Abschiedsjournal. Donnerstag, der 24. Januar 2008. Hausach.

6.25 Uhr:
[Hausacher Hegerfeld.]
Mein Arbeitsrhythmus gerät durcheinander, wobei auch „Arbeit“ wie hier in Häkchen gehört. Andauernd klingelt das Telefon, ja auch verständlicherweise; für gestern abend meldete sich eine Verwandte des anderen Verwandtenkreises an, höflich und formvoll, eh, weil aus diplomatischen Kreisen; wir gingen essen, sahen uns zum ersten Mal und hatten einander sehr viel zu sagen; bis zwölf Uhr nachts saß sie dann noch hier und leerte mit mir eine Flasche sehr guten Rotweins aus den, vermeinte ich, Beständen ihres Vaters noch, der der zweite Mann meiner Mutter gewesen ist. Davon träumte ich, seltsam, träumte auch ein erstes Mal von i h r; nichts Erhabenes, nichts Schauriges, eine einfache Alltagssituation, in der sie hier in ihrer Wohnung steht, eine Zeitung oder ein Buch in der Hand, halb mit dem Rücken zu mir, und dreht sich halb zu mir um und lächelt auf ihre spezielle Weise, mit geöffneten Lippen, so daß man die starken Zähne sah, die sie hatte. Auch das ist ein Bild. Und ich träumte von diesem Fruchtgetränk, „wollen Sie vielleicht etwas“, ich hab den Namen vergessen, leider, „****wasser? Da in der Flasche?“ „Was ist das?“ „Wir nannten es immer ‘Familienwein’… wie Rotwein, versuchen Sie’s. Aber nur ein Achtel vom Alkohol.“ Sowas träumt mir.

Die unausgesetzte Kette des Mobilchen-Weckers, der in zehn-Minuten-Abständen weiterklingelt, von halb fünf bis Viertel vor sechs. Bis ich endlich aufstand. Mir wäre nach Musik (habe begonnen, mich quer durch die CDs meiner Mutter zu hören; alte Erinnerungen auch: Esther und Abi Ofarim), aber das lasse ich bleiben heute früh, weil ich gleich an die Dritte Bamberger gehe. Gestern nacht, nachdem der Besuch fortwar, hab ich noch die Korrekturen der Zweiten übertragen, die Zweite ausgedruckt, dann wollte ich sie mir vorlesen, aber begriff nichts mehr richtig, und, statt ins Bett zu gehen, sah ich mir Quatsch im Fernsehen an. So wurde es fast halb zwei. Kontraproduktiv, sowieso, in meiner Arbeitsdruck-Situation.
Heute ist erst einmal Wartetag; ohne die Sterbeurkunde kann ich nichts weiter tun; die bekomme ich frühestens heute gegen Abend oder frühestens morgen vormittag. Dann muß ich mich um das eventuell vorhandene Testament kümmern. Weitere Verfügungen sind dann erst im Februar möglich, wenn ich wiederkommen werde. Morgen nachmittag möchte ich eigentlich zurückfahren, heimfahren.

Spätabends auch noch ein Anruf der Mitverlegerin der AEOLIA; Kondolenz mit sehr schwerer Zunge; und es hat mit dem Buch Verzögerungen gegeben. „Aber wir kriegen das hin.“ Ich hab nur verbal mit den Schultern gezuckt. Auch da ist offenbar Schweres. Als ich gestern noch einmal einen Blick auf die Fahnen warf, erst da, sah ich, daß man auf der Titelseite Homer wie Hummer gesetzt hatte, bloß mit ‘o’; da mußte ich sehr lachen. Ein ganz typischer Fehler: weil er so offenbar ist, ja derart ins Auge springt, übersieht man ihn. Die Täuschung der offenen Hand.

Guten Morgen.

8.27 Uhr:

Leben.
[Ich werde solche Bilder fortan mit meiner Mutters kleiner Digitalkamera aufnehmen; ich denke, sie hätte dagegen keinen Einwand gehabt.]

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