ein für mich so schöner tag…

… war das gestern. um 05.30 uhr saß ich mit einem heißen kaffee, einem croissant und einem äußerst leckeren franzbrötchen (unterwegs bei einem bäcker geholt), auf der seebrücke in scharbeutz… bis 08.00 uhr blieb ich im sonnenaufgang sitzen. wie still es war. so um 07.00 uhr erstes mövengeschrei…. “meins, meins, meins…” eine blieb stoisch auf dem brückengeländer in meiner nähe sitzen, legte ihr köpfchen immer ein wenig schräg, beäugte die chance, daß ich etwas fallen ließ. mir war, als ob alles hinter mir läge…. eine türkisblau, absolut windstille weite vor meinen augen, die dann aber ständig das neapelorange suchten, und für eine kurze zeit auch fanden. es ist schwer, diese farbe zu differenzieren, weil sie so zart aufscheint, in der nächsten abstufung dann sofort untergeht. auf vielen seebildern findet man diese himmelsfarbe, die auch sehr kitschig wirken kann, die viele menschen für einen rosa-ton halten, aber auch für eine hautfarbe. es gibt ein neapel-rosa und ein neapel-orange… sind beide schwierig zu kaufen, und noch schwieriger zu mischen.
ich hatte mir eine schwarze jacke angezogen, die die wärme der sonnenstrahlen speicherte, deshalb war mir auch garnicht kühl. das tat so gut… das tat so gut. danach überlegte ich… fahr ich, oder geh ich… entschloß mich dafür zu gehen, zog die dicken filzsocken und die gummistiefel an, ging los. von scharbeutz in richtung travemünde… 15 kilometer immer nur am strand entlang. bei niendorf geht die aktive steilküste, das brodtener ufer los, manchmal abschnitte durch abbrüche gesperrt, aber ich fand dann in niendorf den treppenabgang. das hinterland dieser steilküste ist naturschutzgebiet, aus diesem grunde finden sich einige trampelpfade, es gibt abschnitte, die man nur auf eigene gefahr betreten kann. geschiebemergel… ein für eine grundmoräne typisches sediment, meine augen suchten wieder, und fanden auch. die steine legte ich an einer geschützten stelle ab, wollte sie nicht den ganzen weg tragen, steckte sie auf dem rückweg in die mitgenommen gefaltete stofftasche. die steilküste selbst… ockerfarbene schichten in verschiedenen abstufungen, manchmal der eisenanteil deutlich zu sehen, teilweise mit pflanzen bewachsen, dazwischen die kleinen höhlen der uferschwalben. einen unakit fand ich, worüber ich sehr glücklich bin… dieses olivin hat eine farbe…. dachte… das was die zeit schonen will, birgt der felsen.
in travemünde angekommen gönnte ich mir einen hummerschwanz und jakobsmuscheln, einen kleinen chablis dazu, blieb eine stunde in der sonne sitzen, danach ging ich wieder zurück, fand meine steine wieder… und meine seele. das meer nährt. der abschied fiel mir schwer, göttin sei dank aber ist es ja nicht weit. ich brauch das einfach regelmäßig.
zwischendurch meldete sich u., sie will mich am freitag bekochen, j. am samstag, es wird ein fress-wochenende werden. mein telefon hatte ich, bei meinen gang an der see, ausgeschaltet… sie sms piepten, als ich es wieder einschaltete.
am frühen abend klingelte l. an meiner tür: “um hoalb oacht gibt’s esse.” “ok…” kurz vor halb acht klingelte es noch einmal an meiner tür, ich dachte… na?, braucht l. eine zutat für’s esse? mitnichten. alle nachbarn standen vor meiner tür… und sangen: “wie schön das du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst…” und ich stand da wie pik sieben… damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. eine schöne karte, mit von e. kleinen beklebten steinchen, überreichten sie mir, und einen gutschein. wir verabredeten einen kuchennachmittag und ersten grillabend im april, an dem dann mehrere geburtstage nachgefeiert werden.
als ich am strand entlang ging, dachte ich an meine schwester und meinen bruder. besonders an meinen bruder. ich glaube, er konnte nicht anders….. als die feier platzen zu lassen. ich vermute, daß er im augenblick den begriff “familie” einfach nicht ertragen kann, weil durch die wirkende therapie unbewußt in ihm die erinnerung an den mit diesem begriff verbundenen schmerz aktiv wird, den er erst einmal nur abwehrt: “überhaupt will ich diese ganze familienkacke nicht, es interessiert mich alles nicht, muß ich nicht haben.” wenn es so sein sollte, ist er auf dem richtigen weg, ich hoffe nur, daß der therapeut es schafft, ihm eine mögliche richtung aufzuzeigen…. auch er (nein, nicht der therapeut, sondern mein bruder) rief gestern an, um zu gratulieren… tat so, als ob garnichts passiert wäre. “verdrängung”, dachte ich, bedankte mich für die guten wünsche, schickte dann noch eine portion liebe an seine adresse.
ein sehr schöner tag war das gestern… und… ganz vielen lieben dank für alle glückwünsche, die mich per mail erreichten. heute hab ich noch einen freien tag, werde in den garten gehen, vorher meinen gutschein einlösen. “gehst pfloanze kaufe, gell?” “joa.”
jetzt aber erst noch einen zweiten milchkaffee… die sonne kommt durch. hmm… ich vermisse paul reichenbach, frag mich, wie es ihm geht.