Arbeitsjournal. Montag, der 1. März 2010.

1.43 Uhr:
[Arbeitswohnung. Laphroig.]
Zurück >>>> von der Reise. Wir durften des Sturmes wegen nicht schneller als 160 km/h fahren; so kamen wir für meine letzte S-Bahn in Spandau um anderthalb Minuten zu spät. Also fuhr ich zum Alex weiter, dort stand zu meinem Glück die Nachttram auf den Prenzlauer Berg.
Ein Abenteuerchen, >>>> wie ich’s erhofft hatte, war die Fahrt aber nicht; nur eben: lange, langweilig auch ein wenig, weil ich mich nicht konzentrieren konnte und das Zagrosek-Gespräch nur zu einem Drittel „aufs Papier” brachte. Dafür muß man der Deutschen Bahn höchstes Entgegenkommen attestieren: auf dieser Heimfahrt waren außer alkoholischen alle Getränke, war auch alles Essen frei. Ich nahm davon aber erst ganz zum Schluß Gebrauch; die Schlange vor dem Bistro-Thresen war einfach zu lang für meine Geduld. Aber dann holte ich mir halt doch noch eine Cola, ein Sandwich, paar Nüsse.
Jetzt, am Schreibtisch, es gibt draußen rein keinen Schnee und gar kein Eis mehr, noch einen Malt, eine Zigarette, dann wird schlafen gegangen. Auspacken werde ich morgen früh. Dann auch werde ich vom Abschluß des Seminares erzählen, ein neues Projekt, das wir mittags entworfen und auch schon leicht begonnen haben, vorstellen sowie meine Arbeit wieder „normal” aufnehmen.
Gute Nacht.

Guten Morgen:
7.03 Uhr:
Seit zwanzig Minuten auf, latte macchiato, Morgenzigarette, es gießt draußen. Ich muß sofort an das Zagrosek-Gespräch wegen Joseph Martin Kraus, aber will eben noch das Projekt vorstellen, das gestern mittag als Experimentierbonbon ins Netz gestellt wurde; ich will es sowohl hier als auch im >>>> virtuellen Seminar bekanntmachen. Schrieb ich bereits, daß ich Cotzees „Schande” „aus”gelesen habe? Moment. – Nein, schrieb ich nicht. Also: Ich habe Cotzees Schande ausgelesen; auch dazu will ich etwas schreiben; das schaffe ich heute wahrscheinlich aber nicht mehr. Ich muß vormittags unbedingt auch ans Cellol, weil nachmittags Unterricht ist; es muß gekocht werden, weil mein Junge mittags wieder kommt; es ist ein riesiger Formularkram zu erledigen; ich muß mich um „den Fall” Grosz kümmern. Und die CD-Kritik ist für die FAZ zu schreiben. Also ran. (À propos. Als kleiner Nebeneffekt >>>> des Seminars hat es sich ergeben, daß ich künftig auch für die >>>> Welt kompakt über Musik schreiben werde, über E-Musik, logisch. Da diese Zeitung eine ausgeprägte Netzpräsenz hat, liegt der Vorteil auch für Die Dschungel auf der Hand; ich bin aber nicht ganz ohne Berührungszweifel wegen Axel Springer. Andererseits wurde mir, abgesehen von Umfangsfragen, literarische Freiheit zugesichert: ich dürfe formal auch spielen; dieses „dürfe” hatte sogar den Beiklang von „solle”.)

22.06 Uhr:
Nachmittags am Zagrosek-Gespräch weitergearbeitet; bis morgen mittag habe ich Zeit. Nun findet aber morgen vormittag um zehn das Verlagsgespräch wegen der BAMBERGER ELEGIEN statt, so daß ich dem Profi vorhin >>>> die Bar absagen mußte, die, wie ich gerade in einer Post las, Vizeweltmeister beim Gourmand Cookbook-Award 2010 geworden ist, und zwar mit dem Bierbuch, an dem ja auch ich mitgewirkt habe. Wäre ein Grund gewesen anzustoßen. Doch ich habe einfach nicht die Zeit. Auch die CD-Kritik ist noch nicht fertig, und es sammeln sich bereits wieder Gläubiger-„Angriffe”, die ich abwehren muß. Dazu kommt, daß mich heute >>>> Die Reise doch stärker gebunden hat, als ich das eigentlich wollte. Andererseits genügt es nicht, einfach nur ein Projekt in die Welt zu setzen und es dann rennen, laufen oder trödeln zu lassen; ein wenig organisierender, auch moderierender Handarbeit bleibt immer, wenn sowas denn nicht als Unfug verplätschern soll. Doch wie’s jetzt läuft, bin ich’s zufrieden.
Cello-Unterricht war um Viertel vor fünf, zum Üben davor kam ich nicht. Ich selber hör’s nicht, aber meine Lehrerin meinte, bisweilen fange mein Cello zu klingen an; ich müsse eben nur dringend dieses und jenes beachten, immer wieder. Zurück an den Schreibtisch, Zagrosek ff. Dann zur Familie, mit den Kleinen spielen, mit meinem Jungen sprechen, ihm zuschauen, zugleich brachte ich die Wäsche von sechs Wochen rüber, ah mein Rucksack, was bin ich dir dankbar, füllte erst eine, dann die zweite Maschine, hing die erste Wäsche auf, Abendessen, dann wieder die Kleinen versorgen: der Papa putzt Zähne, die Mama liest vor; mein Großer las dann aus dem Bett mir vor: ziemlich öde Witze aus einem uralten Witzebuch, schließlich war alles zum Schlafen gebracht; noch ein paar Minuten mit लक in der Küche gestanden und geredet, jede(r) eine Zigarette geraucht; लक erzählte von der abermaligen Begegnung mit einem alten Freund, der das offensichtlich nicht mehr ist, sondern nach der Karriere kühl, abweisend, die Nase hoch; लक war verletzt, ich verstand nicht, was in den Freund gefahren sein mag. Kann mich darum aber auch nicht kümmern; zum einen ist der Kontakt seit langem abgebrochen; doch er wohnt hier gleich um die Ecke, wie ich erfuhr; das tut Suhrkamp nun allerdings auch. Nee nee, nix Literatur. Politik. Mehr sag ich nicht.
Gut. An den Schreibtisch zurück. Dem Profi abgesagt. Zagrosek wieder vorgenommen. Mal sehen, wie weit ich heute nacht komme. Bin allerdings schon müde. Ziemlich. Und die Löwin ist wieder in Wien, schon seit Sonnabend. Da geht jetzt dieser Prozeß los wegen der Schießerei, bei der sie was abgekriegt hat. Zufällig dagestanden, sagt sie; ganz glaube ich das aber nicht. Kuratorium? frage ich mich. Und mir fiel irrrweise Malos ein und daß es da einen Zusammenhang gebe. Auch Zagrosek ist gerade in Wien. Und in Wien ist soeben meine Erzählung „Clara Grosz” erschienen, als Vorabdruck >>>> aus dem neuen Erzählband. Bei >>>> Volltext.

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