das blau der nacht….

…. hab ich heut früh noch an meinen händen. blau, blau, wo bist du in meinem leben. immer war mir das rot wichtig. die blaue kerze, die ich gestern kaufte, wirkt wie ein fremder gegenstand, nein, eine fremde farbe. fremde farbe, fremde farbe, was sagst du mir. frag mich, warum motivationsposter in meinem büro hängen sollen, dieser schwarzgraue einheitssalmon mit weißem rand, einem leuchtenden punkt und einer erhellenden aussage, nicht zu vergessen ein blitzender rahmen, der nicht teuer sein darf. ich will diese poster nicht in meinem büro, antworte ich, grautöne haben wir inzwischen nicht nur an den wänden. die möbel, die drucker, die faxgeräte, die schreibtischlampen, die ablagefächer, selbst tacker und locher sind inzwischen grau, und die blazer, und die röcke, und die pullover, und die schuhe.. nein, die sind schwarz, aber die anzüge, die mäntel, die jacken. und welcher mantel ist jetzt meiner? also ich nehm den hier, der ist rot. und einen roten locher hat hier auch niemand. stimmt. “das ist ja so hell hier”, sagt ein kollege, der unten in mein zweites büro kommt. nachdem ich mich oben für zwei stunden ausgeklinkt hatte, mit der begründung, den ganzen kirschsaft erstmal vom drucker entfernen zu müssen, was längere zeit in anspruch nähme, weil das zeugs ja so klebte, flog alles, was nicht unbedingt notwendig ist, aus diesem büro raus. schwarze hände entsorgen später die vier vorhänge, die wahrscheinlich seit 10 jahren vor den fenstern hängen, ohne jemals mit wasser in berührung gekommen zu sein. der nächste kollege kommt rein… “was isn hier los?” “hamse mal nen schraubendreher?” “n was?” “na nen schraubendreher.” “sie meinen einen schraubenzieher.” “ok… gemeinhin auch schraubenzieher genannt.” “was wollnse denn damit?” “na schrauben drehen, rausdrehen, die gardinenstange soll da oben weg.” “dann hamse aber löcher inna wand.” “die kann man zumachen.” “und dann brauchense noch farbe.” “yep.” der seit gut 1 1/2 jahren sich in den kunststoff einfressende kirschsaft, das war ja nicht ich, wieso soll ich das dann wegmachen?, erfordert einigen kraftaufwand. ein kabelsalat ohne spaghetti, dafür mit sandkörnern zwischen den zähnen, gegen die schlieren kann auch der glasreiniger nichts ausrichten. am lebendigsten doch die schreibtischauflage, zwischen dem dunklen grund und der körnigen kunststofffolie rosinen, krümel, zuckerasche. asche?… ja asche und zucker. undefinierbar klebendes, darauf klebend papierschnitzel, taschentuchrestchen. am telefon die ohrmuschel makeup beschichtet, in dieser masse kleine weiße punkte. auf dem insgesamt fettig glänzenden apparat puder und makeup, bräunliche fingerspuren überall, schuppen überall, alles vermischt mit täglichkeitsstaub mehrerer monate, ein braun bis rotbraun, fast ein pompejanisches rot. unsere hausdame bringt unaufgefordert lappen, lappen und glasreiniger. “du hast was für müll?… ich mitnehmen. ich weiß schon, du alles machen jetzt sauber… oh… wenn ich helfen, du bescheid sagen, wenn ich zeit hab, dann tu ich. aber hier unten kein geschirr wegräumen, mußt du machen selber…” “ist alles in ordnung, ich kann das geschirr auch selbst wegräumen.” “aber ich machen sauber…. immer.” als ich beginne, den ventilator, den kühlschrank, die überflüssigen ablagefächer und noch einiges mehr zu entsorgen, fragt sie mich: “darf ich haben?” “ich hätte nichts dagegen, aber sie wissen doch, es darf nichts das konzerngelände verlassen, noch nicht einmal dann, wenn man dafür bezahlen möchte. es wird lieber verschrottet.” “kann ich nicht doch mitnehmen?” “besser nicht, werden sie erwischt, haben sie keine arbeit mehr.” “schlecht, schlecht, stimmt. dann ich nicht mehr nach hause fahren. soll ich mitnehmen blumen?” “ja bitte, und danke. die sind ja völlig hinüber.” “gießt keiner, ich aber auch nicht… kein zeit dafür. du jetzt kaufen schöne blumen?” “ja, bring ich nächste woche mit.” den hausmeister dann noch angerufen. die jalousien müssen repariert werden, sie hängen völlig schief draußen in halber höhe vor den fensterscheiben, lassen sich auch nicht mehr hochdrehen, weshalb dieses büro, auch dann, wenn die sonne scheint, dunkel ist. “die sonne?, die hab ich immer draußen gelassen. ich brauch kein licht.” “ich aber.” die hausdame saugt noch den boden. “geben sie mir bitte mal den staubsauger” “nein, nein, ich machen.” “nein, ich machen, steht nicht im leistungsverzeichnis”, anworte ich, öffne alle schranktüren, sauge die böden ab, auch die fußleisten, die möbelkanten und -beine, und alle leeren schubladen von innen. die ganze zeit die fenster sperrangelweit offen, konnte ich in diesem büro atmen, als ich die türe schloß. montag noch ein paar alte bücher und auch steine mitnehmen, ein bild von meiner tochter, andere pflanzen und die farbe blau. ich bin kein reinlichkeitsfreak, auch bei mir liegt der staub mal länger auf der fläche, weil ich zu faul bin, abends die sachen auf dem schreibtisch zusammen zu räumen. erst dann, wenn ich das tu, darf unsere hausdame den schreibtisch abwischen. mein büro sieht auch mal völlig chaotisch aus, aber es ist eine selbstverständlichkeit, daß jemand, der den hörer meines telefons in die hand nimmt, nicht mein makeup an seinem ohr kleben hat…
der tag heute wird irgendwie nicht richtig hell, der hafengeburtstag kann gern ohne mich stattfinden. meinen rücken muß ich pflegen. wenn der therapeut therapeutisch tätig war, wirkt’s für einige tage auch so. er ist nett, der therapeut, ein bißchen klein für seine größe, aber nett…. und, er weiß, was er tut.

