Arbeitsjournal. Donnerstag, der 2. August 2007.

5.06 Uhr:
[Am Terrarium.]
Es schreibt mir jemand, er lasse sich aufgrund unter anderem der Lektüre meiner Bücher die Brustwarzen piercen: „Ich will wieder spüren.“ – Das, weil es sehr warm, sehr innig formuliert ist, hat etwas Gutes. Noch vor einigen Jahren hätte es mich erschreckt. Aber bereits im Jahr 2000 hatte ich, im Rahmen >>>> anthropologischer, auf die Literatur angewandter Überlegungen die These aufgestellt, Piercing, Tattoos usw. seien letzte unbewußte Akte sich (in der Kybernetisierung und den gesellschaftlichen Simulationen) verlierender Körpern, die sich noch konkret, naturhaft, spüren wollten. Wenn sich das jetzt, wo etwas faktisch fehlt, ins Bewußtsein dreht („wo Es ist, soll Ich werden“), und wenn meine poetische Arbeit auch nur geringfügig damit zu tun haben sollte, dann machte mich das stolz. Dann wäre auf eine ganz andere Weise ein- oder doch „an“gelöst, was >>>> hiernach eingefordert wurde: Verbindung, nicht Trennung von „Leben“ und Kunst.
Es gibt Indizien, daß das stimmt. Jemand anderes, die >>>> MEERE zu lesen begann, sagte gestern, sie habe nicht schlafen können danach, das sei ihr schon mit der >>>> NIEDERTRACHT DER MUSIK so gegangen, „deine Texte sind nichts, damit man ruhig dabei wird oder sich unterhält, sondern, man kann das gar nicht sagen, sie wirken unter der Haut, wirken einem im Rücken…“

– wobei diese Verbindung und dieses „Wirken“ auch einen ganz anderen Ausdruck, als hier erzählt ist, finden können und ihn meistens annehmen, aber eben aus denselben Gründen: – den der Abwehr.

Ich arbeite heute früh hier; einmal, weil UF drüben schläft, andererseits, weil die Geliebte einen Kinderarztgang hat und ich auf die beiden anderen Kinder aufpassen und für sie dasein will; werde die zehnte Elegie, an die ich gestern besuchshalber dann d o c h nicht mehr kam, ausdruckfertig machen und dann mit der Elften beginnen. Vorher ist allerdings in der Küche klarschiff zu machen nach dem gemeinsamen Abendessen des Freundes mit der Familie.
Guten Morgen. Ich geh gleich meine Frühzigarette auf der Schönhauser rauchen.

17.15 Uhr:
[Arbeitswohnung. Wecker, Uferlos.]
Der Tag ist irgendwie verplätschert; UF kam noch zum Frühstück, ich mußte zum Zahnarzt zur Kontrolle, dann war schon Mittagsschlafenszeit. Immerhin hab ich die Zehnte noch durchkorrigiert, umformatiert und ausgedruckt. Na ja, und >>>> ein neues Gedicht geschrieben; die erste Zeile fiel mir vom Mittagsschlaf z u, alles andere floß mit wenigen Umstellungen hinaus.
Jetzt hör ich Konstantin Wecker und packe den Rucksack; morgen um 8 geht’s mit dem Jungen nach Hausach. Da es dort einen Internetanschluß gibt, kann ich fließend weiterarbeiten, ohne die Lexika mitzunehmen. Dabei, u.a. für die Reise, hab ich Pounds Cantos, sowie Calassos >>>> Hochzeit von Kadmos und Harmonia. Sowie das AEOLIA- und das Elegien-Typoskript. Und auf der portablen Festplatte viel Musik, von der ich aber, der Versarbeit wegen, eh nichts oder kaum was hören werde.

0.30 Uhr:
[Am Terrarium.]
Noch mit dem Profi im 103, Kastanienallee, etwas gesessen und geplaudert, als Maxim Biller über die Straße kam, auf uns zu kam, Begrüßung, er wolle eben noch etwas essen, wenn wir dann nach dasäßen… So kam er dann zurück; imgrunde eine höchst literarische Situation. Seit >>>> Augsburg nähern wir uns einander wieder, was angenehm ist. Jetzt ging das Gespräch logischerweise um MEERE und ESRA, das Bundesverfassungsgericht, Kunst allgemein und Persönlichkeitsrecht im Besonderen, zuvor um Joachim Kühn usw. Irgendwann ging er, „ich muß wirklich schlafen“; der Profi und ich diskutierten weiter. Kunst gerät notwendigerweise mit der normativen Gesetzgebung in Konflikt usw.
Schöner Abend also, mit der Familie zuvor sowieso. Und auch ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht.

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