Arbeitsjournal. Freitag, der 4. April 2008.

5 Uhr:
[Am Terrarrium.]
Heute morgen und vormittag bleibe ich hier, um „Kinderdienst“ zu versehen, und werde erst zum Mittagsschlaf oder danach in die Arbeitswohnung radeln. Ich will in der >>>> Geschlechterdiskussion lesen, was sich nachts tat – einiges scheint es ja gewesen zu sein -, vielleicht meinerseits etwas hinzukommentieren und danach gleich mit den BAMBERGER ELEGIEN weitermachen, soweit mich der Zwillingsbub lassen wird, der zu beaufsichtigen ist, weil das Mädchen zu einer Kontrolluntersuchung muß. Schön ist, daß er immer still wird und ganz fasziniert zuschaut, wenn man musiziert. Es kann also sein, daß ich erst einmal mehr Zeit mit dem Cello als mit dem Laptop verbringen werde. Daß Die Dschungel innerhalb der twoday-Charts mit der Geschlechterdiskussion seit gestern abend auf dem ersten Platz gelandet sind, will mir im übrigen bezeichnend vorkommen: es wird hier sehr viel mitgelesen und sicher auch von Frauen; es ist deshalb ein wenig schade, daß sich dererseits kaum beteiligt wird; das betrifft auch die Frauen, die gelegentlich in Der Dschungel kommentierten oder kommentieren, Frau a. etwa, G.A.Bürger und weitere, wie auch die Beiträgerinnen vom Rang >>>> Cellinis. >>>> June mag ich da gar nicht erst erwähnen, die wär doch eine der ersten, hier begründet einhaken zu können. Aber eben auch insgesamt die Leserinnen, von denen Die Dschungel sehr viele haben; ich weiß das allein schon über persönliche Emails, die ich immer wieder erhalte. Ganz verständlich ist mir diese Zurückhaltung also nicht; andererseits könnte gerade sie ein Ergebnis patriarchaler Strukturen sein, oder es hat sich die Frage für einen Großteil von Frauen längst erledigt, ähnlich wie für die Männer, die das hier ja unumwunden auch so darstellen. Mehr als einen Raum bieten jedenfalls, dessen Boden, Wände und Decke vorurteilslos genug sind, um auch Vorurteile, neben Urteilen selbstverständlich, einander begegnen zu lassen, kann ich hier nicht. Ich hätte auch gerne gesehen, etwa >>>> von der Hundertköpfigen selbst, wie einer der als phallozentristisch bezeichneten Texte, egal welcher, meinerhalben auch einer von mir, auf diesen Phallozentrismus sprachlich analysiert und so dann den Lesern vorgestellt wird. Erst dann wäre man ja über eine reine Behauptung hinaus, hätte Belege und könnte deren Interpretation stützten oder – ebenfalls argumentativ – verwerfen. Noch interessanter fände ich den Aufzeig sprachlicher Alternativen. Aber noch ist der Beitrag ja nicht abgeschlossen.
Guten Morgen. Ich trinke warmen Kaffee und war auch schon auf der Schönhauser drunten, die noch nach nachts riecht; so roch sie betont, als ich den Rauch der ersten Zigarette hineinblies und einer Frühmetro zusah, die vorm Haus über der Allee heranrauschte, als wäre ihr Lärm gedämpft, und weiter ihrer Strecke zog; hinter den erleuchteten Waggonscheiben saß nur vereinzelt ein Mensch.

[“noch nach nachts” statt “noch nach Nacht”: welch schöne, etwas ganz Eigenes ausströmende Variante mir das eingefallen ist – zugleich ein entmachtetes, ein verflüssigtes Substantiv.]

