Arbeitsjournal. Mittwoch, der 17. Oktober 2007.

5.21 Uhr:
[Arbeitswohnung. Hindemith, Das Unaufhörliche.]
Die AEOLIA ist jetzt so formatiert und ausgedruckt, daß das gespiegelte Doppelsonett des Anfangs tatsächlich je Hälfte zu Hälfte auf einer Seite steht, was einen völlig anderen Leseeindruck ergibt und nun “unmittelbar” sofort die Sonett-Form zeigt (bei der die Quartette und Terzette nicht von Reimen, bzw. 10/11-Silbigkeit strukturiert sind, sondern über Hexameter und Pentameter); um mir hier keinen Stilbruch ins Haus zu holen, steht nun auf den dann folgenden Seiten immer relativ wenig darauf, manchmal nur ein Gedicht, manchmal zwei Gedichte, was auf das einzelne Gedicht des Zyklus’ jetzt deutlich mehr Gewicht legt als auf den erzählerischen Fluß.Zum einen entspricht das zwar schon sehr der späteren Buchform, die ebenfalls ein Querformat hat (wie die Vorgängerbücher der jesseschen Serie zu den Äolischen Inseln; die beiden Bilder hier zeigen den ersten der drei bislang erschienenen Bände);zum anderen muß jetzt jedes der Gedichte ganz unbedingt stimmen; kein äußerer Zusammenhang erlaubt nun noch ein Absacken oder Absäckchen der Formulierung. Ich werde heute später den ganzen Text noch einmal durchgehen und ihn auch noch einmal zum Lektorieren an die Freunde und lektorierenden, vertrauten Bekannten schicken, um etwaige Bedenken einzuholen.

Dieses beiseite, will ich die >>>> Scelsi-Variationen wieder aufnehmen, um wenigstens eine weitere zu schreiben. Ich habe mit >>>> Dielmann folgenden Plan ausgekungelt: Wir wollen nunmehr a l l e Gedichte (außer so massiven Zyklen wie den >>>> BAMBEGER ELEGIEN) in der >>>> Aufmachung der Liebesgedichte herausbringen; vielleicht zwei Hefte jährlich. Sind jeweils elf dieser Ausgaben erschienen, wird ein Schuber hergestellt, den sich Interessenten nachkaufen und nunmehr die Gedichte in dem Schuber sammeln können. Das gibt uns die Möglichkeit, mit Subskribenten zu arbeiten: Wer die Ausgaben abonniert, bekommt den Schuber jeweils umsonst. Auf diese Weise finden sowohl die Zyklen als auch Einzelgedichte, von denen solch ein Bändchen bis zu 28 faßt, eine gute Publikationsform. – Ich werde über die Planung weitererzählen, sowie das fest ist. Erstmal muß ja wohl die >>>> Vorzugsausgabe endlich erschienen sein.

Weiterhin, es ist allmählich an die Rahmengeschichte der Anno-1900-Anthologie zu gehen; ich muß mir mal Gedanken über Handlung und Aufbau machen. Und Briefe an den Funk sind zu schreiben, bzw. Anrufe zu tätigen, um Projekte festzuzurren (Marianne Fritz beim WDR; das Stück ist zwar jetzt bezahlt, aber liegt nun immer noch). Zenke vom Deutschlandfunk hat leider auf meinen langen Brief wegen eines AEOLIA-Hörstückes nie reagiert; ich werd ihm wohl etwas anderes vorschlagen müssen, wenn es denn noch einmal zu einer Zusammenarbeit kommen sollte (er wird bald in Pension gehen, was bedeutet, daß ich eventuell keine weiteren Aufträge vom Deutschlandfunk mehr bekommen werde; man weiß ja nie, wer eine vakant gewordene Stelle besetzen, bzw. ob sie überhaupt neu besetzt werden wird). Ich will deshalb auf meine alte Idee zurückkommen, ein Hörstück über Julio Cortázar zu schreiben.

Und mein Artikel über Marianne Fritz ist für >>>> Volltext zu schreiben.

