Arbeitsjournal. Dienstag, der 28. August 2007.

5.06 Uhr:
[Arbeitswohnung. Schubert, Streichquartett a-moll, „Der Tod und das Mädchen“.]
Pünktlich hoch, aber knapp auf der Kippe weiterzuschlafen. Morgens muß man nun schon, um herzuradeln, einen leichten Mantel überziehen – einen „Übergangsmantel“ hat meine Großmutter immer dazu und „Po-po-li-ne“ (ausgesprochen, wie man’s schreibt) gesagt… latte macchiato, weiter die Cassetten durchhören, um in die Stimmung zu finden, die in diese Arbeitswohnung gehört… und dann geht es also mit den BAMBERGER ELEGIEN, mit der Zwölften nun, weiter. Damit das Buch Mitte Februar/Anfang Februar erscheinen kann und also rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse da sein wird, muß ich das lektoratsbereite Typoskript bis Mitte/Ende Oktober abgegeben haben. Spätestens dann muß ich die erste Heidelberger Vorlesung schreiben. Da ich nach der strengen Hexametrisierung sämtlicher Elegien als Abschluß der Zweiten Fassung noch zu einer Dritten Fassung durchdringen will, ist das viel Arbeit, zumal noch die Regie des Marianne-Fritz-Hörstücks dazukommen soll – allerdings ist das momentan wieder fraglich, weil dieser Sender lieber Hausregisseure beschäftigt; ich führe darüber grad eine kleine Korrespondenz mit der Redakteurin. Außerdem stünde ja, falls ich meinen anderen Redakteur umstimmen kann, noch das AEOLIA-Hörstück an. Er hat allerdings auf meinen langen persönlichen Brief noch nicht reagiert.
Dennoch geht mir das angefragte Interview mit dem >>>> Muslim-Markt nicht aus dem Kopf; als ich hierherradelte, dachte ich, daß meine synkretistische Haltung gegenüber den Religionen von strengen Islami als sehr viel ketzerischer empfunden werden mag, als es in ihren Augen irgend ein Christ nur sein könnte. Denn sie schließt einen Monotheismus ja nahezu aus; es gibt kein Bekenntnis zu e i n e m Gott, im Gegenteil, es gibt allenfalls ein Bekenntnis zu den Legenden, zur Schönheit und zu den jeweiligen Kräften, die sich aus den Religionen entwickelt haben und weiterentwickeln – es ist das Märchenhafte an ihnen, das mich anzieht, nicht die strenge Bescheidung und Niederwerfung. Es ist die enorme Kraft der Geschichten, die sich in ihnen entfaltet und kulturbildend aus ihnen herausströmt, aus dem Christentum etwa die Musik von Monteverdi bis Gospel und Messiaen.
Irritiert hat mich gestern nacht noch, daß Peter Bamm schreibt, sowohl die klassische Physik als auch der Darwinismus seien in ihren Erklärungs-„Versuchen“ gescheitert. Woher er diese Aussage und Sicherheit nimmt, ist mir unklar. Es sei denn, er vermag nicht, Widersprüche zu denken (die zudem meist scheinbar sind); die subatomare Physik schließt die klassische ebenso wenig aus wie die Quantenmechanik; sondern zu ihr treten die beiden anderen als besondere Hinsichten h i n z u. Ähnlich denke ich über Religionen. Die intensive Beziehung eines Moslems zu seinem Gott nachfühlen zu können, heißt nicht, nicht die auratische Gralssuche Parsivals mit ganz einer ebensolchen Empathie miterleben zu können – und die Gründe sehr ähnlich zu fühlen. Daß wir das, als Art, können, macht uns eigentlich aus. Wer einmal Rilkes Marienleben las und es dann noch in der Vertonung Hindemiths hörte, ist unmittelbar gefangen davon, auch wenn er an Maria als Gottesmutter sonst gar nicht glaubt. Für die Dichtungen, i n den Dichtungen (und in der wundervollen Vertonung) glaubt er; er könnte sie sonst gar nicht verstehen. Das gilt übrigens auch für ihre Autoren, und das ist vielleicht das eigentliche Wunder. In dem Moment, in dem ich ein >>>> Mariengedicht schreibe, b i n ich Katholik. Was mich zwei Stunden später aber nicht davon abhalten kann und darf, in einer Sure als Moslem zu träumen oder durchs Dritte Auge, das mir eine gläubige Hinduistin auf die Stirn gemalt hat, sehen zu können. In dieser Fähigkeit zur Gleichzeitigkeit des einander Ausschließenden liegt die mögliche menschliche Größe und n i c h t in der Funktionalität eines moralisch-korrekten demokratischen Staatsbürgers.

Da ich heute über den Tag wohl nicht heimfahren, sondern das erst gegen Abend tun werde, geh ich mal wieder übers Mobilchen ins Netz.

5.38 Uhr:
[Noch immer Schubert a-moll.]
Twoday ist down… grrrr…

6.10 Uhr:
[Flammer, Zweites Streichquartett.]
Die Geliebte, müde, müde, ruft an; die Babies hätten nun auch schon diese Manie, lange vor fünf Uhr früh aufzuwachen und dann tätig sein zu wollen… in zärtlichstem Klageton: „So war ich früher wach als du…“ Ich entdecke alte Aufnahmen völlig neu, etwas d i e s e s Quartett von >>>> Ernst-Helmuth Flammer, sowie sein Bläserquintett mit dem schönen Titel „Mephisto klopft an“. Und hänge schon an der ersten Zeile der Zwölften Elegie, rhyhmisch, fest.

Immerhin scheint (6.38 Uhr) twoday wieder zu funktionieren; nur kann ich kein Bild hochladen. Hm. Dabei hab ich so ein schönes Stilleben-Foto des Cassettenturms der nun schon durchgehörten Streichquartette gemacht. [Aber jetzt, später, 21.36 Uhr:}21.25 Uhr:
[Am Terrarium.]
Alle Kinder schlafen, ich sitze am Wohnzimmertisch und wache. Die Türen je zu den Zimmern lehnen spaltbreit auf. Meinem Jungen, der davon so – im Wortsinn – begeistert ist, wie ich es war, als ich diesen Schatz von Buch zum ersten Mal in die Hand bekam und unmittelbar wußte, es werde eine der Quellen der >>>> WOLPERTINGERs werden, lese ich nun zu jeder Nacht aus dem >>>> Großen Buch der Geister vor; die Kleinen sind ja noch z u klein, leider…Immerhin hab ich eine Seite der Zwölften Elegie fertigbekommen; dann, fast unmittelbar nach dem Mittagsschlaf, ging der DSL-Kram wieder los: >>>> moobicent. Sollte es funktionieren, wäre das eine großartige Invention. Aber ich ahnte schon, da kämen Probleme. Also radelte ich zu meinem Vertreter. Er bekam es zum Laufen, jetzt aber erkennt windows den USB-Port wieder nicht, das heißt, schon, aber er will das Programm nicht installieren. Also werd ich morgen abermals bei meinem, sehr netten, Berater aufkreuzen. Sollte er alles zufriedenstellend hinbekommen, setz ich seiner Agentur einen Link in Die Dschungel. Fair ist fair.
Ich werd jetzt aber noch ein wenig herumbasteln. Mal sehn.

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