Arbeitsjournal. Sonntag, der 9. November 2008.

5.27 Uhr:
[Am Terrarium. Heiner Goebbels, Surrogate Cities.]
Um fünf auf. Ich bleibe heute morgen hier, wohl auch den ganzen Tag, weil *** mit einer Freundin unterwegs ist, die sie seit vierzahn Jahren nicht mehr gesehen hat; um 12 Uhr werden die Zwillinglein vom leiblichen Vater abgeholt, bis 17 Uhr, in der Zeit will ich dann mit meinem Jungen etwas unternehmen; morgens ist sein Jungenzimmer aufzuräumen, allerdringendst: es sieht drin aus wie Dresden ’45. Aber vielleicht fahr ich auch mal kurz in die Arbeitswohnung, falls ich Unterlagen/Bücher brauche; das glaub ich aber eher nicht. Das Internet hat auch hier eine enorme Vereinfachung – Vereinfachung durch Fülle! – gebracht, schon insofern die meisten Lexika, die ich brauche, online zur Verfügung stehen.
Toll, übrigens, schon dieses erste >>>> Goebbels-Stück (Leukert riet mir vor drei Wochen, mir die CD, die bei ihm neben dem Mischpult lag, unbedingt zu überspielen, was ich tat; ich hör sie aber jetzt zum ersten Mal). [NACHTRAG (6.06 Uhr): STIMMT NICHT!: Ich habe die Musik d o c h schon gehört, bei Leukerts daheim, aber >>>> mich geärgert, daß Goebbels deinen deutschsprachigen Text erst ins Englische übersetzt, bevor er ihn vertont. (Leukert dazu: „Dadurch ist Markt größer.“ Ich dazu: „Dadurch ist der Markt sogar in Deutschland größer.“)]

Es ist viel durcheinander zu erledigen, Enwürfe, die Vorbereitung >>>> dazu, BAMBERGER ELEGIEN, der Ansatz für >>>> weissbooks; zu viel durcheinander; ich brauchte mal wieder was, in das ich mich hauptsächlich stürze, was mir den Schreibtisch so füllt, daß alles andere in die Schubladen darunter muß und als Unterbrechungen empfunden wird; momentan haben sich diese Unterbrechungen zur Hauptsache gemacht, wozu sie sich aber gar nicht eignen… na gut, die Elegien s c h o n, ich muß erstmal wieder ihren Atem finden.

21.23 Uhr:
Quasi den gesamten Nachmittag über habe ich mich heute hiermit beschäftigt; es war auch nötig. Und da die Freundin meines Jungen wirklich tapfer mitgeholfen hat, bin ich dann mit den beiden und, nachdem sie wieder hierwaren, den Zwillingskindlein Hamburger und Pommes essen gegangen; wir haben für die zwei Großen sogar noch einmal Pommes nachbestellt. Wieder daheim, waren die Kleinen zu Bett zu bringen, vorher mit der Abendmilch und dem Sandmännchen zu versorgen, zu wickeln, umzukleiden, es waren die Zähnchen zu putzen, dann war das Gutenachtlied zu singen, liegend, die Zwillingsköpfchen auf meiner Brust; schließlich mußte mit dem Großen noch dringend eine halbe Stunde Cello geübt werden, das wurde diese ganze Woche über vernachlässigt, dann war auch er ins Bett zu bringen, war ihm vorzulesen; dann stand die restlos chaotisierte Küche an. *** ist noch unterwegs; ich rechne damit, daß es sehr spät oder eher früh werden wird; für später nachher hat sich – eventuell – der Profi auf ein Hallo angesagt. Dennoch radelte ich eben zur Videothek, wollte eigentlich nur etwas abgeben, nahm dann aber doch auch etwas mit.
Dann sah ich, ja, sah, daß ich heute eigentlich hatte den Gedenkgang zum 9. November mitgehen wollen: die gesamte Schönhauser, die (für Nichtberliner hinzubemerkt) lang ist, einmal hinauf und hinab und an jedem Haus, aus dem jüdische Bürger verschleppt worden sind, eingehalten; schließlich ein gedenkendes Abschlußkonzert in der Gethsemanekirche. Jetzt, nach 21 Uhr, stehen in manchen Hauseingängen brennende Grablichte und liegen daneben Rosen, kurzstielige, gebrochene auf einem Din-A-4-Gedenkblatt; auch im Eingang der Videothek ist so etwas niedergelegt worden. Ein leichtes Aufatmen dann, weil in unserer Haustür so etwas nicht liegt, weil dieses Haus – aber wer weiß das genau? – nicht zu den Schreckenshäusern gehörte….
Ich wollte auch noch was zu Obama sagen, aber der Eindruck eben hat mich benommen gemacht. So daß mir überhaupt nicht nach Streit zumute ist.

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