7.37 Uhr:
[Bach, Kunst der Fuge, gesetzt für Streichquartett.]
Seit ich wieder einen Videorecorder habe, kann ich auch die alten Videoaufnahmen wiederhören (rein von Musik, man kam damit schon vor zwanzig Jahren nahezu an digitale Qualität); das führt zu Erinnerungssensationen. Ich hab mal eben durchgerechnet: Wenn ich alle meine Musik-Video-Aufnahmen durchhören wollte (die mit dem seinerzeit revolutionären, aber dann aus der Welt genommenen DSR-Signal aus dem Funk aufgenommen worden sind; seinerzeit; seit dreizehn Jahren hab ich überhaupt kein Radio mehr), könnte ich 25,83Periode Tage lang ununterbrochen Musik laufen lassen. Dazwischen sind Schätze, die es auf keiner Tonträger-Aufnahme gibt, sondern die seit ihrer Ausstrahlung geradezu vergessen in den Archiven der Rundfunkanstalten verbleichen. Zum Beispiel diese jetzt, um 7.52 Uhr, von einem Counter gesungene Meditation:

[Therr Latin Prayers, Giacinto Scelsi.]


Post beantwortet, Termine gemacht, bzw. bestätigt. Und dann die 6. Scelsi-Variation wieder aufgenommen, die mit einem Mal ganz einfach aus der Hand lief und nun schon fast fertig ist, so daß ich gleich noch an eine siebente Variation gehen möchte.

Schöner Satz vorgestern (15.10.) >>>> bei Buschheuer, dort um 18.33 Uhr notiert:

mitleid ist ein im unteren teil der menschlichen gefühlsskala anzusiedelndes gefühl, im bodensatz, knapp über der geilheit, die hier grade nichts zur sache tut.
Und >>>> das Begleitschreiben ist für die tägliche Grundlektüre geschaffen. >>>> Da denkt jemand mit Haltung quer, wohltuenderweise auch mal f ü r Peter Handke.




11.57 Uhr:
Auch >>>> die siebte Variation fertigbekommen. Müde. Mittagsschlaf. (Für >>>> „Titel, Thesen, Temperamente“ kam eine Anfrage für ein Interview herein, >>>> deswegen; jetzt werd ich am Donnerstag eventuell ins Fernsehstudio nach Köln müssen. Der Arbeit schadete es nicht; ich kann ja im Zug arbeiten. Aber vielleicht zieht man die Anfrage wieder zurück, weil ich ein Honorar erbeten habe.)

14.45 Uhr:
Richtiggehend wach am Schreibtisch. Keine Musik, denn jetzt werd ich, sanft korrigierend, den AEOLIA-Neuausdruck lesen.

Ich muß nun n i c h t >>>> nach Köln. Man wird mir am Donnerstag oder Freitag ein Drehteam in die Arbeitswohnung schicken. So können Sie sich am Sonntag abend anschauen, im Fernsehn quasi-live, wie ich arbeite, und ich muß nicht immer wieder Bilder ins Netz stellen. I s t doch was.

23.10 Uhr:
Ich geh mal früh schlafen. Hatte vorhin den zweiten hirnphysiologischen Ausfall innerhalb von vier Wochen: diesmal waren es nicht die Augen, die plötzlich dreivier Minuten lang schielten; diesmal ging mir der Boden unter den Füßen weg. Es war da etwa 18 Uhr, als es mich erwischte. Fünf Minuten stand ich Am Terrarium an die Tür gelehnt und wartete den Anfall ab, wartete ab, daß der Boden, der schwang, sich wieder setzte. Es war eher ein komisches Gefühl, als daß es mich erschreckte; es hatte wirklich Komik. Wahrscheinlich sagt mir mein Körper: Wenn du deinen sowieso schon nur wenigen Schlaf nun noch auf drei Nachtstunden reduzieren willst, dann wehre ich mich.
Womit er ja recht hat, Mittagsschlaf hin und Mittagsschlaf her.

Es gab n o c h was. Aber davon will ich heute noch nicht, und sowieso nicht mehr jetzt, erzählen.

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