A. D. VII Kal. Apr. Anno 2762 a.u.c.

Siebter Tag vor den Kalenden. Dies comitialis.
Das hat man davon, wenn man sich projiziert: Herr Lampe steht plötzlich vor einem und sagt: „Guten Tag.“ Den man ja gar nicht gesucht hatte! Ich sollte ihn „Er“ nennen, wie in den alten Zwiegesprächen mit dem „Ich“. Die allerdings doch nicht mehr funktionieren, weil ich mich in kein Außen mehr projiziere, sondern in ein Innen. Dem auf der Spur zu sein, ich mir zumindest vorübergehend, heute einbildete. Schließlich war der Sog der Projektion so stark, daß ich durchaus hinausmußte. Die Lösung ist wahrscheinlich die von Poe im Malstrom angebotene. Die ich aber gar nicht mehr weiß. Sondern mir nur vorstelle. Ich muß erstmal Blättern… Seit ’77 nur in den Händen gehabt, um die Ausgabe in die jeweils neuen Regale zu stellen. (Saß in der neuen, noch uneingerichteten Neuköllner Wohnung auf einer Bierkiste und las). Das Nachlesen führt ganz woanders hin. Nicht dorthin, wohin ich glaubte zu gelangen. Nämlich in eine Art Unterwasserschleuse, um dann woanders wieder aufzutauchen. Ein bißchen wie David, der es dann doch schafft, wieder ins Raumschiff zu gelangen, um den bösen Hal auseinanderzunehmen (2001, Odyssee im Weltraum). Also bloß „gischtendes Chaos“. Der Malstrom-Erzähler bindet sich nämlich an einem Faß fest und wird daher und dadurch gerettet, daß sich der Strudel beruhigt. Also das Gegenteil einer Einwärtsspirale. Wahrscheinlich denke ich an eine andere Geschichte, die mir aber nicht einfallen will. Hingegen verspüre ich seit kurzem einen merkwürdigen Auswärtsspiraleneffekt beim Autofahren. Die Straßen sind recht kurvenreich und manche Kurven recht spitz. Also das Gefühl: Gleich trägt es mich aus der Kurve bzw. Gleich kippt das Auto um. Als hätte ich überhaupt Gleichgewichtsstörungen, sobald ich mich vehikuliere. Insofern ließe sich erklären, wieso ich mir ungewollt begegnet bin. Nämlich als Vehikel meiner selbst in der Kurve eines Seinszeitpunktes, der tatsächlich ein Aus-Der-Kurve-Hinausgetragen-Werden verlangt. Also am Faß festhalten, um über den Rand des Strudels hinauszukommen. Oder zumindest dort zu bleiben, bis sich alles beruhigt. Oder wie des Malstrom-Erzählers Bruder den Kopf schütteln und Hinabfahren? Der dann aber nicht mehr auftaucht. Der Erzähler hingegen bekommt dafür plötzlich graue Haare, seine Züge seien den ihn Rettenden unkenntlich geworden. Das aber wird wieder eine Vater-Erinnerung. Seine plötzlich grauen Haare nach der Gallenoperation. Ich erschrak damals.

Mein Vögelchen
Aus Spital-fields,
Wie einsam ich doch bin!
Wann wird mein
Brick-Lane-Amselchen
Wohl wieder einmal sing’?
Mein Schädel brummt, ich möcht’ so gern
Fröh-lich sie zwitschern hör’n!
Wenn’s auch in Stepney
Frühling ist,
Mein Herz ist furchtbar kalt,
Wie Meereswell’n
Im Winterwind –
Ob ich es wohl aushalt,
Bis dass der Brick Lane süße Zier
Kommt angehüpft zu mir?
– (Mein Liebling),
[D.C.]

Pynchon, Gegen den Tag, 1016

Hier wäre jetzt „Hero and Leander“ von Christopher Marlowe angebracht… ’O, let me visit Hero ere I die!’… [und überhaupt: die Entdeckung der Langsamkeit des Internet trotz DSL bzw. ADSL, wie hier üblich gesigelt (allerdings ist hier keine Hochgeschwindigkeitszone)]

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