Bach für Pergamenschikow. Sechs jugendliche Meister ehren, seine Schüler, ihren Meister.

Jetzt war das Weihevolle weg. Interessant, daß das musikantische Element in Bachs Cellosuiten zurückkehrt, wenn sechs junge Solisten, deren mindestens Hälfte längst Meister selber ist, nacheinander-zusammen die Stücke interpretieren; es ist, als wüchse ihnen aus den verschiedenen Perspektiven wieder eine Lebendigkeit zu, die in der Hermetik je nur e i n e r Interpretation die Glätte der Geschlossenheit versiegelte. Insofern war das hellabendliche Konzert zum ersten Mai, das die jungen Musiker zu Ehren >>>> ihres Lehrers gaben (er verstarb, früh, vor fünf Jahren), mehr als „nur“ Hommage. Die aufgelassene, halbprovisorisch zum Aufführungsort renovierte Basilika von St. Elisabeth war proppevoll (irre schön die groben Steine, die abgebrochen vor der Apsis liegen), die Sonne schien durch die Fenster und wärmte gelb die Pause, alles war voll Licht im Raum – das ging in den Klang. Wie dunkel kunstfern dagegen jeder Konzertsaal! Es lohnt sich, abseits der konservativen Podien >>>> nach Veranstaltungen zu schauen, auch wenn selbst hier das Publikum etwas eigen Sektisches hatte: auf bürgerlich-hausmusikalische Weise, man sah wieder Höhere Töchter und solche, die es werden werden, „brav“ ein wenig und tapfer konzentrierte Kinder, herausgeputzt wie auf Dominika vorm Kirchgang; dazu studentisches Publikum, manche hatten ihre eigenen Cellokästen bei sich, wie frisch von der Hochschule hergeradelt: ein seltsames, leises, auch vornehmes, insgesamt aber lebendiges Biotop abseits der Globalisierungsdiskussionen; teilsäkulare Gläubigkeit im Raum. Da fiel Nicolas Altstaedts Interpretation der fünften Suite sehr auf: kraftvoll-expressiv auf die Emotion jeder Phrase konzentriert, die Spanne möglicher Tempi nicht auf Geschlossenheit, sondern auf ihre Differenz ausspielend: ernstvoll virtuos, anti-aseptisch bereits in seinem Auftreten: als einziger trug er nicht schwarz, nicht Abendgarderobe, sondern erschien im aufgekrempelten Hemdsärmel – auf Arbeit, extrem lebendig auf Prozesse focussiert, nicht auf Schönklang und Feier. Das tat gut, das war ein Nein zum bürgerlichen Ritual gesellschaftlicher Hermetiken. Man roch in der Musik die Clubs. Herausfordernd wippten die spitzen Schuhe den Takt. Nichts von dem, was Thomas Mann „Kuhstallwärme der Musik“ genannt hat, sondern ein ganz junger Gulda als Cellist, der die Klassikscheiße des Konzertlebens schon v o r dem Konzertleben satt hat. Klasse.
Etwas von dieser Haltung war auch bei Sebastian Klinger zu spüren, nur nicht so radikal. Dagegen Bohórquez, den ich >>>> neulich schon hörte: Der Schönheit seiner Erscheinung entspricht die Schönheit seines Spieles völlig, hier ist nichts rauh. Phänomenal seine Exaktheit, die traumhafte Sicherheit des genauen Tones, selbst in seinen rasendsten Läufen wird wie bei Altstaedt nichts verschmiert: schnitzt dessen hochintellektuelles Spiel, selbst in der Versunkenheit hebt er Rhythmik und Struktur heraus, so malt Bohórquez: K l a n g – da ist so eine Süße, da ist El Sur im Spiel: sie kennt das Messer. Man kann gar nicht sagen, wofür man sich entscheiden möchte, zumal Bohórquez immer unsentimental bleibt. Und alle – Julian Arp, Nikolas Altstaedt, Claudio Bohórquez, ausgesprochen lyrisch Danjulo Ishizaka, Sebastian Klinger, Julian Steckel; jede Interpretation hatte vieles für sich; es ist eine Frage des Temperamentes, welcher man sich näher fühlt – – alle stammen aus demselben Stall: die gleichen Hände haben sie geprägt. Tiefer als mit solcher Differenz kann man sie nicht ehren. Die Suiten aber selbst mit gar nichts mehr als Jugend. Das, genußvoll, war einmal mehr zu lernen.[>>>> Programme der Hochschule für Musik Hans Eisler.]

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