Heute und gestern 25

Eh Land war, war das Wasser. Die fossilen Baumstümpfe eines Lagunenwaldes nicht weit von hier. Dunarobba. Wasser gekauft und an der Kasse stehen lassen. Auf dem Boden vor der Kasse. Mich muß die abwehrende Geste der Kassiererin erschreckt haben, die aber nur meinte, ich solle die Sechserpackung nicht aufs Band stellen, und nicht „Gehe hinweg!“ Eine unsichtbare Kälte, in der die Mimosenbäume schon einen Hauch von Gelb von sich geben. Wasser, das man mich dann heute – man erinnere sich, man habe das Wasser dort stehen sehen, wo ich behauptete, es vergessen zu haben – mitnehmen ließ. Welch ein Ausdruck: Das Wasser im Supermarkt lassen. Heute kam weiteres hinzu, weil’s regnerisch war. Vordächer als Vorgedanken, auch vor der Schule heute. Der eine Neffe hat ein Gipsbein (Klassenfahrt in die Berge), und die Mutter konnte nicht. Morgen dann noch einmal, dann wird das Bein entsteift. Deutschland habe nur drei Städte mit über einer Million Einwohnern. Punkte-Denken, Mängel-Lehre, Quantitäten-Sprünge. Plötzlich lag ein zerbrochenes Ei vor dem Eingang der Schule, der zum Ausgang geworden, eine Hand fuhr in ein langes Haar, das naß glänzte, während der Kopf sich nach vorn beugte und die Hand Wischbewegungen machte. Wenn’s nicht regnet, würde er sich auch ein paar Eier besorgen, sagte der Unverletzte der Beiden. Martedì grasso. Ein Freund von ihnen ging dicht an mir vorbei, mit gesenktem Kopf. Ohne auch nur den Blick zu heben. Unmöglich, daß er mich nicht wiedererkannt hätte. Aber der gesenkte Kopf schon immer. Seine Mutter habe vor kurzem die Kontrolle über ihr Auto verloren, habe mitten in Amelia auf dem Bürgersteig die ehemalige Klassenlehrerin der Jungen überfahren, habe dennoch nicht angehalten, sei an einem Gitter gelandet. Verdacht auf Alkohol. Festnahme zunächst. Die Mutter der Neffen habe sie dann angerufen. Jene habe zwei Tabletten Xanax (Anxiolytikum) intus gehabt. Erziehung des Herzens, als ich gestern im Weiterlesen anhub, kam gleich der Bleistift: Indem er in die Persönlichkeit anderer eindrang, vergaß er seine eigene, denn das ist ja vielleicht die einzige Art, nicht an sich selber leiden zu müssen. Hübsche Einladung zum Lesen, der zumindest ich gern nachging (sonstige Energien hatte ich gestern nicht zu verpuffen). Leider hat der leibhaftige Paul Reichenbach derzeit eher mit sich und seiner Genesung zu tun, als daß ihm die Literatur ein Mittel wäre, dem zu entgehen. Er sagte es mir – lebhaft! – am Telefon vor einer halben Stunde (wollte wissen, wie’s ihm geht) und läßt grüßen.

11 thoughts on “Heute und gestern 25

  1. “Eh Land war, war das Wasser.” Die einen lassen sich treiben, die anderen sind Buchhalter festen Bodens. Beides geht schief. Glauben Sie nicht auch?

    1. Mithin alles, weil es nur zwei Kategorien gibt, nämlich die, die sich treiben lassen, und die, die Buchhalter des festen Bodens sind. Stimmt’s? Der Haken ist, ich glaube nicht an Kategorien. Darum glaube ich Ihnen nicht.

    2. “Eh Land war, war Wasser” (II) Das sind Ihre Kategorien, an die Sie nicht glauben wollen. Meine schließen Vergangenheitsverhaftetes jedenfalls nicht aus, orientieren sich sanft am abgesicherten Kanon, akzeptieren noch jeden Abweichler, genießen die Aufgeregtheit pulsierender Leichtigkeit und wehren sich (noch) gegen den aufsteigenden Ekel vor dem zukunftslosen Alter!

    3. Mein Nichtglauben ist eine Reaktion auf eine rhetorische Frage, die immer ein Augenzwinkern ist. Meinen Sie nicht, daß die Kategorien, die Sie nannten, nicht doch Ihre sind? Meine Zwischenräume passen jedenfalls nicht da hinein, oder gehören in beide. Und wenn sie in beide – ja doch auch – gehören, ergänzen sie sich. Nur weiß ich nicht, was da a priori schief gehen soll. Das absolut Eine? Das mag ich zugestehen.

    4. “Eh Land war, war (das) Wasser” (III) So ganz nebenbei treten Sie hier als Freibeuter des Konsums auf, der mit allen Wassern verbaler Verführungskünste gewaschen ist und dann doch das Wasser (an der Kasse) stehen läßt. Sie wollen frei sein wie ein Vogel, wie Ihr Mauersegler, der bald schon wieder aus dem Süden bei Ihnen aufkreischen wird, und doch spüren Sie die Schwimmhäute, die Sie so seltsam zappeln lassen, gleichsam als getanzte Reserve für erotisch magere Zeiten.

    5. Mauersegler sind gar nicht so singular! Auch wenn es immer der Einzelne ist, der sich mit dem anderen im Kreischen und Näherkommen abwechselt. Helfen Sie mir lieber, den Titel eines französichen Films (50er, 60er Jahre) zu finden, in dem ein Mann langsam zum Fisch mutiert, dem förmlich Schwimmhäute zwischen den Fingern wachsen. Seltsam ist merkwürdig oder komisch oder bloß zappelig? Zappelig gern. Die erotisch mageren Zeiten zu stanzen.

    1. Aber wirklich gefragt haben Sie nicht, oder?
      Nun, dafür bekunden Sie immerhin Unzufriedenheit.
      Sorry, wenn das überheblich klingt,
      jedoch – als meinereine rückgratmäßig
      in allen seilen hing, bzw. drangsaliert wurde,
      ging mir extern lediglich bekundete Unzufriedenheit
      fürwahr am ‘sehr weiblichen’ Arsch vorbei.
      Andererseits:
      Jedem die Illusion und Krankheit,
      die er zu meinen braucht.
      Oder eben auch wirklich braucht.
      Um aus Eingemachtem zu erwachen.
      Roundabout*.

      * Anglizismen sind fremddefiniert out.
      Kümmert hiesig wenig bis nichts.

  2. @sunray Ihr ‘Arsch’ in allen Ehren & mag er noch so weiblich sein, danach habe ich nicht gefragt. Ich habe im Gegenteil mich gefragt, warum ich mich nicht nach dem Verbleib Herrn Reichenbachs erkundigt habe, obwohl ich dessen ‘Anmerkungen’ von Tag zu Tag mehr vermisst habe. Sehen Sie’s einfach als Kumpanei unter männlichen ‘Ärschen’ an, wenn Sie mir verzeihen wollen, Herr Reichenbach!

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