5 thoughts on “das blau der nacht….

  1. Das ist ein wunderbarer Text… … allein das Anspiel der Farben gegen das Grau… – Und sowieso: “ein bißchen klein für seine Größe”.
    Fein auch, daß Sie neuerdings kommentieren lassen.

  2. Überhaupt ist dieser Typ ganz witzig. Er ist kleiner als ich, und schmal, schon allein diese fast weiße Haut. Sein dunkles Haar, es wächst nur spärlich, er sollte sich seinen Schädel ganz rasieren, und die dunkelbraunen Augen, lassen dunkles Blut ahnen. Als er vor mir stand, vermutete ich die Türkei als Heimatland oder Grund. Ich irrte aber, er hat einen typisch deutschen Nachnamen. Sein Aussehen steht völlig kontradiktorisch zu seinem Namen. Für sein junges Alter finde ich sein tiefes Wissen unglaublich, es ist fast so, als ob da eine ganz alte Seele in einem jungen Körper wohnt.

  3. schade dass ich nur hier kommentieren kann – mir hat Ihr heutiger eintrag so gut gefallen, und stellen Sie sich vor – dieses kleine diogenes-büchlein mit den liebesgedichten habe ich auch, es liegt auf meinem nachttisch – wie viele wohl in sehnsuchtsvollen stunden in diesem büchlein geblättert haben, immer zur widmung zurückschauten, die gedichte lasen, ohne sie noch richtig zu erfassen, wie das beten eines vaterunser manchmal, nicht mehr eingedenk der worte, eher noch das betasten, durchfühlen eines kleinods

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