A.D. VIII Id. Apr. Anno 2762 a.u.c.

Achter Tag vor den Iden. Spiele. Dies nefastus publicus. Abends gehen die Plejaden unter. Manchmal ist es kalt (Columella).
Columella ist mir ein rechter Opportunist: das Manchmal gibt ihm immer recht. Denn heut’ war’s warm. Und wie ich höre, auch in Deutschland. Drei Anrufe von daher. Der eine morgens um halb zehn per Handy: „Lebst du noch?“ Terpsichore hatte vom Erdbeben gehört, und ich verdattert, verstand erst gar nicht, wer da nun in vertrauter Sprache eine solche Frage an mich stellte. Im Lauf des Tages kamen dann noch die Schwestern dazu. Nein, hier ist nichts passiert. Ob’s gewackelt hat, weiß ich nicht: ich schlief tief und fest, und ward des Ganzen nur virtuell gewahr über die Internetseite meiner „Tageszeitung“ La Repubblica. Die minimalen Risse, die hier sind, waren schon vorher da. – Aber Risse sind dennoch da. Und überall. Wie in der grad eingetroffenen Dringendst-Übersetzung: Ich bin sehr enttäuscht und verbittert über Ihre Haltung uns gegenüber, weil es notwendig ist, die Dinge offen auszusprechen, falls es uns gegenüber etwas vorzuwerfen gibt. In einem Arbeitsverhältnis muss ein wechselseitiges Vertrauen vorherrschen: fehlt es daran, fehlt es an Allem. Goldene Worte. Also diese kurze Unterbrechung grad. Natürlich geht’s um geschäftliche Beziehungen. Die – cellini sagt’s fast jeden Tag – keine Uhrzeiten kennen und anerkennen. – „Du bist ein Schatz!“. Als Antwort auf das Schicken der postwendenden Übersetzung. Da fühlt man sich eine Sekunde lang tatsächlich als einen solchen. Aber gleich danach läßt man diesen Schatz wieder ins tiefe Meer hinab. Über dem ein Eisberg schwimmt, so groß wie Jamaica. Südpollos. Nunmehr. Muß wohl so sein, wie ein Blutsturz. Beendete heute Kafkas Tagebücher. Mag aber dazu jetzt nichts weiter sagen, als daß sie mir ihn zu Grabe getragen. Und daß ich bei Blutsturz an meinen Großvater denken muß. Der (natürlich mit der Großmutter) wohnte nach der Flucht kurz vor dem Mauerbau über Berlin in einem Bauernhaus im Dorf, in dem mehrere Familien wohnten. Er sei dem Familienvater der Familie unter ihnen einmal an der Treppe begegnet, als dieser einen solchen Blutsturz hatte. Dieser Familienvater habe zu ihm gesagt: „Du wirst auch mal dran sein.“ Oder so ähnlich. So einen fatalen Satz. Tatsächlich verbrachte mein Großvater eine lange Zeit in einem Sanatorium wegen Tuberkulose. Was in meiner Kinder- und Jugendzeit regelmäßige Kontrollen erforderte. Die Erinnerung an die langweiligen Tage dieser Untersuchungen im Wittinger Krankenhaus, die absolute Untätigkeit des Wartens. So ein Hingehaltensein ins Leere. Und las noch und noch die ausgehängten Schrifttafeln durch. Unter anderem über das Verhalten im Straßenverkehr. Warum sie dort im Krankenhaus hingen, weiß ich nicht. Das kalte, gegen die Brust Drückende der Röntgenapparate. „Einmal tief durchatmen“. Fast ein Einklemmen. Vergeudete Stunden wegen eines so kurzen Moments. Der Großvater starb dann irgendwann mit 75 Jahren, indem er abends einschlief und morgens nicht mehr aufwachte. So etwas wünschte ich mir. Also Kafka. Mir fehlen jetzt nur noch die Reisetagebücher. Vielleicht noch die Briefe an Milena bestellen. Mehr aber wohl nicht. Aber doch: Begleitung.

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