Arbeitsjournal. Montag, der 24. September 2007.

4.59 Uhr:
[Am Terrarium. >>>> Anoushka Shankar, Bairagi.]
Heute früh bleibe ich hier. Der Junge fährt auf Klassenfahrt, wir beiden Eltern mögen und werden ihn nachher zum Bus bringen. Viel war gestern, Familientag, auch nicht geschafft, ein paar revidierte Zeilen kam ich weiter im PETTERSSON; immerhin kein Stillstand.

Habe, als ich >>>> beim Turmsegler gestern d a s las, spontan den Entschluß gefaßt, an den Ausschreibungen teilzunehmen. Mußte aber mit Unbehagen feststellen, daß Volker Hage, Literaturchef des SPIEGELs, in einer der Juries sitzt. Er hat gerade mal wieder Miesestes über MEERE, offenbar absichtsvoll Mieses geschrieben; das Buch falle auseinander, sei sehr bald „eine Abrechnung“; es ist wirklich unfaßbar, daß Leute wie er über Bücher ganz auf der Hand liegend Falsches schreiben dürfen, nun auch nicht nur in einer Zeitung, die man eh übermorgen vergessen hat, sondern in einem Buch; also er muß den Roman ja nicht mögen, aber daß er ihn formal so niedermacht, ohne dafür auch nur die Spur einer Begründung vorlegen zu müssen, rein Kraft der meuchelnden Behauptung, ist unfaßbar. >>>> Überzeugen Sie sich bitte vom Gegenteil (aber der Roman wird sehr bald auch als Buch wieder dasein, noch in diesem Monat, spätestens anfangs des nächsten Monats)… – Jedenfalls dachte ich: Wer derart hinterhältig auf MEERE einschlägt, dem ist auch dann nicht zu trauen, wenn Literaturpreis-Ausschreibungen vorsehen, daß die Juroren die Beiträge anonym erhalten (in mit Kennzahlen o. ä. versehnenen Umschlägen); denn man kann dann davon ausgehen, daß, wenn herauskommt, daß möglicherweise ich als Preisträger auserkoren wurde (eher richtig: „wenn meine Texte als Preistexte gewählt sind“, aber genau diesen Unterschied bekommt der Betrieb nicht hin*)… – daß ein Mann wie Hage dann noch im Nachhinein alles unternehmen wird, um meine Einsendung verschwinden zu lassen… Zumal ich >>>>> mit Hage doch im Frühjahr einen ganz freundlichen und arbeitsintensiven Kontakt gehabt habe; da kommt diese Schmiererei über MEERE nun ganz besonders hinterfotzig daher; man kann geradezu von denunziatorischer Energie sprechen. So tanzt mal wieder der Verfolgungswahn in mir. Nur hab ich halt meine Erfahrungen. Als ich seinerzeit als Kandidat in Klagenfurt gehandelt wurde, erfuhr ich, daß Iris Radisch während einer Jurysitzung gesagt habe: „Sollte Herbst hier als Preisträger verhandelt werden, werde ich ich Jury verlassen.“ Da hilft’s nun auch nicht, daß Radisch und Hage ihrerseits verfeindet sind; in manchen Verhältnissen reagieren auch Erzfeinde schlimm solidarisch; Sie wissen schon, die eine Krähe, die nicht der anderen… Ich war derart wütend, daß mich Thomas Hettche, der ebenfalls in der Jury saß, und Marcel Hartges, damals Rowohlt-Lektor und heute Programmchef bei Dumont, in ein Hotelzimmer schleppten und mit den Inhalten mehrerer Zimmerbars abfüllten, damit ich unfähig würde, irgendwelche Dummheiten zu begehen. Tatsächlich war ich aufgefahren da am nächtlichen Wörthersee und wie ein frisch hinter die Gitter gesperrter Puma umhergestreift, wobei ich in Totschlagsabsicht gebrüllt haben soll: “Die werf ich in den See, die werf ich in den See!” Hartges und Hettche sei Dank konnt ich das dann nicht umsetzen; zweifelsfrei hätt ich’s bei gegebener Gelegenheit getan. Aber das wär, hoff ich, unter einen Notwehrsparagraphen gefallen.
Wie dem auch sei, jedenfalls schwanke ich, ob ich überhaupt teilnehmen soll. Das beschäftigt mich nun unentwegt: dieser Widerspruch in mir selbst, doch sehr genau zu wissen, daß es keinen Sinn hat, sich auch nur noch mit irgend einer Hoffnung auf den Literaturbetrieb einzulassen, es andererseits dann aber doch immer wieder zu tun.

[*): W i e sagte mir neulich ein Kritiker ***?: „Das Problem ist:
Ihre P e r s o n steht Ihrem Werk im Weg.“]


Na, ich geh mal wieder ans PETTERSSON-Requiem, für den Anhang der BAMBERGER ELEGIEN.

2 thoughts on “Arbeitsjournal. Montag, der 24. September 2007.

  1. Das ist doch einfach, Herr Herbst: Sammeln Sie die 10 Texte ein, schicken Sie sie hin und vergessen Sies. Folgt etwas Gutes draus: Nun denn, wohl bekomms. Wenn nicht, hat es Sie ein wenig Papier und das Porto gekostet. Vor Küngelei ist man nie und nirgends sicher. Aber wenn Sie dem Betrieb nicht mal mehr die Mühe machen…

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