Arbeitsjournal. Sonnabend, der 28. März 2009.

9.09 Uhr:
[Arbeitswohnung. Draußen Sonne.]
Erst um Viertel vor neun aufgewacht und dann gleich aufgestanden. Es wurde spät gestern; zum einen, ich traf >>>> diadorim in der >>>> Bar, nachdem mein Junge nachmittags von seiner Mama aus anrief, weil er sich ein paar Sachen aus seinem Kinderzimmer holen wollte, bevor er hierherkam; im Telefonat entschied er sich, nun doch bei ihr zu übernachten. Ich fand das selbstverständlich okay und gab diadorim, die wegen gestern spätabend schon angefragt hatte, Bescheid, es gehe nun doch. Um 22 Uhr, nachdem ich das dritte Video der >>>> heroes abgegeben hatte, in – zum zweiten – deren Staffelserie ich tagsüber hineingefallen, -getaucht, wie auch immer war, schwang ich mich aufs Rad und fuhr durch eine schöne Nacht; denn es hatte aufgehört, so mies zu pissen wie drei Stunden vorher; da hatte es mich mal wieder „voll erwischt“.
Sehr schönes Gespräch, keine Rede davon, daß sie, wie sie schreibt, oft eher zurückhaltend, ja ein wenig verstockt ist, wenn’s um Konversation geht. So Konversation, im society-müßigen Sinn w a r es auch nicht, wobei wir auch auf den Literaturbetrieb – und nannten Namen – erst fast ganz zum Schluß zu sprechen kamen, mit ähnlichen Einschätzungen; nein, das Gespräch trug vor allem eine Liebe zur Welt, die sie hat, die ich teile, auch kamen gar keine >>>> Götter noch Mythen zu Wort. Die hätten da auch nichts zu finden gehabt.
Es war irre laut, ich mußte mich sehr konzentrieren, weil ich in Geräuschen, zu denen die gestern dort gespielte Musik ganz zweifelsfrei gehört, empfindlich bin und sie nur schwer auseinandertrennen kann, alles knallt auf einmal ins Ohr, Satzfetzen, Lachen, diese Muh-sick, Gläserklingen, Espressozischen; es war irre voll: eine Junggesellinnen-Abschiedsparty ward gegeben (hübsche flache Frauen in den Sesseln hinten bei Mao tse tung: flach meint nicht die Körper), und eine Geburtstagsparty (vorne, etwa ab Mitte der Bar). Wir holten uns den letzten Tisch und die beiden letzten Barhocker von draußen unter der vorgezogenen Markise weg und herein. Sao Paolo, Süfafrika, Bombay und Berlin, die >>>> Villa Aurora, „Sie haben doch über New York geschrieben“, gar kein Zweifel, ich bin >>>> da in Wirklichkeit ambivalent. Arafat und Ramallah und von den Favelas. Jugoslawien und die Muezzin. Eine ruhige, skeptische Frau, mit der zu sprechen guttut; ihre Skepsis ist kein Vorbehalt, die Meinungen sind nicht abgeschlossen wie oftmals schon bei mir (leider? oder ist’s, denk ich grade, nur ein Arbeitsverfahren… sagen wir: Modell?). Poesie ist wichtig, nicht der Schrank, in die man sie tut. Diadorim sollte unbedingt auch >>>> parallalie kennenlernen. Überhaupt, sie hatte die schöne Idee einer Dschungelveranstaltung: die Autoren Der Dschungel, die das möchten, kommen öffentlich zusammen, um aus Der Dschungel zu lesen… ich denk ja gleich: am besten keine/r ihren/seinen eigenen Text, sondern durcheinandergemischt, das, was einen reizte, provozierte, begeisterte oder nur freute. Wir sprachen die Idee ein bißchen durch. Ich merk(t)e aber an mir, und formulierte das auch, daß ich mich um sowas nicht kümmern mag, ; wenn ein Interesse an sowas besteht, soll man sich bei m i r melden, nicht umgekehrt. Es wäre natürlich schön, damit eine Reise durch die Literaturhäuser zu machen, und wir läsen direkt aus Netz und Geräten. – Nun ja. Zurückgeradelt dann und noch bis nach drei Uhr eine nächste heroes-Folge gesehen, eine weitere begonnen, dann müdigkeitshalber abgebrochen, einfach das Bettzeug meines Jungen auf die Couch gebreitet, ganz bewußt nicht den Mobilchenwecker gestellt und um Viertel vor neun Uhr aufgestanden.
Ich werde heute nicht arbeiten, sondern, bis mein Bub wieder herkommt, die Arbeitswohnung säubern; ist wieder fällig, das Licht ruft dazu auf. Dann Körperpflege und Cello. Dann mit der Steuer beginnen, nachdem gestern solch ein Hoffnungs-Paragraf erschien, herangeschoben von >>>> Herrn Peeperkorn und durch den Profi juristisch unterlegt. Abends mit meinem Buben in die Oper: >>>> Braunfels’ Vögel , als Installation Sabrina Hölzers.

