Arbeitsjournal. Mittwoch, der 17. Februar 2010.

9.26 Uhr:
[Arbeitswohnung. Ruhe.]
Das ist ziemlich neu, daß ich nun auch nachts noch im Bett lese, nicht lange, nein, ich bin ja ein Spontanschläfer, vorausgesetzt, es liegt nicht Warmes neben mir, und ich bin Spontanerwacher, den es dann heut früh um sechs spontan ans Fahle Feuer Nakovos trieb – bis mir einfiel, es sei ein dringender Brief an meines Jungen Gymnasium zu verfassen, zwiefach adressiert, damit ich nicht ein weiteres Mal von der Klassenlehrerin mediatorisch abgeblockt würde; also nahm ich die Direktorin mit Sehr Verehrter Frau gleich mit aufs Korn; es ist ein Unding, daß Eltern bezüglich der Fachlehrer stets den Umweg über die Klassenlehrerin nehmen oder sich mit Geduld auf den Tag wappnen sollen, da der nächste Elternsprechtag selbstverständlich mitten in die Leipziger Buchmesse hineingelegt wird.
Also meinen Buben draußen unten abgepaßt – es ist kreischender Frost plötzlich wieder, fein, fein, fein -, mit ihm die paar Schritte zur Schule hinüber, „Hi Nam!” ruft er einem vietnamesischen Klassenfreund zu, am Eingang zum Sekretariat trennen wir uns mit dreifachem Handklatschen, senkrecht, oben, unten: „Junior, bis nachher”, die Stufen im roten Gemäuer hinauf, „für Frau S.”, sag ich der verhärmt wirkenden, aber guten und auch herzensguten Frau Sekretärin und zieh auch schon wieder ab, übers Eis zur S Prenzlauer Alle, wo ich ein Treffen ebenfalls mit Vietnamesen habe, der Austausch geht fliegend, sozusagen, vonstatten, der schmale Mann, er kennt mich schon (und drängt bisweilen auf Stangen, daß ich sie nähme: tät ich auch gern, allein, das warn jetzt die letzten zehn Euro bar). Über die glitschglatte S-Bahn-Brücke, rechts nicht schwenk, geht nicht, man fiele andernfalls hin, und weiterflaniert gen Heim & Heimat; „Mann, du armer!” seufzte gestern abend लक, mit der ich, vertraut wie seit langem nicht mehr, beisammensaß am Terrarium, um zu plaudern und eine Halbliterflasche Raki halb zu leeren, die mir ihre Freundin aus kleinorientalischen Landen nachträglich zum Geburtstag mitgebracht hatte… „Mann, du armer!” als ich schon in der Tür stand, um zu gehen, „bei dir ist es doch kalt!” „Iwo”, sagte ich, grinste, freute mich, „ich erkält mich immer nur in geheizten Wohnungen” und schob so ab, meiner Lektüre zu und einiger Diskussion in Der Dschungel zu >>>> diesem Thema. Erfreulicherweise war nichts zu verschieben oder zu löschen. Musik hört’ ich keine. Aber >>>> der Kraus liegt hier und wartet auf Gehörsdurchdringung, ich mag sie aber nur widerwillig leisten. Dennoch, es drängt; schon morgen wird mein Gespräch mit Zagrosek stattfinden. Also, da geh ich j e t z t dran: lesen, was mir zugeschickt. Lesen, was ich im übrigen finde. Dann stichwortartig Fragen formulieren. Ans Cello erst nachmittags deshalb, zu Mittag ist auch der Bub zu bekochen und einzukaufen vorher (und irgendwoher Geld aufzutreiben; mein Talmud hat keine Lesezeichen mehr; ist sowieso nicht politisch korrekt, ihn so zu bestücken).
Pale Fire, bis S. 220 (Rowohlt-Ausgabe). Wegen >>>> der Erzählungen dachte ich gestern: das wird man mir aber übelnehmen, daß ich einige von ihnen allein des Divertiments wegen geschrieben; man kann zu Recht sagen, selbst ich hätte da >>>> Pop gemacht. Über mich also die Asche meiner eigenen Kritik!

18.24 Uhr:
Eine Dumme, die hämte und selbstverständlich nicht(s) verstand, weggelöscht: Edith75 nannte sich das Ding(!)erl. Man muß nicht jede Seelenlosigkeit stehenlassen, da hatte Keuschnig schon recht. Es ärgert mich auch schon gar nicht mehr, ist nur öde, manchmal lästig. Komisch aber, was für’n Geschmeiß es gibt. Daß die sich nicht selber schämen.

Mit dem Kraus gut durchgekommen, jetzt noch die Exzerpte übertragen, morgen früh dann die Fragen formulieren. Ich denke, es wird ein lockeres Gespräch mit Zagrosek werden.
Gut am Cello gewesen, Termin mit dem Verlag wegen der >>>> Bamberger Elegien ausgemacht: 2 März vormittags. Mit dem anderen Verlag wegen der Erzählungen jetzt de facto zwei Bücher beschlossen, eines jetzt zur Leipziger, das zweite zur Frankfurter Messe; allerdings ist es an mir zu ordnen, welche Geschichte in welchen Band kommt. Das mach ich dann ab Freitag früh; ich denk mal, Freitag abend steht das dann. Jetzt zur Familie rüber, danach treff ich Eigner. Wahrscheinlich. Er ging eben nicht ans Telefon… ah…. er hat ja jetzt „Handy” (ich ziehe nach wie vor vor, Ihr Mobilchen dazu zu sagen, liebe >>>> BB). Und zwischendurch war ein kleines bißchen Serengeti.

21.24 Uhr:
Vom Terrarium zurück. Heute kam, nachdem die Kinder zu Bett gebracht waren, kein richtiges Gespräch zustande, also nahm ich mir einen >>>> Ardbeg und las, bis das Glas geleert war; dann zog ich hier herüber und freue mich auf zwei weitere Stunden der Lektüre. Vielleicht steh ich zwischendurch mal auf, setze den Dämpfer auf den Steg und spiele zweidrei Fingerübungen am Cello; nur um zu meditieren; ansonsten mag ich heute abend keine Musik. Auch an Malt war es genug, der Ardbeg kleidet die Mundhöhle bis in den Rachen lange aus mit seinem Latakia-Aroma, in dem es auch Muscheln gibt und Schlick. Sondern hab mir die angebrochene, noch halbvolle Flasche italienischen Landweines hergestellt, klar wie eine Quelle, und den Cigarillo angezündet. Arbeiten werde ich nicht mehr und auch شجرة حبة in Skype nicht treffen; sie ist heute mittag zum Kunstquartier nach Wien geflogen; nein, keine eigene Ausstellung, sondern es geht um eine Kuratorenstelle. Vielleicht ruft sie ja mitternachts noch an. (Eigner war nicht mehr da, als ich’s versuchte; er nahm wohl an, ich käme nicht mehr; „meinen” Nabokov freut’s. Übrigens: Nach Nabokov sind zwei Bücher von Cotzee dran, die ich unbedingt lesen solle, für danach liegt >>>> >>>> Benjamin Steins >>>>> „Die Leinwand” bereit: das Buch ist letzte Woche hier angekommen. – Arbeiten werd ich heute nichts mehr.)

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