nein sagen….

….. wenn der chef etwas will, konnte ich schon immer gut. es gab jahre in meinem berufsleben, da setzte ich mich mit meinem nein in die nesseln, weil ich es nicht konsequent genug sagte. als ich begann, es ausdrücklich zu sagen, galt ich von dem zeitpunkt zwar als unbequem, aber es wurde besser, aber manchmal auch nicht, dann packte ich jedes mal meine sieben bigbeeren, und ging einfach. meine erste ausbildung war die zur zahnarzthelferin, nach zwei jahren dieser bei diesem chef ging ich eines mittags in die küche, wo unsere spinde standen, zog meinen kittel aus, und ging. zu hause angekommen sagte ich meiner mutter: „ich geh da nicht mehr hin.“ „warum nicht?“ „ich mache nicht fünf mal den sterilisator sauber, wenn er vier mal davon vorher sowieso schon sauber ist.“ die reaktion meiner mutter war entsprechend. lehrjahre wären keine herrenjahre… und so. ich ließ mich nicht beirren, legte noch einen drauf, und zeigte meinen ehemaligen chef bei der kammer an, er durfte sechs jahre lang nicht ausbilden. einen neuen ausbildungsplatz fand ich sehr schnell bei einem anderen zahnarzt, bei dem ich diese ausbildung beendete. danach arbeitete ich knapp zwei jahre in einer neu gegründeten praxis, auch hier erkannte ich sehr schnell, dass erwartet wurde, dass ich morgens, vor betreten der praxis, rechts an der tür mein gehirn abgab, was ich natürlich nicht tat. in dieser praxis lief nichts, wirklich nichts, so… wie es hätte den gesetzlichen bestimmungen, alle abläufe dieser praxis betreffend, entsprechend laufen müssen. immer wenn ich etwas ändern wollte, was ich meistens erst einmal tat, ohne dem chef das zu sagen, zuckte er nach meiner bekanntgabe ihm gegenüber mit den schultern und sagte: „ja, wenn sie meinen das das notwendig ist, dann tun sie das doch.“ als es dann soweit war, dass ich erkannte, dass er kariöse defekte in den zähnen der patienten einfach beließ, weil er sicherstellen wollte, dass sie im nächsten quartal wiederkamen, reichte es mir. während einer auseinandersetzung mit mir sah er mich plötzlich an: „wissen sie was?… ich könnte für die höhe ihres gehaltes einen wesentlich qualifizierteren assistenten einstellen.“ „wissen sie was?, dann tun sie das doch.“ wieder zog ich meinen kittel aus, und ging. den rest besorgte dann eine kollegin, die auch die schnauze voll hatte, sie zeigte ihn bei der kammer an, er bekam berufsverbot.
die jahre danach verbrachte ich bei einer versicherung, lernte noch einmal versicherungskauffrau, machte dann meine fachwirtin, anschließend die betriebswirtin. aber auch hier erlebte ich, dass ich nicht einfach die dinge tun konnte, die mir gesagt wurden, nur weil sie mir gesagt wurden. seit vielen jahren nun arbeite ich als sekretärin/assistentin, machte, nachdem meine tochter aus dem haus war, noch einmal an der europäischen sprachschule eine nebenberuflich mehrjährige ausbildung (übrigens verschwieg ich damals, als ich mich hier in dieser firma, vor 8 jahren bewarb, meinen betriebswirt. ich ließ ihn unter den tisch fallen, weil ich mit diesem abschluß in diesem von mir gewollten job überqualifiziert gewesen wäre, somit diesen job nicht bekommen hätte. ich erkannte sehr schnell, dass meinem jetzigen chef mein abschluß auf der europäischen sprachschule viel wichtiger war. in der schweiz arbeitete er viele jahre mit einer assistentin zusammen, die eben auch genau diesen abschluß hatte, der international anerkannt ist). im laufe meiner damals folgenden berufsjahre als assistentin lernte ich, mit dieser „meiner problematik“, die ja für mich keine ist, diplomatisch umzugehen, was mich viel schweiß und auch sehr viel tränen kostete. heute funktioniert es besser. ich bin derart rigoros, wenn ich etwas verneine, dass mein jetziger chef zwar verwundert die augenbraue hebt, aber fragt: „wieso nicht.“ ich begründe es dann, aber ich muss ab und an sehr auf die art und weise achten, dass er sich durch mein anzweifeln nicht auf seinen persönlichen schlips getreten fühlt. letzte woche gab er mir werte, die bei uns regelmäßig angefragt, von uns dann bearbeitet, kalkuliert, für begrenzte zeiträume weltweit festgesetzt, und dann verschickt werden. „gleich rausschicken, es eilt.