Premiere in Frankfurt: L’ORACOLO / LE VILLI. Franco Leoni /Giacomo Puccini.

Eine exzellente Regieidee: Ein farbiges Bühnenbild (Heike Scheele) mit Opiumhöhle, Wohnhaus und „Glücksrad“ inmitten der Arena eines Fernsehstudios, ein die Handlung kommentierendes Publikum, das sich als Chor auch hin wieder in das Geschehen einmischt, führt in San Franciscos Chinatown gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Von Drogen, Entführung, Mord und Totschlag erzählt in kurzen, sich überschlagenden Cuts Leonis Schmaloper „L’ oracolo.“ Es scheint, als hätte der Komponist, Verismo im Kopf, das Unterhaltungsbedürfnis eines Opernpublikums befriedigen wollen, dessen Alltag von beginnendem Fordismus und Wallstreet geprägt und dessen Neigung von der Oper zur Operette oder zum Musical zu desertieren allzu offensichtlich war. Man wollte sich entspannen wie bei Boxkämpfen und nicht kathartisch geschüttelt werden. Dass Sandra Leupold dafür den Rahmen einer Reality-TV-Show gewählt hat, gibt Leonis Werk eine neue Existenzberechtigung. Antizipiert der Komponist doch, auch wenn vieles klanglich nicht genügend ausgeformt ist, eine musikdramatische Form, die Jahrzehnte später in den Ethno- oder Social –Musicals zur Perfektion getrieben wird.

Tragfähig erweist sich der TV-Show-Rahmen auch in der zweiten Kurzoper des Abends, der Zuhörer und Zuschauer in ein Hauffsches Schwarzwaldidyll entführt, worin Puccini sein erstes Werk „Le Villi“ angesiedelt hat. Hyperromantische Motive, Anklänge an Undinen- und Zauberwelten inkl. Bonaventuras Zeigefinger, allerdings ohne dessen Nachsicht, sind in jedem Moment der Aufführung zu spüren. Puccini, noch am Anfang seiner Karriere, sucht eklektisch nach Einfällen und bedient sich, was Klangfarben betrifft, mitunter bei Gounod und Bizet. Das heißt nicht, dass seine eigene Stimme, die Jahre später unverwechselbar zu hören sein wird, nicht schon vernommen werden kann. Im Solo des Fagotts und im zu Herzen gehenden Gesang der Liebenden wird die musikalische Perspektive des großen Komponisten bereits hör- und erlebbar. Dies ist vor allem Annalisa Raspagliosi und Carlo Ventre zu danken, deren Stimmen auch in Leonis Oper so nachdrücklich präsent gewesen sind, dass man bei ihrem Gesang völlig vergisst, vor einer Art Guckkastenbühne zu sitzen, die eigentlich nichts als ein Bildschirm sein will, der uns vom Frühstück bis zum Abendbrot das Gruseln lehrt.

Leicht, kühl, niemals schmalzig, ganz eingestellt auf die Konzeption von Sandra Leupold, führte Stefan Solyom, seit kurzer Zeit frischgebackener Generalmusikdirektor der Weimarer Staatskapelle, Orchester und engagiertes Ensemble durch den Abend, lang anhaltender Applaus für alle Darsteller und die Musiker am Ende.

Nächste Aufführungstermine:
Do 08.10.2009, 19:30 Uhr
So 11.10.2009, 19:30 Uhr
Sa 17.10.2009, 19:30 Uhr

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