B.L.’s 7.7. – Pommidoro et al. (II)

12.02
Eigentlich müßte es 6.7. heißen, aber die Brille, durch die der 6. gesehen wird, ist dennoch der 7. The day after yesterday is always today. Der einzige Nicht-Zufall bei dieser Zusammenführung aller drei Tagebuchschreiber war wohl ich, da ich ja eh hier bin. Zunächst war’s Pauls geplante Rom-Reise gewesen, die zumindest uns beide zusammengeführt hätte. Irgendwann fragte Terpsichore bei mir an, ob ich etwas Ruhiges für einen Rom-Aufenthalt wüßte, so in der Zeit ab dem 8./10.7. Paul wäre dann nicht mehr dagewesen, da er heute wieder zurückfliegt. So daß ich Pauls Hiersein auch gar nicht erwähnte. Plötzlich Terpsichores Beschluß, ihren Flug vorzuverlegen, nämlich auf gestern. Dann ergab sich alles wie von selbst.
Nach einer Suchaktion auf dem Bahnhof Termini, bei der Paul und ich ständig um die als Treffpunkt angegebene Buchhandlung spazierten und nach einer jungen deutschen Frau Ausschau hielten, deren Gesichtszüge wir kannten, bis dann endlich das Handy piepste und peu à peu eine Art Orientierung zuwege gebracht wurde, und nachdem eine Riesenschlange vor der Gepäckaufbewahrung den entsprechenden Zeitverlust doch für zu hoch erscheinen ließ, mit Terpsichores Gepäck ab in den Bus zu einem Aperitif unter Palmen und Pinien in der Villa Torlonia an der Via Nomentana, die Paul glücklicherweise noch nicht kannte, der sich Rom mit seiner Frau fast schon am ersten Tag erwandert und sowieso schon alles gesehen hatte. Gestern war seine Frau in Tivoli. Und so fingen wir dann an, einander Person zu werden im Sprechen vom Sich, vom Tagebuch, vom Andern und von Anderen, was vor allem auch Terpsichore betraf, von der wir ja eigentlich nur die einst eingestellten Texte kannten. Ich glaube, das Wort „Natürlichkeit“ paßt sehr gut zu ihr. Und – was zwar nicht neu ist, aber mir erst jetzt langsam bewußt wird – der mich immer noch überraschende Umstand, daß ich gelesen werde (auch und vor allem als parallalie [LINK]), und daß mittlerweile dies zur Grundlage für ein persönliches Kennenlernen wird. Allerdings wird ja auch erst jetzt Angelpunkt, was zuvor eher als Fluchtpunkt begriffen wurde. – Dann wurde es Zeit, die Straßenbahn nach S. Lorenzo zu nehmen, wobei wir beim Gang dorthin und bei den späteren Gängen Paul stets von hinten sahen mit Terpsichores Reisetasche und diesen seinen Elan immer wieder bewundernd kommentierten. Und der Himmel immer wolkenlos, sachte ein Wind, der die Hitze etwas abmilderte, allerdings weniger für Terpsichore, die zuvor an einem Ort gewesen, an dem es 18 Grad kalt gewesen. Das Mittagessen dann tatsächlich an einem Tisch mit einem leeren vierten Stuhl, den unsere Gespräche aber durchaus so besetzten, wie ich’s gestern schon andeutete, mit Alban Nikolai Herbst, seinem Sein und seinem Schreiben, zwangsläufig, sind wir doch in den Dschungeln. Und man denke nun nicht, es sei das Tratsch gewesen, neinnein, es war ein sich Auseinandersetzen im Beisammensitzen. Und zu bedauern ist tatsächlich, daß er nicht dabeigewesen ist. Wenngleich die Gespräche in dieser Konstellation sicher noch andere Richtungen eingeschlagen hätten. – Zurück zum Bahnhof, in dem wir den rücksichtslos voranschreitenden Paul in der Touristenmenge aus den Augen verloren, und wir uns wieder per Handy wiederfinden mußten. Von dort aus zur Piazza Navona und zu Pauls Hotel in der Nähe, wo wir endlich das Gepäck abstellen konnten. Mein Durst (ich hatte „pajata“ (Milchlammdarm) gegessen und schwitzte wohl auch ein wenig) verlangte nach einem Bier, so saßen wir noch an der Piazza. Dann aber wurde es Zeit, Terpsichore zu dem Zimmer zu bringen, daß ich ihr über meine Freundin T. besorgt hatte, auch mußte ich mir dort in der Nähe Arbeit abholen, und zwar vor der Schließungszeit, was dann auch willkommener Anlaß gewesen ist, Leute mal von Angesicht zu Angesicht zu sehen, mit denen ich sonst nur per Telefon oder E-Mail kommuniziere. Erst hatte ich dann gleich zum Bahnhof fahren wollen, während Terpsichore sich mit Paul und seiner Frau auf der Piazza Navona treffen wollte. Aber dann begleitete ich sie doch noch dorthin, nicht zuletzt, um Pauls Frau nicht ungesehen und ungegrüßt quasi zu ignorieren. Das wollte ich dann doch nicht. Leider nur eine kurze Begegnung, ein Abschiedsphoto, und ab zum Bahnhof. Terpsichore wird noch länger in Rom bleiben, und ich sicher mindestens noch einmal nach Rom fahren, solange sie dort ist, außerdem habe ich auch eine Rundfahrt hier in meiner Gegend vorgeschlagen.
18.51
Am Nachmittag schickte ich Paul eine SMS:
– Seid ihr noch im Hotel, ich wollte mal anrufen.
– WIR SIND
Ok, also gleich zum Telefon und im Hotel anrufen. Nein, die Signori hätten das Zimmer bereits verlassen. Aber mir sei doch gerade mitgeteilt worden, sei seien noch auf dem Zimmer… In das Zimmer sei aber gerade eine andere Person eingezogen, die er (der mir Antwortende) selbst begleitet habe. Erneutes Handypiepsen:
– AUF DEM WEG NACH HAUSE
Na gut, ’tschuldigung. So ward das Prädikat des Satzes als Erfahrung am eigenen Ohr erlebt und vorweggenommen, wobei ich versuchte, meine eigene Selbstergänzung gegen ihre, den SMS-Absender scheinbar negierende Negation durchzusetzen, die aber dann doch vor der wirklichen Satzergänzung kapitulieren mußte. (Auch eine Möglichkeit zu sagen: Schade, ich hätte gern geglaubt, er sei noch im Hotel, und noch mal telefoniert).

3 thoughts on “B.L.’s 7.7. – Pommidoro et al. (II)

  1. Wie amùsant… das hier aus deiner Sicht zu lesen. Und wie musste ich lachen bei der Beschreibung von P., wie er mit meinem Gepàck uns beiden stets voraus war, wàhrend ich – obwohl unbepackt und so viel jùnger, keuchend nach einer Sauerstoffmaske verlangte. (Heute ist es uebrigens n o c h heisser!!) Entgegen deinem Gefùhl vermisste ich allerdings niemanden auf dem vierten Stuhl, ich fand diese Konstellation herrlich und wunderbar unbefangen und erfrischend. Danke nochmals fuer Alles, und vielleicht schreibe ich ja – entgegen meinem Vorsatz – gleich auch noch etwas ins Tagebuch, ich weiss gar nicht, ob das noch geht.
    Alles Liebe bis demnàchst –
    Terpsichore

    1. Was ich mir – zumindest hinsichtlich dieses Tages – wünschte, den ich da bisher so un-chorisch beschrieben. Nun ja, Paul schrieb, er habe Schwierigkeiten mit seinem PC. Ich hoffe auf morgen!

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