farben…

…. aufräumen, ordnen, durchsehen, aussortieren, in die hand nehmen, mich fragen, was sie mir bedeutet haben, und ob sie mir heute noch etwas bedeuten. die schranktüren öffnen, gerade noch verhindern, dass mir alles entgegenfällt. ein schmales etwas kann ich mit der hand noch auffangen… eine tube chromoxidgrün, am unteren ende schon bis zur hälfte eingerollt. die kombination mit magenta, weiß und schwarz, die in der verdünnung oder verdickung unter zuhilfenahme von strukturgebern die farben dreidimensional wirkend auftrug, quer durch alles verlaufend ein dicker silberdraht, kann ich gut erinnern. auf holz malte ich das, die natürlich verlaufende holzmaserung verstärkte den gesamteindruck des dreidimensionalen noch. das bild hängt heute bei einem freund im flur, über einem schiefergrauen recht groben steinfußboden an einer roh geputzten wand. es ist ein bild mit großen maßen, ich hatte damals kaum platz, denn ich malte es im wohnzimmer, musste immer drumherum gehen. lange lag es da, bis es für mich fertig war. einen namen trug es nicht.
farben an sich kann man nicht eindeutig mit worten definieren. man versuche mal, die farbe rot mit eindeutigen worten zu definieren. es geht nicht. rot ist rot. man kann eine geschichte über schwarze schafe schreiben, feststellen, dass es farben gibt, die dazu in der lage sind, temperaturwechsel in der möglichkeit eines eigenen farbwechsels anzuzeigen, ich kann eine ausstellung der farbe rot widmen, sagen, in weißen autos fährt man sicherer, weil sie schneller gesehen werden, mir gedanken über das farbsystem eines aron sigfried forsius machen, dabei zusehen, wie forscher es schaffen, aus weißen seidenkokons gelbe werden zu lassen, mich fragen, wie das gelb in das hühnerei kommt, gleichzeitig lesen, dass in der chinesischen farbenlehre die farben den elementen zugeordnet sind, und wissen, dass titandioxid seit jetzt gut einhundert jahren für ein strahlend haltbares weiß sorgt, mich fragen, warum nikolaus und der papst einen roten mantel tragen, weshalb schnee schneeweiß ist, obwohl er das ja eigentlich nicht ist, dabei an den weißen garten von schloss sissinghurst denken, in dessen garten nur weiße blumen blühen, überlegen, warum das grau zu einer business- und bürofarbe geworden ist, warum die olympischen ringe die farben haben, die sie tragen, auch bei der vergabe von wappen wachten die herolde darüber, dass die richtigen farben verwendet wurden, kann rätseln, warum aluminium die hortensien blau macht, und warum kleine mädchen immer rosa tragen sollen und die kleinen jungen hellblau. farben kann ich eigenschaften zuordnen, ich kann beschreiben, mit welcher empfindungswirkung ich sie verbinde, mich darüber informieren, aus was sie bestehen, sie in ihre bestandteile zerlegen. ich kann sagen, der stuhl ist rot, oder der mantel ist rot. will ich “rot” mit eindeutigen worten definieren, weiß ich zwar, was ich sagen will, kann es aber nicht. es gibt einen edelstein, der unter blaukräftigem tageslicht grünlich erscheint, aber im licht einer kerze rubinrot. welche farbe hat dieser dann wirklich. ich versuchte schon immer, wenn ich mir farben ansah, nach dem in diesem moment auf das auge fallende licht zu suchen, dieses ist ausschlaggebend dafür, wie wir diese farben sehen, was natürlich ein hoffnungsloses unterfangen war, aber dieses wollen stand schon immer im raum.
ich malte einmal eine dreierreihe eines bildes, völlig gleich bekam ich sie natürlich nicht hin. es waren kleine bilder. im flur an der wand unter verschiedenfarbig leuchtenden lämpchen hängend erzeugte das einen interessanten eindruck. wenn diese eingeschaltet waren, sah man sehr unterschiedliche farbwelten, wenn sie ausgeschaltet waren, sah es so aus, als ob die bilder alle die gleichen farben trugen. der freund, bei dem das bild im flur hängt, hat über dem bild eine lichtleiste mit wechselbaren farben angebracht. „dein bild sieht immer anders aus, wenn ich das reinweiße licht einschalte, knallen die farben unter ihre eigene oberfläche, schalte ich das rote licht ein, geht alles nach innen, wird erde, von magma durchbrochen. jeden morgen werde ich opfer meiner eigenen illusion.“ „vielleicht sollte man einen filter vor das bild hängen, der nur eine seiner farben verändert, das wäre dann das illusionäre feststellen eines wirklichen unterschieds“ grinste ich. „magst noch einen kaffee?.“ „wie du weißt, hatte ich heute morgen schon zwei.“ „wie wäre es mit einem dritten?.“
die kleine tube chromoxidgrün ist inzwischen warm geworden in meiner hand, der kaffee in meiner kaffeetasse kalt. ich gehe in die küche, drücke den knopf der kaffeemaschine, ein grinsen kann ich mir nicht verkneifen, der dritte und vierte kaffee waren damals ziemlich heiß, auf dem stuhl an meinem arbeitsplatz saß an diesem tag niemand.
ich räume die ganzen kisten und schachteln aus. farben die ich noch verwerten kann, werden neu eingeordnet, die anderen wandern in den müllsack, pinsel und spachtel werden begutachtet, und wie die gläschen und töpfchen nicht aussortiert. alles wird ausgeräumt und neu geordnet, ich glaube, ich bin dabei, in dieser stadt anzukommen.