Donnerstag 3. September 2009

„Du hast ein unheimlich reaktionäres Geschlechterbild“ schmiss mir I. entgegen. Ich hatte mich bei ihm über die Übersetzung einer Frau von Baudelaires Gedichten beschwert. Ich sagte: das gehe nicht, das ist zu weich, zu weiblich zu rund. Er hatte so was schon mal zu mir gesagt, immer wieder treffe ich darauf…. Ob es I. ist, der sagt: Du magst es, wenn ein Mann männlich ist, oder B. sagt: Du hast es gern, wenn die Körper unter Spannung stehen, wenn Du Kraft fühlst. Ja, ich mag das und ich kategorisiere. Ich sehe es schwarz und weiß. Mir ist das schon lange bewusst. Ich male mir ein Gitter. Schwarzer Strich auf weißem Grund und dann fange ich an, die Felder auszumalen in den schönsten Grautönen. Ich bekomme mich gar nicht mehr ein über all diese Schattierungen. Aber wenn ich den schwarzen Strich noch ein bisschen breiter, dicker und satter schwarz malen kann, dann ist mir das eine tiefe Freude.
Ich will, dass es nach einem Mann klingt, wenn ein Mann ein Gedicht schreibt, und ich will, dass es nach einer Frau klingt, wenn eine Frau ein Gedicht schreibt. Ich empfinde tiefe Freude, wenn ich das Gefühl bekomme, „das kann nur ein Mann so sagen resp. schreiben oder das kann so nur eine Frau“. Mag sein, es liegt einfach daran, dass ich mich so intensiv zuvor noch nicht mit dem geschriebenen Wort beschäftigt habe, dass ich mich noch an einer Orientierungsleine entlang hangeln muss wie ein Tiefseetaucher, mag alles sein. Aber kennen Sie nicht auch dieses Geräusch, dieses quietschende Knarren, das die Kindheit begleitete. Wie oft ist man zu dieser Tür geschlichen und hat sie immer wieder geöffnet und geschlossen, weil das Geräusch so toll in Mark und Bein fuhr? Dieses Gefühl stellt sich auch dann ein, wenn ich etwas lese, das so nur ein Mann ins Gedicht packen konnte. Ich liebe das! Aber dann kommt eine Frau daher und nimmt es raus. Macht es rund und süßlich, ja romantisch gar, wo es gar nicht hingehört.
Denn Männer sind grandios und bemitleidenswert zugleich, wir Frauen können sie anhimmeln oder verachten oder nicht beachten, ja nicht mal beachten, dass wir sie wollen, die Männer, dass unsere Körper sie wollen. Sie, die Männer werden uns trotzdem lieben und weiter Gedichte schreiben, über uns. Gedichte, die uns treffen. Sie treffen uns ins Herz oder in die Brust. Je nachdem.
Und ich werde auch damit weiter machen, denn ich will wissen, was das ist MANN. Was es bedeutet über die schlichte geschlechtliche Differenzierung hinaus. Wie viel davon steckt im Mann, wie viel davon ist Gesellschaft?

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