Arbeitsjournal. Montag, der 18. Januar 2010. Mit Downloading Nancy.

6.26 Uhr:
[Adès, Arcadiana.]
Latte macchiato. Um kurz nach sechs auf. Jetzt erst mal schaun, ob ich die bereits bearbeitete Essay-Datei wiederfinde; falls nicht, noch mal von vorne beginnen mit der Überarbeitung. Bis zehn Uhr, schätz ich mal, dann sind Wege zu erledigen: einkaufen für Dein Mittagessen, ein paar dringende Geldsachen auf den Weg bringen, Post; außerdem Telefonate. Ans Cello setze ich mich, wenn Du zur Musikschule fortbist, von der ich Dich dann abholen muß, weil Du schlecht Cello u n d Ranzen schleppen kannst. Eventuell muß ich die Erzählungen noch mal ausdrucken, für heute abend, >>>> Kulturmaschinen. Nach den Kulturmaschinen wahrscheinlich >>>> Bar mit dem Profi.
So die Tagesübersicht.

Gestern nacht >>>> Downloading Nancy gesehen; ich halte das für einen wichtigen Film, weil er, auf seine trauernde, innige Weise Verhängnisse, Unausweichlichkeiten zeigt und dabei niemals „sensationell” wird. Der wichtigste Satz – auch Dialoge, kurze Dialoge, können Sätze sein – geht mir unentwegt nach: „Wie alt warst du, als er dich dressiert hat?” „Ungefähr sieben”, antwortet Nancy. Es ist, wenn man in diesen Neigungen lebt, von ungeheurer Bedeutung, daß man den Character der Inszenierung nie aus den Augen verliert, jedenfalls darf etwas anderes auf keinen Fall demjenigen geschehen, der führt. Nur das Bewußtsein über die Gründe – daß es Gründe g i b t – genügt nicht.

6.52 Uhr:
Habe vergeblich in Der Dschungel einen Text gesucht, worin ich den dominanten, bzw. sadistischen Part einer BDSM-Beziehung „Kriegsgewinner” nannte; aber ich finde den Text nicht. Die Bedingung der Möglichkeit solcher Beziehungen i s t aber ein Krieg; es hat jenseits der Willen der heutigen Beteiligten stattgefunden, h a t stattgefunden, und s i e tragen die Folgen aus, sei’s dahingeworfen, sei’s bewußt wie einen künstlerischen Prozeß, der der Unbedingtheit, dem Unausweichlichen das Konzept der Inszenierung entgegenstellt, es dagegen aufbaut, konstruiert, mit ihm einspricht. Die Psychotherapeutin in Downloading Nancy ist deshalb so hilflos, weil sie als Projektionsperson nicht „dienen” k a n n; möglicherweise wäre das bei einem männlichen Therapeuten anders gewesen. Mir kommt zudem der Gedanke, daß, ebenfalls möglicherweise, das Konzept der Devotheit etwas ist, was Masochistinnen schützt.
Hm.

[Perversion.
BDSM.
Perversionstheorie.]

>>>> Einer schreibt zu dem Film:und am Ende nimmt man davon nichts mit, außer den aufgewirbelten Fragen. Diese reichen aber auch wirklich aus, dieses psychosoziale Drama muss man nicht noch näher lassen.D o c h, eben das muß man. Genau darum, die Dramen „näherzulassen”, also die Abwehren zu unterlaufen, geht es in fast aller meiner Arbeit. Man soll fühlen, worum es geht, nicht nur rational oder sozial(moralisch) damit herumtun.

… ah! >>>> d o c h gefunden… (ich schrieb „gewinnler”, nicht „gewinner”).

2 thoughts on “Arbeitsjournal. Montag, der 18. Januar 2010. Mit Downloading Nancy.

  1. so, nun endlich habe ich auch verstanden, warum ich mich nicht anmelden konnte… kleine Küchlein wollen gegessen werden…

    Wie dem auch sei, stellt sich mir an dieser Stelle eigentlich eine ganz andere Frage und zwar was genau meinen Sie, schützt Masochistinnen?

    Außerdem möchte ich noch sagen, dass es zu kurz gedacht ist, wenn Sie glauben, das der seelische Schmerz durch einen körperlichen überdeckt werden soll, im Falle dass sich jemand schneidet. Es ist anders.
    Ja, der Schmerz führt zurück zum Selbst von dem man sich entfernte, das ist sicher auch im Fall der Masochistin so, aber wenn das Blut läuft, dann hat das auch etwas von Erleichterung, da ist der Schmerz schon vorbei, etwas von Reinigung und etwas von von sich weg geben, los lassen können.

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