“ ja, ich sah das, sah aber auch noch etwas ganz anderes, überlegte einen kleinen moment, ging dann rein zu ihm, der chef unseres controllings, von dem er diese werte hatte, saß neben ihm. ich sagte nicht: „das können sie so nicht rausschicken“, sondern ich sagte: „ich verstehe da was nicht.“ er sah mich an: „was verstehen sie nicht?“ diese werte waren von einem falschen zeitpunkt ausgehend linear berechnet worden, weshalb sie so nicht rausgegeben werden konnten. ich sagte ihm einfach, dass ich die zeiträume mit ihren werten nicht verstünde, weil die dritte berechnungsvariante die erste und zweite komplett aushebelte, deshalb die möglichkeit der grundlage der vierten, die dringend benötigt wurde, die mein chef aber von der zweiten (er hätte die dritte nehmen müssen) ausgehend kalkuliert hatte, nicht zur verfügung stellte. mein chef brauchte tatsächlich fast vier minuten, bis er begriff. unserem finanzminister sah ich seinen roten ohren an, dass er eher verstanden hatte. er nahm er mir das papier aus der hand, sagte leise: „sie hat recht.“ ich sah ihn an: „also bitte, ich stehe zwar hier als dritte person, bin aber trotzdem anwesend.“ „entschuldigen sie bitte, s i e h a b e n recht.“ mein chef guckte ganz ungläubig: „jetzt erklären sie mir nochmal, was sie nicht verstehen.“ ich erklärte es noch mal. „scheiße, sie haben recht… jetzt können wir den ganzen mist nochmal machen. rufen sie die kollegen aus süddeutschland und italien an, dass müssen wir sofort korrigieren.“ „chef, ich hab sie doch noch garnicht rausgeschickt.“ „sie haben sie noch nicht rausgeschickt?“ „was meinen sie eigentlich, warum ich hier stehe… glauben sie allen ernstes, ich schick diese werte raus, und sage dann, dass ich etwas nicht verstehe?“. er sah mich an: „sie müssen mir noch zeit geben, frau xxxxx. ich muss mich erst daran gewöhnen, dass ich eine assistentin habe, die so oft nein sagt, wenn ich ja sage.“ da mussten wir beide grinsen, unser finanzminister auch. im rausgehen hörte ich dann noch, wie der chef leise sagte: „das gemeine ist, sie hat immer recht.“
viele jahre konnte ich so diplomatisch nicht das verweigern, was mir aufgetragen wurde. wenn ich gesagt hätte: „das können sie so nicht rausschicken“, vor allen dingen im beisein unseres finanzministers, wäre er tödlich beleidigt gewesen. also tat ich einfach so, als wäre ich diejenige, die da etwas nicht verstünde. ich gehöre eindeutig zu den menschen, die nicht einfach etwas tun, weil es ihnen gesagt wird, ich tu auch nicht etwas, weil es schließlich schon dreißig jahre so gemacht wird, und ich tu nicht etwas, nur, weil andere das auch tun. doch, ich tu dann schon etwas… wenn ich mir das ganze dilemma ansehe, kotze ich lieber ins politklo, anstatt so angepasst zu handeln, und tu die dinge dann so, wie ich sie für mich als richtig erachte, ich brauche das gefühl, dass das, was ich tue, für mich „richtig“ ist. das soll nicht aussagen, dass ich nicht das tue, was mein chef von mir erwartet, ich tu den ganzen lieben langen arbeitstag ja nichts anderes, aber meistens ohne, dass er mir was sagt. wenn er dann doch etwas sagt, hinterfrage ich grundsätzlich: „was will er?, welcher art wären mögliche verknüpfungen, vor allen dingen, welche auswirkungen hätten diese verknüpfungen, ich frage mich, ob er mit dem was er da tun will, auch tatsächlich das erreicht, was er will. häufig erkenne ich, weil ich die mannschaft und ihre abläufe besser als er kenne, was schief gehen könnte, und sage es ihm dann auch. aber ich muss häufig so tun, als ob ich da etwas nicht verstünde…. er würde sonst meine legitimation seiner führungskompetenz anzweifeln. ich weiß, dass ich da wirklich immer auf mich aufpassen muss, weil ich früher eben nicht gleich meine schnauze halten konnte, sondern rausknallte. heute halte ich sie erst, überlege… und rede dann. früher war es impulsivität, heute ist es strategie… aber ich brauchte jahre, um dahin zu kommen.

nachtrag:
meine freundin zog vor kurzem, als ich dabei war, papiere zu sortieren, mein diplom aus den unterlagen, weil es in ihr auge stach. „du hast dein diplom an der fachhochschule gemacht, und arbeitest als assistentin?“ ich grinste: „ich muss dir doch nicht sagen, dass man ab einer bestimmten ebene als assistentin mehr verdient, als ein diplomierter betriebswirt.“ „hi,hi,hi… stimmt. weiß dein chef das eigentlich?“ „nööhöö… muss er auch nicht wissen.“