Cage in Halberstadt. 25.09.2008. Paul Reichenbach von C’ in As’

„Und doch spürt er auch wieder, wie ihn diese Gegenstände und Räume anziehen. Solche Räume sind viel stärker als wir, sie saugen die Zeit auf und rufen uns, je älter wir werden, in die alten Zeiten zurück. Es ist wie ein Bann, als wollten sie uns doch noch bekehren, die Zeit hier und nicht anderswo zu verbringen“ (Hanns-Josef Ortheil).

Ohne Vergangenheit ist Gegenwart nicht existent, denke ich auf dem Weg vom Dom zum >>>John-Cage-Projekt in Halberstadt. Eine Binsenwahrheit. „Organ2 /ASLSP – As slow as possible“ hat Cage sein Musikstück getauft, das bis 2640 in der Burchardikirche zu hören sein wird. Ein warmer Ton dringt durch die geschlossene Tür der Kirche. Wer Einlass begehrt soll sich bei der Cage-Stiftung melden, lese ich am Portal. Leider war dort niemand vor Ort. Ergo ziehe ich, den breiten, schwebenden Ton im Ohr, etwas enttäuscht wieder ab. Schwöre mir aber an diesen Ort noch einmal zurückzukehren. Der derzeit aktuelle Impuls klingt als eingestrichenes c und as in die Welt. Der Versuch einer permanent sich beschleunigenden Welt eine Langsamkeit via Klängen entgegen zu setzen, lässt mich gleich geruhsamer, obwohl ich doch schon längst im Auto gen Frankfurt sitzen soll, zum Parkhaus schlendern. An der Parkhauskasse, den Klang von Ewigkeit noch immer im Ohr, Gedränge und Ungeduld von Halberstädtern, die noch dringend irgendwohin zu wollen scheinen. So langsam wie möglich, nehme ich mir beim Einsteigen in mein Auto vor, werde ich nach Haus fahren. Wissend, dass die Spur von meinen Erdentagen in Äonen untergehen wird. Cages Projekt dagegen wird in sie eingehen. Vanitas, Demut angesichts von Vergänglichkeit, und das scheint mir die eigentliche Botschaft von „Organ2 /ASLSP“, ist des Komponisten Sache nicht. Und so höre ich auf der Heimfahrt, ohne an die neue Tulpensorte zu denken, die ich einmal äschern in Schwung bringen werde, stereophon Saties Gymnopédies, deren Klänge mir zuflüstern, dass nicht alles eitel ist, was musikalisch, bildnerisch und poetisch, Räume, Zeiten, Glück oder Unglück ästhetisch erfahrbar macht.

P.S. Kleiner Scherz am Rande: Das Prinzip Entschleunigung – Cages Werk ein Diskussionsbeitrag zum Tempolimit auf „höherer“, anderer Ebene.

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