Wo soll ich fliehen hin.10.09. 2008. Paul Reichenbach übersah den Sommer und hofft nun auf den Herbst.

Wo soll ich fliehen hin? der Tag will kühle werden/
Die Gnaden-Sonne neigt sich weit von mir zur Erden/
Von fernen dräuet mir Zahnklappern finstrer Grufft/
Von Hinten schrecket mich das Stürmen schwartzer Lufft:
Wie sich ein Aespen-Laub bewegt/
Wenn Eurus Zweig an Zweige schlägt/
So sieht man unter solchem Wittern
Mein höchsterschrocknes Hertze zittern.

Hans Aßmann Freiherr von Abschatz,
Buß-Gedancken bey grosser Hitze

Aufgeschreckt durch die Bemerkung von ANH über eine Lesung auf der Frankfurter Buchmesse wurde mir bewusst wie die Zeit vergeht und, dass ich noch keine Karte für die Messe geordert habe. In den vorigen Jahren hatte ich das meist bereits im August erledigt. Aber dieser Sommer, der sich, wie heute wieder zu erleben ist, jedenfalls noch etwas gegen den Herbst stemmt, was ihm nichts nützen wird, lief dieses Jahr an mir vorbei und grüßte nicht. Kann gut sein, dass er sich dachte, der Mann nimmt mich angesichts seiner Sorgen sowieso nicht wahr, da brauch ich auch mit keinem besonderen Sonnenstrahl auf mich aufmerksam zu machen. Möglich ist aber auch, dass ich seinen Gruß einfach, weil viel zu viel beschäftigt, nicht bemerkte. Ob sich die Lage, wenn die Blätter fallen, ändern und der Herbst mir lässig die Hand drücken wird, kann ich heute noch nicht sagen. Das hängt nicht allein von mir ab; obwohl er mehr Chancen als sein Vorgänger hat mich zu treffen. Nächste Woche zum Beispiel, ich fahre für 4 Tage nach Quedlinburg, könnte er mir als Spätsommer getarnt, hoffe ich, im Harz begegnen. Oder noch besser wäre, er käme mit milden Temperaturen gegen Ende des Monats, weil da Bruno mit seinem neuen Auto über die Alpen an den Main kommt. Ich freu mich schon heute darauf gemeinsam mit ihm Frankfurts Kneipen etwas unsicher zu machen. Vielleicht kann ich ihn überzeugen, wenn Bruno denn Interesse hat, mit mir ins Schauspiel Frankfurt zu gehen. Fällt doch genau in seine “Zeit”die Premiere einer Arbeit von Heiner Goebbels.

WENT TO THE HOUSE BUT DID NOT ENTER

SZENISCHES KONZERT IN DREI BILDERN VON HEINER GOEBBELS MIT TEXTEN VON T. S. ELIOT, MAURICE BLANCHOT, SAMUEL BECKETT
Konzept, Musik und Inszenierung: Heiner Goebbels; Bühne und Licht: Klaus Grünberg; Kostüme: Florence von Gerkan; Raumakustik: Willi Bopp

Mit dem Hilliard Ensemble, David James, Countertenor, Rogers Covey-Crump, Tenor, Steven Harrold, Tenor, Gordon Jones, Bariton .

Dauer 1 h 30 min ohne Pause

Der Titel dieses szenischen Konzertes, das mit dem weltbekannten Vokalquartet Hilliard Ensemble entwickelt wird, signalisiert bereits, dass nicht viel passieren wird. Aber vielleicht gehört das zu den Geheimnissen der Arbeit von Heiner Goebbels, dass sie ohne das große Spektakel auskommt und dennoch eine große Anziehung auf den Zuschauer ausübt. I WENT TO THE HOUSE BUT DID NOT ENTER ist ein szenisches Konzert in drei Bildern, in sich abgeschlossen und jeweils einem Text der Literatur des 20. Jahrhunderts gewidmet. Obgleich streng voneinander getrennt, haben diese unterschiedlichen Texte doch eines im Blick: einem fragmentierten anonymen ›Ich‹ viele Stimmen und Facetten zu verleihen. Allen Texten ist das Misstrauen gegenüber linearen Erzählformen gemeinsam, auch wenn die Texte voller Geschichten sind. Diese Erzählungen geben ihren oft paradoxen Sinn nur preis, wenn wir sie als Zuhörer vervollständigen.

>>>>> Bildquelle: A. Morley, Jan Gabarek & the Hilliard Ensemble
Durham Cathedral

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