Arbeitsjournal. Dienstag, der 2. März 2010. Aeneas am See.

6.49 Uhr:
[Kraus, Aeneas in Karthago.]
Was ging denn d a grad für eine Verschaltung in meinem Hirnkasten ab? Joseph in Aeneas schrieb ich eben, bemerkte es, als ich „Aeneas” tippte. „Joseph in Ägypten”, klar. Aber: Interessant. Weiterverfolgen. Spuren… na, sagen wir „Tapsen” des Unbewußten, das seine Schritte, weil ich verschlafen habe, noch täppisch aufsetzt. Bis nach Mitternacht habe ich gestern an dem Zagrosek-Gespräch gesessen und bin heute morgen vor einer Reihe von Frauen erwacht, jedenfalls dachte ich das, für die der Begriff Reihung passender wäre, und zwar im Sinne von Schaltung. Nicht, daß sie unpersönlich gewesen wären, ganz im Gegenteil; aber es wird auf einen Zuschauer – nämlich fand die Situation in einer Live-Sendung des Fernsehens statt – so gewirkt haben. Ich brauchte wirklich etwas Zeit, um zu begreifen, daß das jetzt ein Traum war, den ich dann aber nicht, was vernünftig gewesen wäre, ausschaltete, um aufzustehen, sondern jetzt wollte ich auch wissen, was er mir zu erzählen hatte. So wurde es halb sieben, bis sich der gleichzeitig damit verbundene Testosteronschub ausgeschubst hatte. Nun hab ich abermals ein Zeitproblem. Jedenfalls muß der Konzerthaustext jetzt schnell fertigwerden, dann ziehe ich zum Verlag hinüber, um die Bamberger Elegien zu besprechen; allerdings habe ich noch einen kleinen Konzerthauspuffer bis zum frühen Nachmittag, kann also „nach”arbeiten; außerdem soll die CD-Kritik vom Tisch.
Guten Morgen. (Spät nachts noch sah ich in ein Wasser, eines der tiefsten Deutschlands, wie ich erfuhr. Ich stand am Ufer: Still war´s dort, kein Kahn zog seine Furchen, kein Vogel sang, und nur selten flog ein Habicht darüber hin und warf seinen Schatten auf die Spiegelfläche des Sees. Für eine lange Zeit war twoday im Wortsinn darin down: damit man mich nicht sah aus der Tiefe. Damit man mich nicht ziehen konnte. Ich darf, spüre ich, nicht sagen, wo das Wasser ausgebreitet l i e g t. Es will nicht die Blicke. Meine aber. Das ist nicht ungefährlich.)

Morgen-Cigarillo. Latte macchiato. Zu Mittag ist meinem Sohn das Essen zu bereiten. Meinem schönen Sohn.

11.25 Uhr:
Zurück aus dem Café, wo mich mit dem Verleger ein s e h r schönes Gespräch geführt habe – ohne (noch) ein konkretes Ergebnis, vor allem muß ich, merke ich immer wieder, für die >>>> BAMBERGER ELEGIEN streiten: in einem guten Sinn; ich weiß ja, wie ungewöhnlich, nein: ungewohnt es ist, was ich da tu. Hat auch was von Missionieren. Aber das gehört dazu, wenn man auch für Hochintellektuelle sperrige Wege einschlägt, die doch in Wahrheit, o b w o h l sie in Wahrheit süffige sind. Wir diskutierten auch Hegemann; unsere Einschätzung ist erstaunlich ähnlich, übrigens auch für Foster Wallace’s Infinite Jest. Schließlich bekundete * auch noch ein Interesse an dem ANDERSWELT-Projekt, womit jetzt nicht Die Dschungel gemeint ist. „Aber Sie müssen sich klar darüber sein”, sagte ich, „daß, nur den dritten Band zu verlegen, auf keinen Fall funktionieren kann. Wenn überhaupt, dann müssen alle drei Bücher erscheinen.” Was ein, ephemistisch gesprochen, Klops ist, den der Markt nicht unbedingt verdauen kann. Andererseits: das e-Buch dazugenommen, lesbar auf dem Iphone: dann sähe die „Sache” schon anders aus.
Vor dem Treffen aus Eitelkeit noch die Welt kompakt gekauft, wegen >>>> dieses Artikels. Jetzt weiter mit Zagrosek, dann eine Stunde schlafen, dann mein Junge.

14.30 Uhr:
Nach dem Mittagsschlaf. Der Zagrosek-Text ist ans Konzerthaus hinaus. Die Kartoffeln kochen.

3 thoughts on “Arbeitsjournal. Dienstag, der 2. März 2010. Aeneas am See.

  1. Meinen Sie … dass sich jemand den Ulysses
    oder Zettels Traum auf dem
    iphone antut?

    Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch.

    1. @Rostschleifer. Ich halte das für eine ganz banale Frage der Gewöhnung – der Prägung, wenn Sie so wollen. Daß ein Buch nicht nur für Stein ein Buch sei und ein Buch, steht dem nicht entgegen, denn ein Text ist ein Text ist ein Text.

      Übrigens ist Zettels Traum objektiv ein schlechter Einwand: Das “Buch” hat es mit ihm bis heute nicht fertiggebracht, etwas anderes herzustellen als die Kopie von Typoskriptseiten.

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