Artemis, die Reine. 16.02. Paul Reichenbach denkt an Nichts

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FÜR ALLEZEIT

Ohne ein Gran von Ungeduld geh ich ans Träumen,

mache ich mich an die Arbeit,

die nicht mehr enden kann,

und nach und nach, an der Spitze,

tun sich den wiedergeborenen Armen

hilfreiche Hände auf,

in deren Höhlung

tauchen die Augen auf, wieder, spenden Licht, aufs neue,

du wirst auferstanden sein, unversehens,

eine Unversehrte, und es geleitet mich

erneut deine Stimme,

für allezeit sehe ich dich wieder.

Giuseppe Ungaretti , Rom, am 24. Mai 1959, (Dt. von Paul Celan)

Heute landete eine Mail in meinem Postfach, in der eine liebe Freundin nachfragte, was denn mit mir sei und ob sie mich mit ihrer >>>>>letzten Mail, die vor 4 Wochen bei mir eintrudelte, verschreckt habe. Sie stellte dort die These in den Raum, dass ein wichtiges Handlungsmotiv Dianas die Abwehr von Zudringlichkeit gewesen wäre. Männer und Frauen als Objekte sexueller Begierde in ihrem Bewusstsein vielleicht gar nicht vorkommen, und dass ich mit meinem Männerblick, dies nicht denken könne. Getreu meiner Maxime, dass Missverständnisse, Unklarheiten sofort ausgeräumt werden müssen, habe ich, statt umständlich zu schreiben, sie vor 5 Minuten angerufen. Das Gespräch war wunderbar, wie immer mit ihr, stellte sich sofort Nähe ein. Doch, doch, meinte ich am Telefon, ich kann mir vorstellen, dass Artemis eine Reinheit verkörpert, die mit üblichen Kategorien nicht zu erfassen ist. Kurzzeitig tauchte in mir der Begriff „Frigidität auf, den ich aber sofort wieder in den Trash warf, weil auch er ein sexuell geprägter Begriff ist. Artemis als Reine, jenseits aller Biologie, als einen Mythos, dessen Urgründe mit dem Verhältnis zwischen Frauen und Männern überhaupt nix zu tun haben, zu begreifen, fällt heutzutage schwer. Die nun jahrtausendlange existierende patriarchalische Struktur unserer Gesellschaften, die kaum in der Lage ist Matriarchalisches zu akzeptieren, darüber können auch die zugestandenen „Spielwiesen“ verschiedenster Frauenbewegungen nicht hinwegtäuschen, tut sich noch schwerer Wesenheiten, Sachverhalte anzuerkennen, die außerhalb geschlechtlicher Bezüge liegen. Unser Denken, unsere Empfindungen sind allzu sehr ans Tier gebunden und damit nicht in der Lage Göttliches, Reines zu fassen. Im Marienkult wird zwar vage eine Erinnerung, eine Sehnsucht nach Reinheit belebt, die, da an einen Körper gebunden, niemals wirklich nachempfunden werden kann. Nur das Nichts ist rein, das können wir denken. Empfinden können wir es nicht. Die Gnosis hat mit der Entdeckung des Lichts, diesem Nichts einen Vektor zugeordnet, dem vielleicht einmal nachgegangen werden sollte. Dann … wird mir eine Fußbreit Land wachsen unter den ersten Schritt. Ein Weg, vielleicht mit Pappeln, unter den zweiten. Unter den dritten aber, den ich wage ( von dir hinweg) wächst mir die Strasse, morgenneblig, aber schon morgenhell.
(Dreyer, Die Spaltung S. 477 f.)

3 thoughts on “Artemis, die Reine. 16.02. Paul Reichenbach denkt an Nichts

  1. Dieses “Reine” wäre in j e d e m Fall ohne Frucht. Und führte dann direkt in die Auslöschung von Leben; allenfalls bliebe ein “Leben” erhalten, das eben nur Göttern vorbehalten ist – die sich s o ziemlich langweilen müßten; aber für Mitleid für solche Götter habe ich menschlich keine Zeit. Insofern bleibt mir nichts als der radikale Widerspruch: eine solche Reinheit wäre für den Menschen verderblich. Ich frage mich auch, w e s h a l b “wir” das Nichts fühlen können sollten? Im übrigen meine ich, daß es de facto auch nicht zu denken ist, weil Gedanken einen Gegenstand brauchen, so, wie das, was denkt, das Gehirn, immer und in jedem Fall materielle Substanz. Es >>>> geht um Irdischkeit, meinethalben auch um eine des Kosmologischen, immer aber, auch in einem vermeintlich kosmischen Rahmen, um Dasein. Für d i e s e s ist einzustehen, nicht aber für ein Nicht-Dasein. “Allzu sehr ans Tier gebunden” zu sein, ist in meiner Sicht eine Auszeichnung: die, Leben schaffen, lieben und erhalten zu können, auch wenn damit selbstverständlicherweise verbunden ist, daß wir töten können müssen. Wir haben verlernt zu erfahren, daß wir es täglich tun. Daran trägt gerade der (christliche/monotheistische) Reinheitsgedanke einige Schuld.

  2. Lieber Paul,

    selten bin ich so mit ANH einig, wie in diesem Fall. Deine azurne Gedankengaukelei, alles Lüftlmalerei, die daher kommt als hätte Abelaerd die Kutte gehoben, taugt für Eunuchen. (Du wirst Dich doch nicht selbst zum „Fulbert“ machen?) Ich heiße nicht Mario, und Du bist kein Magier, der aus dem Zylinder ätherische Kaninchen und lichte Tauben hervor zaubert.
    Es ist wunderbar, dass wir ans Tier gebunden sind, und also, weil wir leben und lieben, sterben müssen. Das pralle Leben, ob Auf – oder Untergang, liebt Engel, wenn sie als zwinkernde Putten einen Alkoven zieren.

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