Arbeitsjournal. Dienstag, der 27. Mai 2008.

5.16 Uhr:
[Arbeitswohnung. Britten, Suiten für Cello solo.]
Diese Stücke gehören ja schon seit langem zu meinen Lieblingsmusiken. Aber als ich eben die Tür aufschloß, durch die Nacht nicht mehr, sondern jetzt immer schon einen frühen Tag hergeradelt, so hell ist es morgens und so fastwarm auch schon, doch mit diesem Parfumspritzer Kühle unter den Achseln, mit der die Nacht selbst Sommermorgen deodoriert – als ich mich hindurchgezwängt hatte (wegen der Bücher auch im Flur, der uralten Leitzordner und Manuskripte, wegen der Schuhe und sowieso dem ganzen Zeug, das da mehr oder minder aufeinanderstapelt ist), kam mir momentlang ein Tier entgegen. Es ließ sich nicht sagen, ob es sich um eine aber dann wirklich sehr große Raupe handelte oder um Adams’ >>>> main dish of the day, jedenfalls hatte es Borsten, oder um einen langen Hund mit extraterristischem Gesicht: auch ließ es sich nur sehr kurz sehen, peste auf seinen mehreren Beinen kurz in den Flur, sah eigentlich scheußlich aus, wäre es nicht wiederum niedlich gewesen – und zog sich wie eine Spontanerscheinung wieder zurück. Es blieb von da an auch wieder verschwunden. Ich habe keine Ahnung, wo es hin ist, aber dachte, als ich den latte macchiato an der Pavoni vorbereitete: Das war dein böses Tier.
Nein, ich halte diese Erscheinung nicht für Wirklichkeit. Aber ich hatte sie. (Es gibt keine Spuren; ich dachte an getrocknete Schleimspuren, wie Schnecken sie hinterlassen und die man wie schmale Pergamentstreifen abheben kann). Ich sollte mal wieder die >>>> Traumprotokolle reaktivieren; ich bin mir sicher, daß >>>> Malos die Erscheinung ausgelöst hat und daß es vielleicht gar nicht gut war, ihm so ohne weiteres einen Contributoren-Status zuzugestehen und dann auch noch zu drängen. Ich kann das hier so ohne weiteres schreiben, weil er das ohnedies ahnen wird; er hat etwas vor. Sollte er dabei zu weit gehen, werde ich Ihnen von unserer Bekanntschaft mehr erzählen; einstweilen laß ich das noch bleiben. Überrascht bin ich lediglich davon, daß er hier jetzt wieder auftaucht; wobei er ja gar nicht nah sein muß; er könnte auch, wohin er sich seinerzeit vor den Fängen der Staatsanwaltschaft zurückzog, von Kanada aus schreiben, immer noch dort sein und nur so tun, als wäre er wieder im Abendland. (Die Bekanntschaft reicht in meine Börsenzeit zurück, Prudential Bache, 1987 oder 88). Abwarten.
Dann noch Post von einem Freiherrn Hazzi:Sehr geehrter Herr von Ribbentrop,
trotz angespannter Haushaltslage (…) wies mich seine Exzellenz Graf Montgelas an, 2 Napoleon’dor (…) an ihren Kompagnon zu überweisen. Ich kam dem nach.
Mit den besten Grüßen
Freiherr Joseph von Hazzi.
Staatsminister
Wenn ich nun 1) >>>> bei Google nachsuche, komme ich auf „Erste Ansichten der Waldungen und Förste“, was mir eigenwillig auf Die Dschungel zu passen scheint; und 2) sowieso nachdenke, dann weiß ich ja gar nicht, wie der Mann mir was überwiesen gekonnt haben will, da ich ja pfändungshalber gar keine Konten mehr habe. Und wie geht das überhaupt: daß Tote Geld transferieren; ist das für historische Tote vielleicht leichter als für bürgerlich-anonyme? Gibt es im Jenseits die Privilegien weiter? Ich habe dieserhalb an die Absender-Email-Adresse zurückschreiben wollen, das aber seingelassen, weil ich in diesen Belangen sicherheitshalber diskret bin. Sollte das Geld irgendwie dennoch ankommen, kann ich es verwenden, um die Reparatur des Fahrrads meines Sohnes zu bezahlen, das ich gestern in die Werkstatt geben mußte; ich hätte es mir andernfalls irgendwo leihen müssen, so knapp ist’s gegenwärtig mal wieder.
Anderswelten, wohin immer einer blickt. Mir träumte, die Straße des 17. Junis, die die Stadtplaner genitivisch immer noch falschschreiben, nämlich ohne „s“, sei vom Brandenburger Tor bis zum Großen Stern gesperrt; mir träumte aber nicht, weshalb. Aber weshalb ich das t r ä u m t e, weiß ich: weil der Profi zurück ist von der Antlantiküberquerung im Segler und sich mit mir heute abend >>>> in der Bar treffen will; ich erwarte Erzählungen von Riesenkraken. Übrigens habe ich, u.a. ich, von der Bar einen neuen Auftrag: etwas über Biere zu schreiben für ein neues Coffeetable-Buch; als Honorar sind 1000 Freibiere vorgesehn, so daß man eigentlich zum 5jährigen Bestehen der Dschungel zum 29. September 2008 eine Jubiläumsfeier ausrichten könnte.

Jetzt aber an die BAMBERGER ELEGIEN, ff.

Ach so, Guten Morgen.

9.26 Uhr:
So, ans Cello. >>>> Eine Passage abgeschlossen. Und zwischen Celloüben und Celloüben frühstücken: vom geräucherten Schwarzwälder Bauchspeck schneiden, der s e h r fest jetzt schon ist und immer besser schmeckt, dazu auf Graubrot zwei Spiegeleier – und über alles viel gemahlenen schwarzen Pfeffer.

10.29 Uhr:

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