens oder ideologischen (politisch-praktischen) Denkens und Fühlens. Darin ist es das gleiche, wie wenn ein Künstler das Leid im Gesicht der Pietà darstellen, nämlich wieder und wieder sein lassen möchte und muß. Durch Aussparung und Reduktion ist das bei brutalem Leid wie demjenigen, das durch Krieg und Folter zugefügt wird, nicht zu erreichen, nicht in seiner Gegenwärtigkeit und Fülle. Sondern da, genau da setzt der Ästhetizismus ein. Freilich liegt d a auch seine als Kälte empfundene scheinbare Unmoral: Er nimmt das Grauen als Material. Doch indem er das tut und wenn ihm das Kunstwerk „gelingt“, greift er aufs Unbewußte des Betrachters zu. Wehrt der nun ab, so eigentlich das Grauen und die Konfrontation mit dem Grauen, dessen Mahnmal gelungene ästhetizistische Kunstwerke sind: ein Mahnmal, das keine Sentimentalität erlaubt, weil es keine doppelten Böden mehr gibt – keine „Puffer“, wie >>>> Dielmann – das nennt, die einem noch Distanz erlauben. Das übriges ist genau d i e „Beunruhigung“, von der Grass zurecht sagt, sie gehe aus Döblins Dichtungen auf den Leser über und verschaffe ihm böse Träume. Einen ähnlichen „Effekt“ haben >>>> die Zerstörungsromane Célines und hat Pynchons „Gravity’s Rainbow“. Das und fast n u r das ist der Maßstab, an dem sich ein Prosadichter der Gegenwart zu messen hat. Jeder andere poetische Ansatz ist letzlich nichts als die innere Versicherung, es sei ja in Wahrheit gar nicht so schlimm.

[Poetologie.]

[Nunes, Tif’Ereth.]
Interessant, daß d i e s e Szene >>>> es wahrnimmt und darüber als eine Dichtung schreibt, indes der bürgerlich-linke Literaturbetrieb unbedingt ignorieren möchte und wenn er das nicht kann, es niedermacht. Die bürgerlich-konservative Seite freilich mag es a u c h nicht; sie aber, immerhin, w e i ß warum. Das kommt daher, daß sie Werte als Setzung begreift.

16.12 Uhr:
[Am Terrarium.]
Kinderdienst. Dabei hör ich die erste von vier Cds mit weltweiten Kinderliedern, die einem mir zur Rezension übersandten Bildband beigelegt sind. Es wird die erste Rezension sein, die ich direkt für Die Dschungel schreibe – womit ein neues Kapitel dieses literarischen Weblogs aufgeschlagen wird. Die hohen Zugriffszahlen wie die Google-Präsenz Der Dschungel rechtfertigen das – andernfalls müßte man mit Recht gewärtigen, wegen der Rezensionsexemplare ein Schnorrer genannt zu werden; ich bin in diesen Belangen sehr heikel.

In die Stromboli-Dichtung bin ich heute ganz erstaunlich gut hineingekommen; ich denke, daß ich Ihnen heute abend bereits wieder einen nicht g a n z kurzen Auszug aus dem Entwurf hier werde einstellenkönnen.
Und >>>> das hat mich selbst überrascht.

22.37 Uhr:
[Am Terrarium.]
>>>> Hier habe ich jetzt ein Problem: Die Reihe „Sohlen“, „Salz einzuholen“, „Molen“ funktioniert poetisch wunderbar. Doch Stromboli hat nur e i n e Mole, bzw. ist die zweite – des auf der anderen Vulkanseite liegenden Örtchens Ginostra – nicht vermittels eines Landfahrzeuges erreichbar. Zwar ließe sich nun auch gut „unter der Sohle“, im Singular also, schreiben, – dann fällt mir aber das „Salz einzuholen“ auseinander… darüber grüble ich seit einer halben Stunde nach, während um mich alle Lieben schlafen. Auch ich will’s heute nicht spät werden lassen.

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