A.D. VI Id. Mai. Anno 2762 a.u.c.

Sechster Tag von den Iden. Dies comitialis. Die Plejaden gehen vollständig auf. Es weht der Favonius oder der Corus, manchmal auch Regen (Columella). Es kommen die Plejaden herfür (Plinius).
Im schwarzen T-Shirt heute. Mein Gesicht noch ein Widerschein der Sonne. Es dürfte wohl morgen ein wenig rötlich gefärbt sein. Obwohl wir nicht wirklich am Strand lagen (andere schon). So ein typischer römischer Sonntagsausflugstag. (Überall gelte der Wolf als böses Tier, bloß die Römer hätten sich von einer Wölfin säugen lassen). Autoschlange auf der Via del Mare gen Ostia. Wo allerdings schon die Badesaison und somit die Unmöglichkeit begonnen, ungehindert am Strand entlangzugehen, ohne vorher Eintritt zu bezahlen. Also doch nach Fiumicino auf den „endlosen“ Parallelstraßen an diesem verbauten Küstenstrich. „Marelandia“ nannte ich’s: nach den üblichen Bezeichnungen der hiesigen Vergnügungsparks, nach dem Muster „Disneyland“, also „Acqualandia“ und was weiß ich. Bunt schon grüßten schwebende Luftballons vor Rom an den Ausfallstraßen, an denen die Megasuper- und -möbelmärkte stehen. Die Segelboote, die Sonnenschirme. Geruch nach frittiertem Fisch. Auf der Kaimauer vorbei an den Fischkuttern zur Mündung dieses einen Tiberarms. Der Main in Frankfurt ist vier bis fünf mal breiter. Die Restaurants auf der anderen Seite der Straße voll besetzt mit fischhungrigen Römern. Sonntagsausflug. Die eine Marienstatue: zu Füßen zwei Engelchen, von denen eins fast genauso die Arme reckte wie der eine der beiden Zwillinge unter der römischen Lupa im Kapitol. Dies jetzt Fiumicino. Aber ansonsten liege dort der Hund begraben. So T., die dort aufgewachsen. Und so dann in einem Restaurant gelandet, wo ihre Schwester kellnert. Das von Ägyptern geführt wird. Und zu dem einen habe sie eine heimliche Beziehung. Hat sich deswegen sogar von T. einen Koran schenken lassen. Sei auch schon nach Ägypten geflogen, sie, die nie Fiumicino verlassen. Allein, um seiner Familie Geld zu bringen. Und alles in der Nähe des Elternhauses. Eine Kommunion wurde dort gefeiert. Hände schütteln hier, Hände schütteln dort. Alles quasi en famille. Alles miteinander verwandt. Bekamen auch jeweils ein Stück von der Kommunionstorte (einem aufgeschlagenen Buch nachgebildet: mindestens ein Bibelspruch wird darauf gestanden haben). Ein Onkel machte den Gag-Reißer. Unser Essen zu einem lächerlichen Vorzugspreis. Daß sie, T., schon protestieren wollte. Auf der Wiese hinter der Burg von Borgo di Ostia vollendeten wir unsere Faulheit, sie tatsächlich einschlafend, ich fast. Ich fast auch jetzt. Aber da ich mich noch um die Wortgeste fürs Gedicht drücke, schrieb ich einfach weiter. Spirit chaser listening.

2 thoughts on “A.D. VI Id. Mai. Anno 2762 a.u.c.

  1. Ostia Antica Durch die Tore: niemand
    Treppen: fort ins Blau
    Auf dem Estrich: Thymian
    Auf den Tischen: Tau
    Zwiegespräch aus Stille
    Tod aus Käferzug
    Abendrot im Teller
    Asche im Krug.
    Asphodeloswiese
    Fledermäusekreis
    Diesseits oder drüben
    Wer das weiß –

    (Marie Loise Kaschnitz)

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