Arbeitsjournal. Freitag, der 12. März 2010. Mit Kopfschmerz.

8.27 Uhr:
A l l e s ist im Kopf. Auch das metaphorische Herz. Selbst vögeln können wir nur, wenn das Gehirn es will und erlaubt. Und können es nicht, erlaubt es das nicht. Es verliebt sich der Kopf, nichts anderes, der metaphorische. Er auch sperrt sich und weist die Umarmungen ab. Er ist es, der vom anderen trinkt, er hat die Macht der Hormone von Frauen. Aufgeschlagen liegt auf dem zweiten Arbeitstisch, an dem wir auch essen, mein Junge und ich, >>>> Gregs Tagebuch mit den bekloppten besten Freunden und fragt mich: Wie willst du dein Leben führen? Es ist überhaupt die Kühlmannfrage, was denn ein Leben sei, das recht geführt wird. Wir müssen lernen zu wissen, was wir wollen. Ich fragte meinen Sohn gestern, weshalb er denn das und das w i e d e r nicht getan habe; er antwortet: „Ich weiß nicht.” Woraufhin ich ihm sagte, diesen Satz wolle ich von ihm nie wieder hören, verwende er ihn noch ein einziges Mal, würde ich seine, meines Jungen, Zeit streng durchstrukturieren. „Alles, was wir tun, tun wir mit Gründen. Wenn du lieber mit deinen Karten spielst, als Cello zu üben, dann heißt das, daß dir die Karten wichtiger sind als das Cello. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber dann muß man auch die Konsequenzen tragen. Wenn es dir lieber ist, mit deinen Freunden zu spielen als Hausaufgaben zu machen, heißt das, daß das Spiel mit den Freunden dir wichtiger als die Hausaufgaben ist, also wichtiger als die Schule ist. Wenn du mir sagst: ‚Ich hatte einfach keine Lust, Hausaufgaben zu machen, sondern ich wollte lieber in den Schülerclub”, dann ist das eine Aussage, die ich akzeptiere, auch wenn sie mir nicht gefällt und auch aus ihr Konsequenzen zu ziehen sind, jedenfalls wenn das öfter, sagen wir: unentwegt, vorkommt. Antwortest du aber: ‚Ich weiß nicht’, dann ist das inakzeptabel, und ich werde Gegenmaßnahmen ergreifen.” Es war überhaupt ein schwerer Abend, der zu einer schweren Nacht wurde. Nein, nicht meines Jungen wegen, mit dem ich grundsätzlich sehr einverstanden bin, zumal die Pubertät bereits deutliche Flackerscheine über die Wände wirft. Aus einem anderen Grund war es sehr schwer, zum Weinen imgrunde, wenn sowas denn hülfe. Es hilft aber immer nur: handeln. Bis nach Mitternacht mit dem Profi nicht, >>>> liebe Melusine, in der Bar gewesen, aber doch im Soupanova, erstmal karrten wir eine halbe Stunde, ich zitterte noch, war bis auf die Knochenhaut verletzt, ums Carrée, um für seinen Maserati einen Parkplatz zu finden. Der Freund ist zur Zeit ganz ebenso verletzt, beide kommen wir mit Situationen der Hilflosigkeit schlecht klar. Jeder drei Bier oder waren es vier? Dann noch Ewigkeiten telefoniert, wobei fast immer die völlig Falschen abkriegen, was man gerade ihnen nicht aufbürden darf. Aber tut. Jedenfalls sah ich mich schon alles umwerfen, so richtig von Grund auf. Ein Anruf heute morgen, der mich abermals Verschlafenden vom weitren Verschlafen dann abhielt, richtete es wieder: provisorisch, das ist mir schon klar. Provisorien sind nix, was ich schätze. Provisorische Lebensentwürfe tragen das Problem in der gräßlichen Redundanz ihres eignen Begriffs. Andererseits, das war ja meine Kühlmannfrage: ist denn ein rechtes Leben möglich, ein zugleich gerechtes wie weises und menschliches, und zwar ohne Verzicht dort, wo Verzicht klein macht, weil er ständig die Seele verwundet? Indem ich mir diese Frage stelle, ihr nicht ausweiche, verläßt mich der Kopfschmerz.

2 thoughts on “Arbeitsjournal. Freitag, der 12. März 2010. Mit Kopfschmerz.

  1. Nicht alle sind so behutsam wie Sie. Im Zuge der Prädeterminationsästhetik erlebt ein seltsamer pädagogischer Essentialismus seine Renaissance. Und mit ihm eine eher düstere Metaphorik. Begriffe wie “recht geführtes Leben” tauchen wieder auf, dazu der Glaube, man könne zu einem Wesenskern “idealer Individuen” vorstoßen. So unbekümmert archao-biologistisch wird selten die Hilflosigkeit verklärt. Die Bedingung des Menschseins ist im Kern symptomatisch für archaisch-urmenschliche Handlungsmuster, ob der Kleine lieber Karten spielt, der Große den Maserati “macht”, ob Sie das Cello predigen und sich selbst aber lieber dem Mittagsschlaf hingeben, oder ob ich zum Hammer greife, um Intuitionen an die Wand zu nageln (allein die Geräusche verursachen schon das, was als Kanon begriffen wird, nämlich Kopfschmerzen).

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