13.45 Uhr:
[Arbeitswohnung und latte macchiato.]
Tatsächlich nur Cello geübt (der Bub, der sonst viel schreit, ist dann immer ganz ruhig; sitzt davor und hört zu oder lacht schon mal auf seine Kleinstkindweise, wenn ich anfange, die Stücke witzig zu ändern) und etwas auf Dschungel-Beiträge reagiert; na gut, drei weitere eigene Beiträge nebenhin noch entworfen und ein Gedicht angefangen: „Umarmung alter Eheleute“, wobei ich mit „alt“ eigentlich „langjährig“ meine, das aber als Wort nicht paßt, und ein anderes, das angemessen wäre, habe ich noch nicht gefunden. – Dann den Mittagsschlaf, als b e i d e Babies wieder da waren (der Achtjährige ist in der Schule), mit denen beiden getan. Schrieb ich schon mal, wie sehr gerne ich Vater bin? Übrigens ein ziemlich autoritäter, denk ich manchmal. Und jetzt bin ich hier hergeradelt, habe die PAVONI zischen lassen und, während sie zuvor ihr Wasser erhitzte, noch mal schnell das Cello vorgenommen. Es ist wirklich nicht „wie“, sondern es i s t eine Sucht.
Dann sah ich, daß sich wieder einiges in Der Dschungel getan hat während meiner dieserweitigen Unaufmerksamkeiten; etwa hat die Hunderköpfige >>>> zu meinem Torfgedicht etwas geschrieben, das mich auf Anhieb fasziniert hat und worauf ich später noch antworten will. Wiederum las ich bei >>>> June von >>>> etwas, das mich so eigenartig unruhig stimmte, daß ich ihr sofort eine Nachricht schreiben mußte, von der ich wiederum befürchte, daß ich nun keine Antwort mehr bekommen werde. Ohnedies hatten wir, seit ich wieder mit der Geliebten zusammenbin, kaum mehr einen nennenswerten Kontakt.
Ich muß mich disziplinieren und, bevor ich jetzt zu den verschiedenen Kommentaren Stellung beziehe, mit den BAMBERGER ELEGIEN weitermachen.

Die Redakteurin vom WDR rief wegen der Marianne-Fritz-Produktion an; wir haben den Termin für die Woche vom 5. bis 9. Mai jetzt festgeklopft; um meine Sprecher darf ich mich selber kümmern (es ginge auch anders, aber so habe ich die Möglichkeit, meine Vorstellungen noch weiter zu realisieren). Es muß schwierig gewesen sein, mich als Regisseur durchzusetzen; den bestimmt sonst immer der Sender (er hat da auch seine Hausverträge), aber man habe mir eine junge Regisseurin vorsetzen wollen, die sonst eher „halligalli“ mache – Frau *** meinte mainstreamig Schickes -, und da sei es dann vergleichsweise einfach gewesen, das Schicksal der Produktion noch einmal in die mir vorschwebende Richtung zu drehen. Also werde ich Antje von der Ahe anrufen, Otto Mellies anrufen, Wolfgang Conrus anrufen – und ich brauche vor allem noch zwei weitere Frauenstimmen, auf deren Auswahl ich mich bei den dreien verlassen will; sie kennen die Berliner Sprecher- und Schauspielerszene besser als ich; ich hätte gern eine Stimme von um die 45/50 – was durchaus nicht immer identisch mit dem tatsächlichen Alter einer Schauspielerin ist. Außerdem gilt, was Manfred Mixner, ehemals Hörspielchef des SFB, mit einmal gesagt hat: „Das Mikrophon ist ein Intelligenztest, ganz anders als die Theaterbühne.“
Bis Montag früh um neun muß obendrein bei der Redakteurin ein Text für die Programmvorschau vorliegen; ich soll dafür auch noch einen „guten Titel“ finden. Dabei finde ich meinen bisherigen Titel eigentlich schon ganz wunderbar: UND ALSO ES GESCHAH. Ach so: Und zum ersten Mal in meiner Regie-Geschichte bekomme ich einen Regieassistenten beigestellt, der den ganzen Formularkram übernimmt. Man will dieses Stück mit dem gesamten Aufwand eines Hörspiels, nicht etwa eines Features, produziert habe, inklusive der 5-Tages-Dauer. Damit bin ich dort angelangt, wohin ich mit meinem Konzept des “poetischen Features” immer wollte: auch hier die Kategorien aufzulösen.

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