11.05 Uhr:
Lese gerade >>>> diadorims kleine Reflekt/xion des Abends. Fremdfühlprogramm. Weshalb habe i c h das in Zweiergesprächen eigentlich nie?
(Mancher Kommentar, obwohl ich aufmerksam bin, entgeht mir mitunter für einige Zeit. Etwa >>>> dieser Unfug. Aber irgendwann les ich’s halt d o c h. Brat mir doch einer diese kleinen Ferkel fürs Fischfutter der Ressentiments: „Nanunana“ kann man nur sagen. Zu spucken hilft nix, die Leutchen verstecken sich immer. Daß denen von sich selber nicht übel wird, ist schon ein Makel unsrer humanistischen Anthropologie.

12.16 Uhr:
Besseres Gefühl jetzt, nachdem ich ein wenig am Cello war. Geputzt is noch nix. Bin irgendwie faul heute.

16.51 Uhr:
„Heroes“ ff. Wenn ich mal mit sowas anfange, kann ich mich nicht mehr lösen, dann muß ich da erstmal durch. Aber mein Junge ist gerade gekommen, wir werden Cello üben, und dann können wir imgrunde auch schon zum Konzerthaus aufbrechen. Immerhin hab ich die Küche hinbekommen.

Eine MEERE-Leserin führt Diskussionen über den Roman, den sie Freunden empfohlen hat. Einer von denen reagiert mit schroffer Abwehr: ich sei im Vergleich zu ihr ein „singender Metzger“; das hat was. Sie wird überdies vor mir gewarnt. Bisweilen schickt sie mir Auszüge aus den Briefen. Das Künsler-Leidenschaftliche scheint allgemein als etwas Überlebtes empfunden zu werden; in unsere Zeit paßt offenbar pragmatische Anpassung. Pathos ist lächerlich geworden, man kann es wohl nicht mehr fühlen. Dahinter steht ein Emotionsverbot, das ein bißchen nach den Ratschlägen von Eltern klingt: „Wenn du erst einmal in unser Alter gekommen bist“, „Wenn du dir erst mal die Hörner abgestoßen hast“; Reife wird gleichgesetzt mit sichFügen in den Weltenlauf und ihn schließlich zu wollen. Wir kann da noch gefragt werden, weshalb es keine engagierte Literatur mehr gebe? Es ist mangelnde Begeisterungsfähigkeit: Immer wieder lieben zu können, als wäre es das erste Mal. Nur dann aber i s t Liebe. (Da liegt wohl auch ein Kern für für Verständnislosigkeit gegenüber den bis zur Gewalt engagierten Religionen.)

6 thoughts on “Arbeitsjournal. Sonnabend, der 28. März 2009.

  1. es war der ort, der mich befremdete, nicht das gespräch. nein, über das war ich sehr froh und danke dafür wie für die schachtel jin ling, die mich an bolivianische landschaften erinnert und an die tage der kälte, des höhenkollers, der schwefeldämpfe, der kokablätter und des salzes in allen farben und formen.
    ich glaube nur, dass mich das pendeln wirklich einigermassen aus der bahn wirft, was mir nicht immer unangenehm ist, nein, das nicht, es ist nur so, dass dann bei mir ein anderes programm startet, ich merke, ist der ort mir fremd, will ich mit obrigada und eu queria uma cerveja einsetzen, weil nun mal mein fremdsein diese sprach spricht, verrückt, dass es sich zurückspiegelt. ich bin überzeugt davon, dass, wenn man mich irgendwie nicht ganz beisammen wo aufliest, ich auf portugiesisch bitte, hilfe zu holen.

  2. Erinnert mich an eine Episode vom letzten September: mitten in Niedersachsen schrieb ich in der Küche bei meiner Schwester eine Karte auf Italienisch, da betrat die Freundin des Neffen die Küche, und ich fing an, mit ihr italienisch zu reden, ohne es – wohlgemerkt – auch nur zu merken zunächst. – Zur Idee des Vorlesens: reizvolle Idee. Sie brächte ja tatsächlich “wortwörtlich” das Vielstimmige zu Tage. Sag’ ich jetzt bloß mal so. Als Projektion. Und mit einem floh-puhlenden Finger im Ohr.

    1. herbst – ich stell ihnen mal die apotheker / nietzsche frage :
      was hat die umwelt mit dem menschen zu tun ?
      und sagen sie mir bloss nicht irgendsowas wie das hat mit den genen oder
      mit sonstwas zu tun.
      oder mit zufall und determination.
      oder mit der frage nach tradition und synchronizität.

    2. ich gebe noch den tip’ :
      es ist eine frage des zulassen könnens und des einlassen könnens –
      eine wissentschaftliche frage & letztlich eine daseinsbegegnungsweise.
      dann reiten sie vielleicht noch auf einem für mich völlig obsolet seiendem
      staubigen avantgardebegriff herum.
      usw. – solche auseinadersetzungen gehören hinter den vorhang herbst sonst bluten
      sie aus.
      das will doch keiner, oder ?
      dass sie in den knast kommen.

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