B.L.’s 25.6. – indefinito

19.04
Sehr früh aufgestanden wegen der Papiere für die Steuerberaterin, außerdem um 7 Verabredung bei der Neffenmutter wegen der Schlüsselübergabe (wie ich immer diese steilen Straßenstellen fürchte, wenn ich mal mit dem Auto in die obere Hügelstadt fahre, im 1. Gang sowieso, aber nach der Reparatur im Mai läuft das Auto doch etwas besser, geht jedenfalls nicht mehr dauernd aus: naja, es hat seine 15 Jahre und gehörte einst dem Schwiegervater). In Orte war ich dann so rechtzeitig, daß ich schon an Capuccino und Cornetto dachte, doch als ich aus dem Tunnel kam, der den Pendlerparkplatz mit dem Bahnhof verbindet, standen überall merkwürdig viele Leute herum. Auf einem Gleis ein Zug mit der Abfahrtsangabe 6.41. Auf dem Bildschirm mit den Abfahrtszeiten alle Züge mit der Verspätungsangabe „INDE“, was wohl „indefinito“ hieß, nämlich völlig unklar. In der Schlange vorm Schalter fragte ich dann doch lieber, was denn los sei. Der Bahnhof Tiburtina in Rom sei blockiert, und zwar schon seit sechs Uhr früh. Naja, da blieb nur eins: In Rom anrufen und alles absagen. Denn wenn man nicht nach Rom fahren kann, dann kann man das nicht. Zufällig war auch die holländische Malerin auf dem Bahnhof, sie hingegen MUSSTE, nämlich zum Flughafen und nahm das Auto. Passiert war, daß 200 Pendler aus Kampanien (Salerno), die in Mailand arbeiten, den Bahnhof besetzt hatten, weil die Ermäßigung für die Wochenendfahrten (und heute war ja Montag) zur Familie aufgekündigt worden war, die zwischen der Eisenbahn und der Region Kampanien bestand, so daß die Fahrt für sie nun 4mal so teuer wurde, sie aber dann doch nicht so viel verdienen, um sich das zum normalen Preis leisten zu können. Die Besetzung der Gleise dauerte acht Stunden. — Und ganz unverhofft durfte ich dann den Tag vertrödeln: die Arbeit für morgen annulliert. Und nichts neues auf dem Schreibtisch. Also durft’ ich unter die Deutschen gehen bei Hölderlin und all das nachspüren und -fühlen, was mein Unbehagen mir immer nur unbestimmt vorgaukelt, weil es sich nicht wirklich wahrhaben will. Aber es ist doch immer ein Unbehagen, daß ich allerdings auf ein gewisses Denken beziehe, das Hölderlin in diesem Passus beschreibt. (Zu meinen wenigen Kultur-Ausgängen in Berlin gehörte – wenn’s nicht grad das Kino war – der Besuch jener Hölderlin-Aufführung im Olympiastadion (77 oder 78), deren Titel ich schon gar nicht mehr weiß, aber die diesen Satz hatte: Und so kam ich unter die Deutschen. Glühwein gab’s auch.

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